Handel trotz Sanktionen Amerikas Russen-Connection

Amerika gilt als schärfster Kritiker Moskaus in der Ukraine-Krise. Barack Obama setzt auf harte Sanktionen. Dennoch haben manche US-Konzerne Wege gefunden, weiterhin gute Geschäfte mit Russland zu machen.
US-Container-Umschlagplatz Baltimore: "Substanzielle Geschäfte"

US-Container-Umschlagplatz Baltimore: "Substanzielle Geschäfte"

Foto: Patrick Semansky/ AP

Großes Stühlerücken beim US-Konzern Cisco: Vorstandschef John Chambers hat nach 20 Jahren seinen Abgang angekündigt, Nachfolger Chuck Robbins übernimmt Ende Juli. Ihn erwartet ein harter Job: Erstmals seit fünf Jahren schreibt die Netzwerk-Firma Verluste.

Ein Sorgenpunkt ist der Russland-Markt, wo Ciscos Produktumsatz um 24 Prozent einbrach. "Geopolitische Herausforderungen" seien daran schuld, schrieb das Silicon-Valley-Unternehmen im Jahresbericht dezent. Klartext: Die US-Sanktionen verhageln Cisco das Geschäft.

Und das, obwohl Cisco angeblich sogar bemüht ist, sich an den US-Auflagen vorbeizudrücken. Der Konzern versuche auch weiterhin, High-Tech-Ausrüstung an russische Militär- und Sicherheitskräfte zu liefern, darunter den Geheimdienst FSB, berichtete die Website BuzzFeed  vergangene Woche. Cisco habe Verkaufsunterlagen rückwirkend geändert und Tarndeals geschaffen, um die wahren Empfänger zu vertuschen.

Das Unternehmen dementierte energisch: Man halte die US-Sanktionen gegen Russland "vollständig ein", so Cisco-Sprecher Nigel Glennie. Was er nicht leugnen konnte: Auf Druck der Börsenaufsicht SEC und des US-Justizministeriums ermittelt Cisco seit einiger Zeit in eigener Sache. Der Verdacht: Im Moskauer Cisco-Büro seien Schmiergelder geflossen.

Nicht der einzige US-Konzern, der sich um die Sanktionen herumzumogeln bemüht

Während europäische Unternehmen leiden, machen einige US-Konkurrenten laut Informationen des SPIEGEL nach wie vor gute Geschäfte in Russland: Im letzten Jahr legte der amerikanisch-russische Warenaustausch laut russischen Statistiken sogar um knapp sechs Prozent zu. Der Handel mit den Staaten der Europäischen Union (EU) dagegen schrumpfte um fast zehn Prozent.

Die US-Wirtschaft setzt sich den Sanktionen bekanntlich seit jeher entgegen. Monatelang hatten die größten Konzerne im Weißen Haus und beim Kongress dagegen interveniert - erst diskret, dann offener.

"In keiner Hinsicht" billige man Russlands Verhalten in der Ukraine, versicherte die US-Handelskammer zwar. "Doch unilaterale Wirtschaftssanktionen gegen Russland lehnen wir respektvoll ab." Sie würden Moskau kaum schwächen - stattdessen würden US-Firmen darunter leiden und amerikanische Arbeitsplätze verloren gehen.

"Für einige Unternehmen geht es hier um substanzielle Geschäfte", sagte John Engler, der Präsident des Business Roundtables, einer konservativen Lobbygruppe der mächtigsten US-Vorstandschefs. Betroffen sind Weltkonzerne wie ExxonMobil, AT&T, General Electric und Boeing. "Wir wollen doch keine Leute, die amerikanische Produkte kaufen, mit Sanktionen bestrafen", sagte ein Top-Manager dem "Economist". "Damit würden wir nur US-Exporte ins Visier nehmen."

Dabei geht es um vergleichsweise geringe Summen

Im März dieses Jahres exportierten US-Firmen Waren für nur 702,1 Millionen Dollar nach Russland - ein Bruchteil aller amerikanischen Gesamtexporte jenes Monats (126 Milliarden Dollar). Kein Wunder also, dass sich die Politik am Ende durchsetzte. Der US-Kongress verschärfte die Sanktionen sogar noch, Präsident Barack Obama segnete sie ab.

Trotzdem pflegen viele US-Firmen ihre Russland-Kontakte weiter. Der texanische Hubschrauberhersteller Bell zum Beispiel ging diese Woche ein Abkommen mit dem russischen Konzern JSC Ural Works of Civil Aviation (UWCA) ein, der in Jekaterinenburg Bell-Helikopter herstellen will. "Wir freuen uns sehr darüber, in Russland eine starke lokale Präsenz aufzubauen", erklärte Bell-Vizepräsident Patrick Moulay.

Das Problem: UWCA gehört zur Staatsfirma Rostec des Putin-Vertrauten Sergej Tschemesow. Beide stehen auf der Sanktionsliste.

Auch US-Luftfahrtgigant Boeing verfolgte seine alten, lebenswichtigen Geschäftsbeziehungen zu Russland weiter. "Die Amerikaner haben erst großen Druck auf Europa ausgeübt, harte Sanktionen zu verhängen", sagte Frank Schauff, Geschäftsführer der Association of European Business in Moskau, dem SPIEGEL. "Dass sie selbst ihren Handel mit Russland im vergangenen Jahr ausbauten, ist bemerkenswert."

Mit Material von Bloomberg
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