Die Tierrechtsorganisation Animal Rights Watch hat dem SPIEGEL Filmaufnahmen zur Verfügung gestellt, die bei zwei Schweinemastbetrieben in NRW offenbar Verstöße gegen das Tierschutzgesetz dokumentieren.
Besonders schwere Fälle haben die Tierschützer auf dem Hof Schulze Esking in Billerbeck, nahe Münster, dokumentiert. Die Bilder zeigen mehrere Tiere mit offenen, teils vereiterten Wunden. Der SPIEGEL hat der Tierärztin Diana Plange die Bilder gezeigt und sie um eine Einschätzung gebeten.
Diana Plange, Fachtierärztin für Tierschutz und Tierethik:
»Wie die Wundränder aussehen, wie der Zustand der Wunde an sich aussieht, kann das nicht nach der letzten Kontrolle passiert sein, die ja mindestens einmal am Tag stattfinden sollte. So kann man sagen, dass die meisten dieser Verletzungen, die man sehen konnte, älteren Datums sind und dass die Tiere offensichtlich nicht isoliert worden sind.«
Dieses Schwein kann seine Hinterbeine offensichtlich nicht mehr bewegen und müsste auch separiert, bei fehlender Heilungschance sogar getötet werden.
Außerdem leiden hier mehrere Schweine offenbar an hochgradigen und schmerzhaften Bindehautentzündungen.
Diana Plange, Fachtierärztin für Tierschutz und Tierethik:
»Das waren mehrere Tiere. Dann ist es möglich, aber das ist wirklich eine reine Vermutung, dass die Schadgase in dem Stall so hoch sind, dass die Tiere davon Bindehautentzündung kriegen. Oder es kann natürlich einfach ein bakterieller Eintrag sein. Aber auch sowas gehört behandelt. Und dafür konnte ich bei all den Bildern, die ich gesehen habe, eigentlich keine Indizien feststellen, dass irgendeine Behandlung stattfindet.«
Auf einem zweiten Hof haben die Aktivisten Verstöße mit der Kamera festgehalten: Die Schweinemast Selhorst liegt in Ascheberg, etwa 50 Kilometer vom Hof Schulze Esking entfernt. Auch diese Wunde ist laut der Tierärztin wohl älter als einen Tag. Trotzdem ist das Schwein nicht separiert, sondern den anderen Tieren ausgesetzt.
Gleiches gilt für dieses offensichtlich am Bein verletzte Schwein.
Besonders problematisch: Die Hofbetreiber sitzen im Vorstand des Dachverbands »Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschland«. Philipp Schulze Esking ist zudem in der von der Bundesregierung initiierten Zukunftskommission Landwirtschaft.
Die beiden Betriebe äußerten in einer gemeinsamen Stellungnahme Zweifel an der Authentizität des Bildmaterials.
Im vergangenen Herbst hätten sie außerdem um eine Prüfung aller zum Betrieb gehörenden Ställe durch das zuständige Veterinäramt gebeten, nachdem die Vorwürfe erstmals aufgekommen waren. In der Stellungnahme heißt es:
»Dabei wurden keinerlei Tierschutzverstöße festgestellt. Wir nehmen zudem an verschiedenen Haltungsprogrammen teil und werden auch von dort aus geprüft.«
Die beiden Betreiber wittern eine Kampagne gegen sich.
»Aus unserer Sicht haben diese Anschuldigungen, wie gesagt, das ausdrückliche Ziel, uns und unsere Familien zu diskreditieren und an einen medialen Pranger zu stellen. Und dies nur, weil wir es wagen, uns ehrenamtlich für unseren Berufsstand zu engagieren.«
Was die Zustände auf dem vorgelegten Material angeht, fällt Planges Urteil klar aus:
Diana Plange, Fachtierärztin für Tierschutz und Tierethik:
»Solche Bilder dürften in einem ordentlich geführten Betrieb überhaupt nicht vorkommen. Für den Zustand dieser Tiere gibt es keine Entschuldigung. Das ist definitiv im strafbaren Bereich, was das Leiden, Schmerzen und Schäden der Tiere angeht.«