Belegschaftsversammlung mit Kanzler Scholz glaubt an Erhalt von PCK-Raffinerie – auch ohne russisches Öl

Der Bund entzieht dem russischen Rosneft-Konzern die Kontrolle über die PCK-Raffinerie in Schwedt. Vor Ort geht die Angst um, der Kanzler versucht sich in Zuversicht. CDU-Politiker Spahn ist skeptisch.
PCK-Raffinerie: Langfristig soll die Region klimafreundlich umgebaut werden

PCK-Raffinerie: Langfristig soll die Region klimafreundlich umgebaut werden

Foto: Annette Riedl / dpa

Die Politik bemüht sich nach dem Beschluss zugunsten einer Treuhandverwaltung für die PCK-Raffinerie in Schwedt vor Ort um Schadensbegrenzung. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach auf einer Belegschaftsversammlung in der brandenburgischen Stadt am Freitagabend von guten Perspektiven für das Werk.

Der SPD-Politiker hatte zuvor mit dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Brandenburgs, Dietmar Woidke, und dem grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Details zu den Plänen vorgestellt, die Mehrheitseigner von PCK, zweier Töchter des russischen Staatskonzerns Rosneft, unter staatliche Kontrolle zu stellen. Scholz kündigte eine Milliarde Euro an Investitionen als Teil eines Zukunftspaktes an. Der Standort und die Arbeitsplätze seien damit gesichert. Niemand in der PCK-Raffinerie müsse sich um seinen Arbeitsplatz Sorgen machen.

Hintergrund ist, dass Schwedt von der Raffinerie abhängig ist. Hatte die Stadt in den Fünfzigerjahren weniger als 7000 Einwohner, wuchs sie in der DDR mit Aufstieg des einstigen Petrolchemischen Kombinats auf mehr als 50.000. Noch heute arbeiten viele in dem Erdölverarbeitungswerk oder in davon abhängigen Unternehmen. Produziert werden hier unter anderem Diesel und Benzin für große Teile Ostdeutschlands – und der Rohstoff kommt bislang über die Druschba-Pipeline aus Russland. Entsprechend groß ist vor Ort die Sorge vor den Folgen der nun beschlossenen Trennung.

Inzwischen versucht jedoch auch Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach, Zuversicht zu verbreiten. Der SPD-Politiker sieht die staatliche Kontrolle der Mehrheitseigner der PCK-Raffinerie als Grundlage für einen Erhalt. »Mit der Treuhandschaft wird die Voraussetzung geschaffen, die notwendigen Schritte zum Erhalt der PCK-Raffinerie gehen zu können«, sagte er. »Ohne sie wäre das nicht möglich gewesen, mit ihr schafft der Bund die notwendige Handlungsfreiheit.« Er sagte aber auch: »Nun kommt es auf eine erfolgreiche Umsetzung an.«

Rohölvorräte reichen nur 20 Tage

Steinbach hatte zuvor gemeinsam mit Finanzministerin Katrin Lange in mehreren Briefen an Wirtschaftsminister Habeck Alarm geschlagen. Beide forderten eine schriftliche Beschäftigungsgarantie für die Raffinerie, eine Bestätigung zur Ertüchtigung der Pipeline und zur Bereitstellung benötigter alternativer Ölkapazitäten sowie genug Mittel für den klimafreundlichen Umbau der Region Schwedt. »Die gemeinsame Erklärung enthält die geforderten schriftlichen Zusagen«, sagte Steinbach. »Sie war ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung.«

Kanzler Scholz sagte am Rande der Belegschaftsversammlung in Schwedt, das Unternehmen habe eine lange Tradition, die mit vielen Geschichten verbunden sei. »Deshalb ist die Botschaft von heute: Es wird auch noch eine Zeit für die Zukunft geben. Hier wird noch lange Öl verarbeitet werden.« Aber auch mit Blick auf die Entwicklung hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft werde es hier Arbeit geben, »die dem entspricht, was es bisher gegeben hat. Das ist eine wichtige Botschaft«.

Scholz, Habeck und Woidke: Stellen Rosneft-Raffinerie unter Staatskontrolle

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Foto: Michael Kappeler / dpa

Hintergrund der Treuhandverwaltung ist das Ölembargo gegen Russland wegen des Ukrainekriegs, das am 1. Januar greift. Deutschland hat sich auf EU-Ebene verpflichtet, auch auf russisches Pipeline-Öl zu verzichten.

CDU-Vize Jens Spahn äußerte sich dennoch äußerst skeptisch zur Staatskontrolle. »Was veranlasst die Regierung dazu, diese Maßnahme zum jetzigen Zeitpunkt, über drei Monate vor Beginn des europäischen Ölembargos, zu ergreifen? Wie genau und in welchem Umfang wird die Versorgung, insbesondere Ostdeutschlands, gewährleistet?«, fragte Spahn in der »Rheinischen Post«. Man werde die Ampel an der Einhaltung ihrer bisherigen Zusagen messen.

Tatsächlich könnte es für den Betrieb der Anlage womöglich eng werden. Die Rohölvorräte in Schwedt reichen nur für 20 Tage, wenn die Öllieferungen aus Russland versiegen. Als Alternative soll unter anderem aus Rostock kommendes Öl in Schwedt verarbeitet werden, auch Lieferungen über Häfen in Polen sind geplant.

Kanzler Scholz dagegen hält die Ölversorgung auch bei einem Ausfall der Lieferungen von russischem Öl weiter für gewährleistet. Unterstützung für sein Vorgehen erhält er von der Wirtschaftsweisen Veronika Grimm, die die Übernahme der Kontrolle durch den Bund sinnvoll findet, um den Weiterbetrieb der Raffinerie zu sichern. Zugleich wies auch sie in der »Rheinischen Post« aber auf Unsicherheiten für die künftige Ölversorgung bei der großen Raffinerie hin.

Lässt Polen jetzt Lieferungen über seine Häfen zu?

Die Anbindung über Rostock könne die benötigten Mengen nicht kurzfristig erbringen. Es wären auch Lieferungen über polnische Häfen notwendig. Es sei unklar, ob die Treuhandverwaltung ausreiche, um Polen zu überzeugen, Öllieferungen über polnische Häfen zuzulassen. Das Land weigert sich bislang zu liefern, solange russische Firmen mit der Weiterverarbeitung Geld verdienen.

Rosneft warf der Bundesregierung unterdessen eine Zwangsenteignung seiner deutschen Tochterfirmen vor. Das Unternehmen sprach von einem illegalen Zugriff auf sein Vermögen und kündigte an, zum Schutz seiner Aktiva vor Gericht gegen die Aktion vorzugehen. In einer Stellungnahme heißt es: »Rosneft sieht darin eine Verletzung aller grundlegenden Prinzipien der Marktwirtschaft, der zivilisierten Grundlagen einer modernen Gesellschaft, die auf dem Prinzip der Unantastbarkeit von Privateigentum aufbaut.«

Der Konzern betonte, dass er zu jeder Zeit seine Verpflichtungen erfüllt habe. Es seien auch weitere Investitionen und Projekte geplant gewesen. Die bisherigen Investitionen in Deutschland bezifferte der Konzern auf 4,6 Milliarden Euro. Zugleich machte Rosneft deutlich, durch die Entscheidung aus Berlin nun keine Möglichkeit mehr zu haben, »die industrielle und ökologische Sicherheit des Werkes zu gewährleisten«.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider, warf Rosneft vor, es habe am Standort zuletzt keine Fortschritte mehr in der Raffinerie gegeben. Geschäftspartner hätten sich zurückgezogen, Rosneft habe andererseits große, brachliegende Areale nicht für andere Investoren freigegeben, sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Ich wage sogar die Prognose, dass es in Schwedt in einigen Jahren deutlich mehr Arbeitsplätze als heute geben wird«, sagte er.

apr/dpa
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