Konkurrenz mit China Was wurde aus... Deutschlands Solarindustrie?

Gepäppelt von üppigen Subventionen, hat die deutsche Solarbranche den Fortschritt verschlafen - und ließ sich von China das Geschäft wegnehmen. Und ausgerechnet jetzt boomt die Solarenergie weltweit.
Solarworld-CEO Frank Asbeck: Der Löwe brüllt noch

Solarworld-CEO Frank Asbeck: Der Löwe brüllt noch

Foto: Claus Hecking

Der alte Bronzelöwe steht noch immer auf Frank Asbecks Besprechungstisch. Den Kopf reckt er stolz in die Höhe, die Krallen hat er ausgefahren, die muskelbepackten Hinterläufe durchgestreckt. "Der Löwe ist mein Sternzeichen", sagt Asbeck. Und in den fetten Jahren diente er auch als Symbol seiner Macht - als Asbecks Konzern Solarworld noch die ganz große Nummer in der globalen Solarwirtschaft war.

"Von Asbeck lernen heißt siegen lernen", verkündete einst der selbstbewusste Gründer - damals, als das Bonner Unternehmen noch Hunderte Millionen Euro Gewinn schrieb und der Börse Milliarden wert war. Als die Aktien von Solarworld, Q Cells, Conergy, Solon stiegen und stiegen, gedopt durch die Subventionen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Damals wollte Asbeck gar den kriselnden Autobauer Opel aufkaufen.

Von Asbeck lernen heißt überleben lernen, müsste man heute sagen. Der 55-Jährige ist Deutschlands letzter Solarbaron, sein Unternehmen der einzige große deutsche Hersteller, der das Branchenmassaker überlebt hat. Bosch und Siemens haben ihr Sonnengeschäft verkauft oder aufgegeben, Q Cells, Solon, Solar Millennium, Sovello, Conergy, Odersun mussten Insolvenz anmelden. Sie kapitulierten vor dem rapiden Preisverfall der Zellen und Module, dem weltweiten Überangebot und der billigeren Konkurrenz aus China. China produziert heute 60 Prozent der weltweit hergestellten Solarmodule.

Hier und da existieren in Deutschland noch Überreste oder Nachfolgebetriebe, eigenständig ist keiner von ihnen. Bis auf Solarworld. Das Unternehmen drückte seinen Gläubigern einen Schuldenschnitt auf und gewann Katar als Großinvestor.

Die deutsche Solarindustrie ist fast tot. Die Photovoltaik weltweit lebt. "Von einer Krise kann international keine Rede sein", sagt Stephan Wulf, Branchenexperte bei Warburg Research. Weltweit werden mehr Photovoltaik-Anlagen aufgestellt als je zuvor. Module mit mindestens 45 Milliarden Watt Spitzenleistung dürften 2014 hinzu kommen, erwartet das Analysehaus IHS. Das ist mehr als doppelt so viel wie 2010 und entspricht bei optimalen Bedingungen 45 modernen Kernkraftwerken. In den nächsten Jahren soll der Markt laut IHS mit rund 15 Prozent pro Jahr wachsen. "Aber Deutschland", sagt IHS-Stratege Stefan de Haan, "spielt da keine große Rolle mehr." Exakt 4719 Arbeitsplätzen waren Ende 2013 in der deutschen Solarindustrie noch übrig.

Ausgerechnet jetzt wird die Technologie wettbewerbsfähig. Sogar im sonnenarmen Deutschland würde es sich für viele Haushalte mittlerweile auch ohne Subventionen lohnen, selbst Strom mit der Dachanlage zu produzieren. Zwischen 11 und 14 Cent je Kilowattstunde kostet das mit modernen Solarmodulen, der Stromversorger verlangt locker das Doppelte.

Dass der einst teure Sonnenstrom so rapide so billig wurde, liegt an der generösen deutschen Förderung. "Die Welt kann dem EEG und dem deutschen Verbraucher dankbar sein", sagt De Haan. "Das Gesetz war der Kickstart." Ohne EEG wäre die globale Solarindustrie nie so schnell auf diese Massenproduktion, Größenvorteile und Kostensenkungen gekommen. Doch was für die Welt zum Segen werden könnte, lässt deutsche Stromkonsumenten fluchen. 6,24 Cent EEG-Umlage müssen sie auf jede Kilowattstunde zahlen, gut die Hälfte davon entfällt auf Solar.

Lichtblicke gibt es aber auch - allen voran hiesige Maschinen- und Anlagenbauer, die sich auf Solarfabriken spezialisiert haben: Da ihre Produkte komplexer sind als eine Zelle oder ein Modul, können sie sich gegenüber der Fernost-Konkurrenz meist behaupten. Kleinere Unternehmen wie Solarwatt konzentrieren sich auf besonders anspruchsvolle Nischen, Rohstofflieferant Wacker-Chemie produziert und verkauft sein hochreines Silizium in aller Welt. Und Hanwha Q Cells, das zum koreanischen Konzern Hanwha gehört, hat seine komplette Forschung und Entwicklung in Deutschland belassen.

"Die Deutschen haben die Aufbauarbeit geleistet", sagt Warburg-Analyst Wulf, "und dann haben die Chinesen das Geschäft übernommen." Daran hätten auch die hiesigen Betriebe und das Fördersystem eine Mitschuld: "Die ganzen deutschen Unternehmen, die bis 2008 den Markt beherrscht haben, haben unter den gemütlichen Rahmenbedingungen der EEG keine wettbewerbsfähigen Strukturen aufgebaut." Von den garantierten Grünstrom-Tarifen nährten sich bald auch chinesische Hersteller. Auch sie haben unter dem Preisverfall gelitten. Aber sie produzieren billiger, und von ihrem nationalen Subventionssystem profitieren vor allem sie selbst. In Chinas Solarmarkt kommen ausländische Anbieter schwer hinein. Zudem können sie auf eine starke Hand vertrauen: Nach Berechnungen des US-Marktforschers Mercom Capital stellte die staatliche China Development Bank chinesischen Photovoltaik-Herstellern Darlehen und Kreditlinien über mehr als 53 Milliarden US-Dollar bereit.

Derlei Subventionen seien wettbewerbsverzerrend, meint Asbeck. Die von Solarworld begründete Initiative EU ProSun hat die Chinesen wegen angeblicher Dumpingpreise verklagt. Die US-Regierung hat Strafzölle auf die Fernost-Module verhängt, die EU hat chinesische Hersteller verpflichtet, ihre Produkte zu bestimmten Mindestpreisen anzubieten. EU ProSun behauptet nun, dass die Asiaten dieses Abkommen systematisch unterlaufen. "Die Chinesen haben spioniert, erpresst, betrogen. Diese ganzen billigen Tricks gehen mir auf den Geist", sagt Asbeck. Aber die EU-Kommission hält die bislang vorgelegten Beweise nicht für ausreichend. "Die Unterstützung der Politik für die hiesige Solarindustrie hat in den letzten Jahren sehr nachgelassen", sagt IHS-Analyst De Haan. "Vorher war sie aber auch extrem stark."

Gerade hat Solarworld eine Umsatzwarnung verkündet. Die Bonner setzen auf maßgeschneiderte Anlagen für Hausbesitzer. Doch gerade in ihrem Stammmarkt Deutschland läuft es nicht besonders. Wurden hierzulande 2009 noch fast die Hälfte aller weltweit installierten Module aufgestellt, sind es mittlerweile nur noch etwa 5 Prozent. "Die Konsolidierung in der Branche ist noch nicht zu Ende" sagt de Haan. Die Deutschen hätten eine Chance zu überleben. Aber "dazu müssen sie stärker aus Europa rausgehen und sich auf dem Weltmarkt behaupten". Frank Asbeck muss zeigen, wie viel Löwe noch in ihm steckt.

Was wurde eigentlich aus...

Außerdem in dieser Serie erschienen: Nokia, Hamburgs Ex-Bürgermeister Ole von Beust, Talkshowmoderatorin Arabella Kiesbauer, Ehec, Steinkohlebergbau, Radstar Jan Ullrich, Ägyptens Ex-Diktator Hosni Mubarak, Aids, Deutschlandstipendium, Transrapid, Dioxin, Prokon, Chatportal Knuddels, "Costa Concordia" und viele mehr.
Im Überblick: Alle Folgen der Serie "Was wurde aus...?

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