Projekt in Israel Siemens droht Schlappe mit Gaskraftwerk

Siemens will ein riesiges Gaskraftwerk in Israel errichten. Doch das Mammutprojekt droht zu scheitern: Die Regierung in Jerusalem will Investoren den Bau fossiler Kraftwerke nicht länger erlauben.
Gasturbine von Siemens (Archivbild vom Dolphin Gas Project)

Gasturbine von Siemens (Archivbild vom Dolphin Gas Project)

Foto: Andreas Messner / Siemens AG

Der Siemens-Konzern und seine gerade abgespaltene Tochter Siemens Energy müssen voraussichtlich eines ihrer ehrgeizigsten Vorhaben abblasen: den Bau eines riesigen Gaskraftwerks in Israel.

Trotz massiver Proteste von Anrainern und Umweltschützern wollte Siemens gemeinsam mit israelischen Partnern und Siemens Energy im Projekt "Reindeer Energy" ein rund 750 Millionen Euro teures Kraftwerk errichten. Mit bis zu 1300 Megawatt Leistung sollte es der mit Abstand größte Gasmeiler werden, den private Investoren je in Israel gebaut haben.

Nun aber droht "Reindeer Energy" das Aus. Der Grund ist eine Kehrtwende von Israels Regierung. Sie hat nun entschieden, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in den kommenden zehn Jahren zu verdreifachen: von knapp 10 auf 30 Prozent.

Dagegen werde es für den Neubau privater Gaskraftwerke – wie das Siemens-Projekt – ab sofort keine Lizenzen mehr geben, heißt es in dem Beschluss, über den zuerst die Tageszeitung "Haaretz" berichtete. Demnach wird die Regierung privaten Investoren nur noch die Errichtung von Solarfeldern und anderen regenerativen Kraftwerken gestatten.

Landrätin ist "erleichtert"

"Wir sind erleichtert: das 'Reindeer'-Kraftwerk wird nicht gebaut", sagte Oshrat Gonen, die Landrätin der betroffenen Region Hod HaSharon, dem SPIEGEL. Israels Energieminister Yuval Steinitz habe ihr nach dem Beschluss noch einmal persönlich versichert, dass er gar keine solcher Lizenzen mehr vergeben werde. Und dem Siemens-Konsortium habe bis zuletzt noch die entscheidende Freigabe der Regierung gefehlt.

Ein Siemens-Energy-Sprecher sagte dem SPIEGEL auf Anfrage: "Wir haben keine offizielle Information der Regierung bekommen. Wir kennen die Details des Beschlusses nicht."

Gegen das geplante Kraftwerk hatte es in der Region Proteste in 14 benachbarten israelischen und zwei palästinensischen Gemeinden gegeben. Der Meiler sollte in unmittelbarer Nähe der Demarkationslinie zwischen Israel und dem Westjordanland entstehen: weniger als 500 Meter entfernt von israelischen und palästinensischen Wohngebieten.

"Bei uns scheint 300 Tage die Sonne"

Anwohner und Kommunalpolitiker befürchteten Gesundheitsschäden durch Abgase und Lärm sowie die Verschmutzung eines nahe gelegenen Trinkwasserreservoirs.

Für Siemens Energy wäre das Aus des "Reindeer"-Projekts ein herber Rückschlag. Das Unternehmen sollte Schlüsseltechnologie für das Kraftwerk liefern. Erst Ende September hatte der Mutterkonzern Siemens seine Kraftwerksparte abgespalten und an die Börse gebracht. Seither ist der Aktienkurs von Siemens Energy um rund 15 Prozent gefallen.

Das Kerngeschäft von Siemens Energy ist umstritten: Technologien für fossile Kraftwerke sowie Förderanlagen für die Öl- und Gasindustrie. Unter anderem will das Unternehmen demnächst Turbinen für zwei neue Kohlekraftwerke in Indonesien liefern – obwohl Siemens-Chef Joe Kaeser im Sommer den Ausstieg aus solchen klimaschädlichen Projekten in Aussicht gestellt hatte. Der Mutterkonzern und sein Pensionsfonds halten zusammen noch immer 45 Prozent der Anteile von Siemens Energy.

Umweltschützer begrüßten die Neuausrichtung der israelischen Energiepolitik. "Siemens Energy muss daraus Lehren ziehen", sagte Regine Richter von der Organisation Urgewald, "und mehr auf erneuerbare Energien setzen."  

In der Region Hod HaSharon sollen nun nach dem Willen der Landrätin im großen Stil Solaranlagen gebaut werden. Solarstrom sei sauberer und auch preiswerter, sagte Gonen dem SPIEGEL. "Bei uns scheint 300 Tage im Jahr die Sonne." 

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren