Verfahrenstrick Ryanair wollte Gerichtsverhandlung wegen Coronavirus aussetzen

Ryanair-Flugzeuge in Manchester: Wegen der Krise fallen viele Flüge immer noch aus
Foto: OLI SCARFF/ AFPEigentlich sollte es eine ganz normale Gerichtsverhandlung werden, wie sie schon vielfach gegen die Billigfluglinie Ryanair geführt worden ist: Es ging um eine Entschädigungszahlung wegen einer Flugverspätung. Doch die findige Airline aus Irland versuchte, die Krise rund um das neuartige Coronavirus dafür zu nutzen, die Gerichtsverhandlung zu verschleppen.
Ryanair behauptete, man könne ein Verfahren vor dem Amtsgericht Hamburg nicht weiter betreiben, weil das Unternehmen, bedingt durch die Corona-Pandemie, vom Verkehr mit dem Gericht abgeschnitten sei; der Airline sei daher eine Bearbeitung des Verfahrens nicht zuzumuten.
Am 31. Dezember 2019 wandte sich China erstmals an die Weltgesundheitsorganisation (WHO). In der Millionenstadt Wuhan häuften sich Fälle einer rätselhaften Lungenentzündung. Mittlerweile sind mehr als 180 Millionen Menschen weltweit nachweislich erkrankt, die Situation ändert sich von Tag zu Tag. Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über alle SPIEGEL-Artikel zum Thema.
Zur Begründung zitierte Ryanair in einem Schreiben mit dem Briefkopf des hauseigenen Kundenservice an das Amtsgericht Hamburg die Beschlüsse der Bundesregierung zum Kampf gegen das Coronavirus aus dem März. Ein Link zu einer Internetseite des Anwaltsvereins , den man "instruktiv" aufführe, sollte den Antrag untermauern. Dort wird neben vielen Möglichkeiten, etwa das Verfahren schriftlich oder per Videokonferenz zu führen, der Antrag auf Aussetzung als "schärfste Waffe" des Anwalts bezeichnet.
Das Amtsgericht Hamburg hat das nun in einem Beschluss zurückgewiesen. Ein Verfahren könne nur dann ausgesetzt werden, wenn eine Partei durch "obrigkeitliche Anordnung oder durch Krieg oder durch andere Zufälle" vom Verkehr mit dem Prozessgericht abgeschnitten sei. Dies sei während der Coronakrise nicht der Fall.
Ryanair habe nicht schlüssig vorgetragen, warum es unmöglich sei, "Schriftverkehr mit dem Gericht zu führen oder einen Vertreter in einen Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Gericht zu entsenden", so das Gericht. Ryanair reagierte auf mehrere Anfragen des SPIEGEL zum Beschluss nicht.
Der Vertreter der Gegenseite und Geschäftsführer des Hamburger Fluggastrechteportals EUflight.de, Lars Watermann, sagt: "Ryanair lässt nichts unversucht, Entschädigungsforderungen zu ignorieren und Gerichtsverfahren in die Länge zu ziehen." Es sei begrüßenswert, dass das Amtsgericht die Coronakrise "als Vorwand für prozesstaktische Verzögerungen auslegt und Ryanair in die Schranken weist".
Am 17. Juni 2020 will das Amtsgericht Hamburg laut Beschluss in der eigentlichen Verhandlungssache eine Entscheidung verkünden.