Erneuerbare Energien Markt für Solarkraftwerke kollabiert

Trotz Energiewende steckt die Solarindustrie in einer tiefen Krise - die goldenen Zeiten sind vorbei. Strafzölle und sinkende Förderung machen vor allem den Betreibern großer Sonnenkraftwerke zu schaffen. Der Markt gilt als tot.
Solarkraftwerk in Bayern: "Der Markt ist tot"

Solarkraftwerk in Bayern: "Der Markt ist tot"

Foto: Armin Weigel/ picture-alliance/ dpa/dpaweb

Hamburg - Jahrelang boomte die deutsche Solarindustrie, doch jetzt bekommen vor allem die Erbauer großer Sonnenstromkraftwerke Probleme. Seit Anfang 2012 ist die Förderung wegen einer gesetzlich verankerten Degression Monat für Monat gesunken, zum 1. Oktober fällt sie erstmals unter zehn Cent pro Kilowattstunde. Viele Firmen sehen damit die ultimative Schmerzgrenze erreicht.

"Wir bauen gerade die letzten Anlagen in Deutschland", sagt Bernhard Beck, Chef von Belectric, Europas größtem Projektierer für Solarkraftwerke. "Spätestens ab Ende des Jahres ist der Bau in der Bundesrepublik unter den derzeitigen Bedingungen wirtschaftlich unmöglich. Selbst Standorte mit hoher Sonneneinstrahlung können dann nicht mehr erschlossen werden."

Von anderen Projektierern sind ähnliche Aussagen zu hören, ebenso von Analysten. "Der Markt für Freiflächenanlagen ist platt", sagt Erkan Aycicek, Energieexperte bei der LBBW.

Die Solarbranche hatte jahrelang von großzügigen Fördersätzen profitiert. Hunderttausende Hausbesitzer pflasterten in der Folge ihre Dächer mit Photovoltaikanlagen, was die Strompreise deutlich erhöhte. Auch die Nachfrage nach großen Solarkraftwerken boomte, Investoren winkten jährliche Renditen von 15 Prozent und mehr.

Doch die Zeiten sind vorbei. Branchenkenner beziffern die Rendite für aktuell im Bau befindliche Solarparks auf vielleicht noch 4,5 Prozent. Und die Vergütungssätze fallen weiter, die Kosten dagegen sind, unter anderem wegen neuer Strafzölle für Solarmodule aus China, gestiegen. Der Preis für bestimmte Module, die in großen Solarkraftwerken verbaut werden, ist seit Jahresbeginn um 3,6 Prozent gestiegen .

Solarlobby zurückhaltend, Umweltministerium skeptisch

Der Branchenverband BSW-Solar betrachtet die Entwicklung mit Sorge. "Bis zum Jahresende wird das Neugeschäft nahezu zum Erliegen kommen", heißt es im Verband. Doch man könne nichts machen. Sich für höhere Fördersätze einzusetzen, sei kaum möglich, heißt es. Dann stehe die Glaubwürdigkeit des gesamten Verbands auf dem Spiel. Die hat ohnehin gelitten. Der BSW-Solar hatte in den vergangenen Jahren durch teils aggressives Auftreten viel Akzeptanz in Bevölkerung und Politik verspielt.

Foto: SPIEGEL ONLINE

Auch im Bundesumweltministerium reagiert man zurückhaltend. Minister Peter Altmaier (CDU) hatte sich erst im Sommer selbst dafür gelobt, dass der Solarmarkt nach jahrelanger Überhitzung 2013 endlich im von der Regierung angepeilten Tempo wachse. Die künftige Entwicklung müsse man nun erst einmal abwarten, heißt es im Ministerium. Noch sei nicht absehbar, ob der Markt wirklich zusammenbreche oder das nur die "Kassandrarufe" entsprechender Interessenträger seien.

Die abwartende Haltung hat auch politische Gründe. Immerhin waren nach der Kürzung der Förderung im Februar 2012 gerade erst die Vorwürfe verebbt, die Regierung habe die Solarindustrie über Jahre auf Kosten der Verbraucher gemästet. Dass sich demnächst jemand hinstellt und höhere Solarfördersätze fordert - schwer vorstellbar.

Hoffnung: Selbstverbrauch

Solarunternehmer bezweifeln daher, dass die neue Regierung - wenn sie denn erst einmal gebildet ist - dieses heiße Eisen noch einmal anfassen wird. Sie suchen lieber nach Alternativen. Viele gehen verstärkt ins Ausland. Andere setzen auf Projekte, bei denen Nutzer von Freiflächenanlagen künftig einen immer größeren Anteil des von ihnen produzierten Stroms selbst verbrauchen.

Bei kleinen Anlagen auf Häuserdächern steigt der Anteil des Eigenverbrauchs bereits stark. Solarkraftwerke indes haben bislang meist keinen bestimmten Verbraucher, sondern speisen ihren Strom direkt ins Netz ein. Die Projektierer müssten also erst Industrie- und Gewerbebetriebe überzeugen, sich eigene Solarparks zu bauen - mit dem Ziel, den Strom selbst zu verbrauchen. Argument könnte sein, dass sich Betriebe mit eigenen Solaranlagen gegen steigende Strompreise absichern.

"Eigenverbrauch kann für Solarparks ein Zukunftsmodell sein", sagt Aycicek. "Allerdings wird das noch dauern. In den meisten Betrieben fehlt für solche Investitionen noch das Bewusstsein." Hinzu kommen Finanzierungsprobleme: Die Kreditkosten sind oft recht hoch, auch weil kaum absehbar ist, welche Rahmenbedingungen für Eigenverbrauch von Solarstrom die Regierung künftig festlegen wird.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist es ohnehin fraglich, ob mehr Eigenverbrauch eine gute Lösung ist. Um die Potentiale auszuschöpfen, müssten Solaranlagen verstärkt mit Batterien ausgestattet werden. Deren derzeit noch recht hohe Kosten müssten erst einmal sinken - oder ebenfalls vom Stromverbraucher querfinanziert werden. Eine Studie der Denkfabrik Agora Energiewende  zeigt, dass die nötigen Kostensenkungen immens sind.

Die Energiewende wäre womöglich günstiger, wenn die monatliche Kürzung der Fördersätze für Solarparks vorerst eingefroren würde. Solange, bis die Kosten weiter sinken.

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