Sorge vor Abschwung Industrie baut dritten Monat in Folge Jobs ab

Aus der Industrie kommen schlechte Nachrichten: Firmen bauen weiter Stellen ab. Die Debatte über staatliche Konjunkturhilfen nimmt Fahrt auf.
Mitarbeiter von Mercedes-Benz in Sindelfingen: Auch hausgemachte Probleme belasten die Konzerne

Mitarbeiter von Mercedes-Benz in Sindelfingen: Auch hausgemachte Probleme belasten die Konzerne

Foto: Sebastian Gollnow / DPA

Kommt der Abschwung oder gibt es nur eine Delle? Ökonomen und Wirtschaftsvertreter diskutieren, wie es mit der Konjunktur in den kommenden Wochen und Monaten weitergeht. Aus der Industrie kam eine negative Meldung: Die Zahl der Beschäftigten dort ist im Juni den dritten Monat in Folge gesunken. Sie nahm um 2000 zum Vormonat ab auf knapp 5,7 Millionen, teilte das Statistische Bundesamt mit.

Im Mai hatte es im verarbeitenden Gewerbe sogar einen Rückgang um 7000 gegeben. Verglichen mit dem Vorjahresmonat stieg die Beschäftigtenzahl im Juni allerdings um 61.000 oder 1,1 Prozent.

Die exportabhängige Industrie bekommt die Handelskonflikte und schwächere Weltkonjunktur besonders zu spüren, Aufträge und Produktion sind rückläufig. Die Zahl der offenen Stellen im verarbeitenden Gewerbe fiel im zweiten Quartal um 12.000 auf 151.000, wie eine Betriebsumfrage des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergab.

Bayer  , BASF  , Volkswagen   und Thyssenkrupp   haben den Abbau Tausender Stellen angekündigt - auch wenn die Gründe hierfür vor allem Umbrüche in der Industrie oder hausgemachte Probleme sind.

Dax erholt sich nach Vortagsverlusten

Dass es mit der deutschen Konjunktur bergab geht, zeigen noch weitere Daten. Zwischen April und Juni ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent gefallen.

Die Entwicklung ist zwar nicht dramatisch, doch die schwächelnde Wirtschaft verunsichert Börsianer. Hinzu kommen die Sorgen wegen des ungelösten Handelsstreits zwischen China und den USA. Die Börsen in den USA rutschten deutlich ab, auch in Japan fiel der Leitindex Nikkei   um 1,2 Prozent.

Der Dax   startete nach einem Vortagsminus von mehr als zwei Prozent mit einem leichten Plus in den Handel.

Diskussion über Soli-Abschaffung und schwarze Null

Doch die Angst vor einer weltweiten Rezession dürfte die Anleger weiter beschäftigen. In Deutschland ist eine Diskussion in Gang gekommen, ob die Regierung mit Konjunkturhilfen gegensteuern soll.

Als "einfachste und schnellste Maßnahme" könne der geplante Abbau des Solidaritätszuschlags um ein Jahr auf 2020 vorgezogen werden, sagte CDU-Präsidiumsmitglied Mike Mohring den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. "Damit lässt sich die Binnennachfrage stützen."

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) plant, den Solidaritätszuschlag ab 2021 für rund 90 Prozent der Steuerzahler komplett und für weitere 6,5 Prozent teilweise zu streichen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte, die Regierung solle sich von der schwarzen Null, also einem Bundeshaushalt ohne neue Schulden, verabschieden."Um die Binnenwirtschaft weiter zu stärken, braucht es schnellstens ein umfangreiches und langfristiges Investitionsprogramm in Infrastruktur, Bildung, bezahlbaren Wohnraum und Klimaschutz", sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der "Neuen Osnabrücker Zeitung" ("NOZ").

Merz warnt vor abruptem Einbruch

Auch der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, forderte staatliche Konjunkturimpulse. Die Regierung solle "für die nächsten zehn bis 15 Jahre" die öffentlichen Investitionen um ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöhen, sagte er ebenfalls der "NOZ". Das entspreche 30 Milliarden Euro pro Jahr.

Für ein solches Programm müsse die Schuldenbremse abgeschafft oder zumindest reformiert werden, "damit sie nicht zu einer Investitionsbremse wird", fügte Fratzscher hinzu. Die öffentlichen Investitionen würden auch die privaten Investitionen stimulieren. Zusätzlich sollten die privaten Investitionen durch steuerliche Anreize und bessere Abschreibungsmöglichkeiten gefördert werden.

Der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz hält eine deutliche Verschlechterung der Wirtschaftslage für möglich. Der derzeitige Abschwung könne sich "abrupt beschleunigen, wenn externe Schocks hinzukommen, wie zum Beispiel ein bewaffneter Konflikt im Mittleren Osten oder eine Verschärfung der Handelskonflikte mit den USA", sagte der Vizepräsident des CDU-Wirtschaftsrats der "Passauer Neuen Presse". Dann drohe sogar eine länger anhaltende Rezession, worauf Deutschland nicht vorbereitet sei.

mmq/Reuters/dpa
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