Sendepause für Telekom-Mitarbeiter Machen Sie jetzt Ihr Handy aus

Mann am Telefon: Zu viel Kommunikation ruiniert die Erholung - die eigene und die anderer
Foto: CorbisSPIEGEL ONLINE: Frau Maier, der Telekom-Vorstand hat im Juni eine Richtlinie zum "Umgang mit mobilen Arbeitsmitteln außerhalb der Arbeitszeit" beschlossen. Das klingt bürokratisch...
Mechthilde Maier: ...behandelt aber ein Problem, das inzwischen viele Arbeitnehmer kennen. Unsere Mitarbeiter sind mit ihren Blackberrys und Handys ständig erreichbar - abends, am Wochenende, im Urlaub. Die meisten Angestellten und vor allem Führungskräfte fühlen sich dadurch verpflichtet, über ihre Arbeitszeit hinaus der Firma zur Verfügung zu stehen. Das wollen wir ändern.
SPIEGEL ONLINE: Wieso? Wirklich nur, damit die Mitarbeiter kein schlechtes Gewissen haben, wenn sie ihr Handy ausschalten?
Maier: Ja. Ein Unternehmen darf und soll nicht komplett über die Zeit der Mitarbeiter verfügen. Sie brauchen garantierte Frei- und Ruheräume, in denen sie ungestört sind - in denen sie souverän sein können. Es wird für Konzerne immer wichtiger, dafür zu sorgen, dass sich Beruf und Privatleben besser vereinbaren lassen. Weil es in unserem Interesse ist, dass Menschen gern bei uns arbeiten.
SPIEGEL ONLINE: Also, was haben Sie genau geregelt?
Maier: Wer wann per Handy erreichbar sein soll. Und dass Mitarbeiter in ihrer Freizeit und am Wochenende keine E-Mails beantworten müssen - dafür reicht der nächste Morgen oder der folgende Montag. Außer natürlich im Notfall. Aber der soll die absolute Ausnahme sein.
SPIEGEL ONLINE: Das funktioniert? Manager halten sich doch meistens für unentbehrlich
Maier: Unsere leitenden Angestellten sind aufgerufen, mit gutem Beispiel voranzugehen und ihre Mitarbeiter zu sensibilisieren.
SPIEGEL ONLINE: Macht Konzernchef René Obermann jetzt auch mal Blackberry-frei?
Maier: Er hat die Initiative gefördert und allen Führungskräften klargemacht, dass das keine Schönwetter-Richtlinie ist.
SPIEGEL ONLINE: Nach den Erfahrungen der ersten Wochen: Halten sich die Mitarbeiter an die Regeln?
Maier: Natürlich braucht das Zeit. Aber um einen solchen Kulturwandel zu schaffen, muss ein Konzern Vorgaben machen. Nur wenn man verbindliche Regeln hat, können sich Mitarbeiter darauf berufen. Die Blackberry-Richtlinie ist ein Baustein von mehreren. Alle zielen darauf ab, unsere Arbeitsorganisation an die heutigen Notwendigkeiten wie die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf anzupassen.
SPIEGEL ONLINE: Wem fällt es schwerer, sich daran zu halten - dem Konzern oder den Mitarbeitern?
Maier: Letztlich ist es doch eine Frage der Verantwortung jedes Einzelnen. Ich muss mir einfach bewusst machen, was es für die anderen bedeutet, wenn ich am Wochenende E-Mails verschicke. Ich vermittle ihnen damit eine Erwartungshaltung, dass sie ebenfalls ihre Blackberrys kontrollieren. So nötigen Führungskräfte ihren Mitarbeitern häufig ungewollt den eigenen Rhythmus auf. Das dürfen sie aber nicht.
SPIEGEL ONLINE: Klingt fast utopisch.
Maier: Dann lassen Sie es uns konkret machen. Wenn ich am Wochenende meinen Blackberry anmache, bearbeite ich Mails, die ich gern erledigt haben möchte, die gerade gut in mein Tagesraster passen. Damit nichts liegenbleibt, was mir wichtig ist, fühlen sich meine Kollegen und Mitarbeiter gezwungen, ebenfalls tätig zu werden. So löse ich gewollt oder ungewollt eine Kettenreaktion aus - und hole viele andere aus ihrer verdienten arbeitsfreien Zeit, die dadurch oft entwertet wird. Unsere neue Regelung durchbricht diesen Kreislauf. Ich überlege mir einmal mehr, ob ich die Mail wirklich zu diesem Zeitpunkt schreibe.
SPIEGEL ONLINE: Bieten Sie jetzt auch Blackberry-Entwöhnungskuren an?
Maier: Noch nicht. Im Ernst, mein Eindruck ist, dass die Richtlinie ein wichtiger Denkanstoß war. Letztlich nehme ich ja nicht nur Rücksicht auf Kollegen, wenn ich mir überlege, ob eine Mail noch warten kann. Ich nehme auch Rücksicht auf mich. Etwas Muße hat noch keinem geschadet.