Schuldenkrise Großkonzerne bereiten sich auf mögliches Euro-Aus vor

Die Furcht vor einem Auseinanderbrechen der Euro-Zone hat Industrie und Handel erreicht: Der "Financial Times" zufolge spielen internationale Konzerne Szenarien für den Fall des Endes der Gemeinschaftswährung durch - und prüfen konkrete Maßnahmen.
EU-Kommission in Brüssel: Zweifel an Fähigkeit der europäischen Politik

EU-Kommission in Brüssel: Zweifel an Fähigkeit der europäischen Politik

Foto: Sean Gallup/ Getty Images

Hamburg - Bislang machte sich vor allem die Finanzindustrie ernste Sorgen um die Zukunft der europäischen Gemeinschaftswährung - doch nun begreifen offenbar auch viele internationale Großunternehmen der Realwirtschaft ein mögliches Aus des Euro als ernsthafte Bedrohung für ihr Geschäft. Laut einem Bericht der "Financial Times" bereiten sich viele Konzernlenker intensiv auf ein solches Szenario vor, weil sie befürchten, dass die europäische Politik die sich verschärfende Schuldenkrise nicht in den Griff bekommt.

Die Zeitung stützt sich nach eigenen Angaben auf Dutzende von Gesprächen mit Managern global ausgerichteter Großkonzerne. Demnach versetzen die immer verzweifelteren Lösungsvorschläge für die Schuldenkrise die Führungskräfte in Alarmstimmung - etwa die Möglichkeit, dass die Europäische Zentralbank (EZB) dem IWF Geld leiht, das dieser wiederum an notleidende Euro-Staaten weiterreicht. Auch der vor einigen Wochen öffentlich von Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ins Spiel gebrachte Austritt Griechenlands aus der Gemeinschaftswährung verstärke das Gefühl in den Spitzenetagen der Unternehmen, dass ein Auseinanderbrechen des Währungsraums Realität werden könnte.

Einer der Manager ist etwa Andre Morgan, Europa-Chef des weltgrößten Spirituosenkonzerns Diageo. "Wenn Länder aus dem Euro austreten, wird ihre neue Währung stark abgewertet, in der Folge werden Importmarken erheblich teurer", sagte Morgan der "Financial Times" - ein Problem für den Hersteller von Marken wie Smirnoff oder Johnnie Walker. Doch nicht nur die plötzlichen Preisgefälle stellen eine Gefahr für international agierende Unternehmen dar - auch die Auswirkungen auf bestehende Verträge oder Kreditvereinbarungen lassen viele Unternehmen laut dem Bericht derzeit juristisch prüfen.

Siemens hat bereits eine eigene Bank gegründet

Ein deutsches Industrieschwergewicht hat sich bereits umfassend auf eine Verschärfung der Euro-Krise vorbereitet: Siemens hatte bereits im vergangenen Jahr eine eigene Bank gegründet, die sich ausschließlich um die eigenen Finanzanlagen des Konzerns kümmert. Damit kann das Unternehmen nun direkt Geld bei der EZB anlegen - insgesamt sollen es bereits vier bis sechs Milliarden Euro sein, die Siemens auf diese Weise in Sicherheit gebracht hat. Im September wurde bekannt, dass der Konzern mehr als 500 Millionen Euro von einer französischen Großbank abgezogen und zur EZB transferiert haben soll.

Einige global operierende Unternehmen halten dem Bericht der "Financial Times" zufolge die Auswirkungen eines Auseinanderbrechens der Euro-Zone für beherrschbar. "Wir haben eine erste grobe Analyse angestellt, was passiert, wenn der Euro nicht mehr die Währung Portugals wäre", sagte Dieter Hoffmann, der Finanzchef der portugiesischen Volkswagen-Zweigs, der Zeitung. "Im Großen und Ganzen wären die Auswirkungen nicht allzu negativ, weil wir hauptsächlich exportieren und zudem Teil eines weltweiten Konzerns sind."

In der Finanzbranche sind die Vorbereitungen auf einen Euro-Crash hingegen schon viel weiter gediehen. So spielt etwa der Währungshändler CLS Bank Internationals mittels Stresstests das Auseinanderbrechen der Euro-Zone durch - das Unternehmen wickelt für 63 Banken den Währungshandel ab. Auch die japanische Nomura-Bank hat ihren Kunden geraten, ihre Staatsanleihen darauf hin zu prüfen, ob diese im Fall eines Euro-Austritts in die Landeswährung transferiert würden. Auch die HSBC soll Klienten vor der Möglichkeit eines Euro-Aus gewarnt haben.

fdi
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