Streit um Ticket-Erstattungen Wie Airlines Kunden zermürben

Wenn Flüge gestrichen werden, warten Kunden häufig ewig auf ihr Geld. Statt zu zahlen, streiten viele Airlines lieber vor Gericht. Nun hat die Ryanair-Tochter Laudamotion dort allerdings eine Niederlage erlitten.
Ryanair-Maschinen in Dublin

Ryanair-Maschinen in Dublin

Foto: PAUL FAITH / AFP

Soll ein Passagier den Ticketpreis von 48,48 Euro sofort zurückbekommen, wenn sein Flug gestrichen wurde? Nein, findet offenbar die zu Ryanair gehörende Fluglinie Laudamotion und argumentierte bei Gericht, dass sie eine Rückzahlung verweigern dürfe, wegen des "unverhältnismäßigen Aufwandes". Dagegen geklagt hatte das Fluggastrechteportal EUflight für einen Passagier.

Das neuerliche Verfahren ist nur ein Beispiel für den Ärger, den nach wie vor unzählige Kunden durchmachen, die seit Monaten auf ihr Geld für nicht stattgefundene Flüge warten. Die Airlines erstatten die Tickets - wenn überhaupt - nach wie vor nur sehr zögerlich. Kunden werden zusätzlich Erstattungen erschwert, manchmal indem etwa Links verschickt werden, die im Internet ins Leere führen. Auch wird gern getrickst, wenn das Ticket über einen Reisemittler wie Expedia, Check24, Opodo, Booking oder ein Reisebüro gebucht wurde.

"Es ist skandalös, mit welcher Selbstverständlichkeit Airlines ihre Kunden als Finanzierungsquelle missbrauchen."

Verbrauchervertreter Lars Watermann

Dann folgt schon mal der Hinweis, dass der Kunde sich bitte an den Vermittler wenden soll. Eine EU-Verordnung regelt diesen Punkt allerdings ziemlich eindeutig: Die Airline muss das Ticket dem Reisenden erstatten - direkt. Lars Watermann, Chef von EUflight fasst die Situation so zusammen: "Es ist skandalös, mit welcher Selbstverständlichkeit Airlines ihre Kunden als Finanzierungsquelle missbrauchen." Würden die Fluggesellschaften die gleiche Kreativität und Energie, mit der sie sich vor Gericht gegen Erstattungsforderungen verteidigen, in die Ticketrückzahlungen investieren, hätten viele Passagiere längst ihr Geld, glaubt Watermann.  

Die juristischen Scharmützel sollen Kunden zermürben

Ryanair, nicht nur bekannt für findige Marketingaktionen, sondern auch skurrile Ideen bei rechtlichen Auseinandersetzungen, argumentierte beim Amtsgericht Nürtingen im Fall des Streits um die 48,48 Euro, dass die Rückerstattung über eine Zentrale im spanischen Madrid laufe. Weil aber in Spanien die Corona-Situation besonders angespannt gewesen sei, habe man Rückerstattungen nicht schneller durchführen können. Als Beleg fügte der Anwalt von Ryanair etwas lieblos unter anderem Medienberichte und einen Wikipedia-Artikel zur Covid-19-Situation bei. Das Gericht urteilt, dass es nicht ersichtlich sei, warum Ryanair seine interne Organisation nicht ändere und an die Covid-19-Situation anpasse. 

Das Argument, dass eine Erstattung ein "unverhältnismäßiger Aufwand" sein könnte, wies das Gericht ebenfalls zurück. Ein Gläubiger - in diesem Falle der Passagier - habe ein gesteigertes Interesse, auch kleinere Geldbeträge bei seinem Schuldner - also der Airline - geltend zu machen und deren Rückzahlung innerhalb der vom Gesetz vorgegebenen zeitlichen Fristen zu verlangen. Auch sei die rechtliche Prüfung eines Anspruchs "nicht sonderlich kompliziert". Das Gericht verurteilte die Fluglinie Laudamotion auf die Zahlung des Betrags nebst Zinsen. Ryanair reagierte nicht auf eine Anfrage des SPIEGEL zu der Entscheidung. 

In der Branche sehen manche solche für die Airlines mehr oder weniger aussichtslosen Rechtsscharmützel als Taktik, um Kunden zu zermürben. Die Folgen könnten Airline-Manager schon bald spüren, da wohl mancher potenzieller Kunde seine Flugreise gar nicht erst bucht - aus Angst, bei Annullierung das Geld nicht zurückzubekommen.

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