Unabhängigkeit von russischer Energie EU-Kommission plant Ölembargo – in sechs bis acht Monaten

Öltanks in Schwedt an der Oder: Bislang vor allem aus Russland befüllt
Foto:Patrick Pleul / dpa
Anders als beim Gas ist ein Lieferstopp für Öl in greifbare Nähe gerückt. Ein Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass Unternehmen aus Deutschland und den anderen EU-Staaten in Zukunft kein Öl mehr aus Russland importieren dürfen. Der Plan ist Teil eines neuen Pakets mit Russlandsanktionen aus Brüssel.
»Wir schlagen jetzt ein Embargo für russisches Öl vor. Dabei geht es um ein vollständiges Einfuhrverbot für sämtliches russisches Öl«, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Europaparlament. Es gehe um ein vollständiges Einfuhrverbot, ob Seeweg oder Pipeline, ob Rohöl oder raffiniert. »Auf diese Weise maximieren wir den Druck auf Russland und halten gleichzeitig Kollateralschäden für uns und unsere Partner weltweit möglichst gering.«
Um den Ländern Zeit für die Umstellung zu geben, soll es allerdings teils üppige Übergangsfristen geben. Konkret ist demnach geplant, dass nach einer Auslaufphase von sechs Monaten ein Einfuhrverbot für Rohöl gelten soll und nach einer Auslaufphase von acht Monaten dann auch ein Einfuhrverbot für Ölprodukte. »Wenn wir der Ukraine helfen wollen, muss unsere eigene Wirtschaft stark bleiben«, begründete von der Leyen den Schritt.
Eine Rolle soll zudem spielen, ob Lieferungen per Pipeline oder per Schiff erfolgen. Noch weiter reichende Ausnahmeregelungen sind für Ungarn und die Slowakei geplant. Diese beiden EU-Länder beziehen derzeit noch einen Großteil ihres Öls aus Russland und sehen sich auch wegen eines fehlenden Meereszugangs nicht in der Lage, so schnell wie andere Staaten alternative Lieferquellen zu erschließen. Der Entwurf sieht für diese beiden hochgradig abhängigen Länder vor, dass sie ihre Importe noch bis Ende 2023 fortsetzen dürfen.
Tanken droht teurer zu werden
Für Deutschland dagegen ist ein zeitnaher Lieferstopp von russischem Öl bereits »handhabbar« geworden, wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) in der vergangenen Woche bei einem Besuch in Polen sagte. Binnen acht Wochen gelang es der Bundesrepublik bereits, die Abhängigkeit von russischem Öl von 35 Prozent vor Beginn des Ukrainekriegs auf zwölf Prozent zu senken. Als problematisch galt zuletzt vor allem noch die Versorgung der PCK-Raffinerie in Schwedt an der Oder. Sie gehört zu großen Teilen dem russischen Staatskonzern Rosneft, könnte aber enteignet werden .
Ungarn und die Slowakei beziehen wie die Raffinerie in Schwedt russisches Öl über Stränge der Druschba-Pipeline, die auch Tschechien versorgt. Ungarn importiert nach Regierungsangaben rund 65 Prozent seines Öls aus Russland – das ist mehr als doppelt so viel wie der EU-Schnitt von zuletzt 26 Prozent. Ungarn hatte mit einem Veto gegen ein Ölembargo gedroht, wenn dieses die eigene Versorgungssicherheit einschränke. Der slowakische Wirtschaftsminister Richard Sulik hatte betont, der Abschied seines Landes von russischem Öl werde »mehrere Jahre« in Anspruch nehmen.
Durch einen Boykott drohen den EU-Bürgern nun erhebliche Zusatzkosten. So erwartet Habeck hohe »Preissprünge«. Grund ist unter anderem, dass russisches Öl durch wahrscheinlich teurere Alternativen aus anderen Ländern ersetzt werden muss. Zudem bedeutet die Umstellung von Raffinerien und Lieferwegen einen erheblichen organisatorischen Aufwand. Aber wann und wie stark das Tanken oder Heizen teurer werden, wagt kaum jemand vorherzusagen.
Während ein Ölembargo nun wahrscheinlich ist, schrecken insbesondere Deutschland und Österreich vor einem schnellen Ausstieg aus russischem Gas bislang zurück – aus Furcht vor schweren wirtschaftlichen Schäden. Habeck hatte zuletzt gesagt, dass sich Deutschland erst Mitte 2024 von russischem Gas emanzipieren könne. Wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die EU für Kohle aus Russland indes bereits einen Importstopp beschlossen.
Weitere Sanktionen sind geplant
Neben dem Ölembargo umfasst der Vorschlag der EU auch neue Strafmaßnahmen gegen Unternehmen. So sollen nun auch die größte russische Bank, die Sberbank, sowie zwei andere Banken und TV-Sender sanktioniert werden, die gezielt Falschinformationen zum Ukrainekrieg verbreiten. Die Banken sollen nicht mehr das internationale Finanzkommunikationssystem Swift nutzen können.
»Dadurch treffen wir Banken, die für das russische Finanzsystem relevant sind, und schränken Putins Fähigkeit zu weiteren Zerstörungen ein«, sagte von der Leyen. »Hierdurch wird die vollständige Isolierung des russischen Finanzsektors vom globalen System zementiert.«
Auf eine EU-Liste derjenigen Personen und Organisationen, deren Vermögenswerte eingefroren werden, sollen zudem unter anderem Akteure kommen, die für die russischen Gräueltaten in ukrainischen Städten wie Butscha und Mariupol verantwortlich waren. »Somit erhalten alle Kriegsknechte des Kremls ein weiteres eindeutiges Signal: Wir wissen, wer Sie sind, und Sie werden zur Verantwortung gezogen«, sagte von der Leyen.
Damit die geplanten Sanktionen in Kraft treten können, braucht es nun noch die Zustimmung der Regierungen aller 27 EU-Staaten. Bereits an diesem Mittwoch wollen deswegen deren ständige Vertreter in Brüssel mit den Beratungen über die in der Nacht verschickten Vorschläge beginnen. Wenn aus den Hauptstädten keine großen Einwände mehr kommen, könnten die Pläne dann bereits in den kommenden Tagen beschlossen werden.