

Hamburg - Ein Satz genügte, um die Spekulationslawine loszutreten.
Es ist der 27. Mai, gegen 14 Uhr. Josef Ackermann, schwarzes Jackett, blauer Schlips, sitzt vor einem gigantischen "Leistung aus Leidenschaft"-Schriftzug. Seit fünf Stunden läuft die Hauptversammlung der Deutschen Bank, die Bilanz ist vorgetragen, der Konzernausblick auch, jetzt ist Fragestunde der Aktionäre. Einer will wissen, wie es denn mit Ackermanns Nachfolge aussehe.
Ackermann erwidert: "Ich bin seit Monaten in internen Gesprächen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig über dieses Thema."
Es ist ein Satz, in den man vieles hineininterpretieren kann. Zum Beispiel, dass Ackermann seine Nachfolge vorausschauend und gewissenhaft plant. Oder dass der Deutsche-Bank-Chef seinen Aufsichtsratschef Börsig dieses Mal bei der Kronprinzenfrage lieber eng begleitet, um ähnlichen Ärger wie im April 2009 zu vermeiden. Seinerzeit sollte Börsig den neuen Konzernchef alleine suchen - und brachte sich kurzerhand selbst für den Posten ins Spiel. Er scheiterte spektakulär am Widerstand des Aufsichtsrats, und Ackermann musste seinen Vertrag faute de mieux bis 2013 verlängern lassen.
Man kann aus Ackermanns Satz aber eben auch etwas anderes herauslesen: Der Konzernchef bereitet seine Nachfolge offenbar schon jetzt vor. Immerhin hat er noch gut zweieinhalb Jahre Zeit für den Wechsel, hat aber mehrfach gesagt: "Wenn es nach mir geht, müssen Übergangsfristen kurz sein."
"Ich spreche über den Prozess der Nachfolgeplanung"
Die Nachrichtenagentur Reuters interpretierte das Gesagte entsprechend. Noch während Aktionäre die Konzernleitung mit Fragen löcherten, schickte sie eine Meldung über den Ticker. Titel: "Deutsche Bank will Ackermann-Nachfolge früh klären".
Ackermann bekam die Meldung noch auf der Hauptversammlung vorgelegt - und reagierte prompt. Er fügte seinem Satz ein paar gespreizte Formulierungen hinzu. "Ich spreche mit Herrn Börsig nicht über Nachfolger", korrigierte er sich. "Ich spreche über den Prozess der Nachfolgeplanung."
Was das genau bedeuten soll, erläuterte ein Konzernsprecher auf Nachfrage nicht. Er verwies auf die offizielle Sprachregelung der Bank: "Herr Ackermann hat einen Vertrag bis 2013. Schon deswegen entbehren alle Personalspekulationen im Hinblick auf seine Nachfolge jeglicher Grundlage."
Zeitungsberichte erwecken einen anderen Eindruck. "Süddeutsche Zeitung" und "Handelsblatt" berichteten an diesem Mittwoch in großen Geschichten über Ackermanns Erben - und das nicht nur wegen des missverständlichen Zitats auf der Hauptversammlung. In den Berichten geht es auch um mögliche Machtverschiebungen im Vorstand, von denen vor allem ein Mann profitieren soll: .
Rücktrittsgerüchte um Cohrs
In den vergangenen Wochen hatte ein Bericht der "New York Post" für Aufregung gesorgt. Am 28. Mai meldete die Zeitung, werde bald zurücktreten. Cohrs ist Chef der Global-Banking-Sparte und leitet gemeinsam mit Jain das Investmentbanking. Gerüchte über einen möglichen Rücktritt von Cohrs gebe es schon länger, berichtet die Zeitung; sie hätten sich aber seit Jahresbeginn verdichtet. Der Manager stehe unter Druck, da seine Abteilungen niedrigere Boni kassiert hätten als Abteilungen, die Jain unterstünden. Die Deutsche Bank sagte, sie wolle solch "Spekulationen" nicht kommentieren.
Am Mittwoch kolportieren nun auch das "Handelsblatt" und die "Süddeutsche Zeitung", Cohrs könnte bald zurücktreten - und Jain im Konzern so mächtig werden wie nie zuvor. Ohnehin trägt der Kernbereich des 47-Jährigen - der Handel mit Aktien, Anleihen und Devisen - schon jetzt den Löwenanteil zum Gewinn der Deutschen Bank bei. Würde Cohrs nun zurücktreten, würde er seine Aufgaben an die Manager Jacques Brand und Stefan Leithner übertragen, schreibt die "New York Post". Beide würden direkt Jain unterstehen. Die Deutsche Bank wollte die Frage, ob Cohrs den Vorstand bald verlassen will, weder bestätigen noch dementieren.
Laut "Handelsblatt" ist Jain schon jetzt der klare Favorit auf den Chefposten. Doch ist die Entscheidung tatsächlich schon gefallen? Vermutlich nicht. Denn schließlich gibt es neben ihm und Cohrs noch weitere mögliche Nachfolger für Ackermann. Im Gespräch sind unter anderem Privatkundenvorstand , Risikovorstand und , der frühere Hypo-Real-Estate-Chef und neue Integrationsbeauftragte der Deutschen Bank.
Wer sind Ackermanns Erben - und wie ticken sie? SPIEGEL ONLINE stellt die heißen Anwärter auf den Chefposten in einer Fotostrecke vor.
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Stabwechsel: Am 22. Mai 2002 wird Ackermann Chef der Deutschen Bank. Er folgt damit auf Rolf-E. Breuer (rechts), der wiederum Hilmar Kopper (links) als Vorsitzenden des Aufsichtsrats ablöst. Wie Ackermann prägte auch Kopper das öffentliche Bild von Bankern, als er 1994 einen Schaden von 50 Millionen Mark als "Peanuts" für die Deutsche Bank bezeichnete.
PR-Desaster: Ackermann verkündet am 3. Februar 2005 gleichzeitig Milliardengewinn und Massenentlassungen.
"Fratze des gierigen Kapitalismus": Ackermann macht zum Auftakt des Mannesmann-Prozesses am 21. Januar 2004 ein Victory-Zeichen. Die Erklärung, er habe lediglich Michael Jackson imitiert, rettet ihn nicht vor Schmähungen. Später entschuldigte sich Ackermann für die Geste.
Zwei Männer vor Gericht: Ackermann mit dem ehemaligen Mannesmann-Vorstandsvorsitzenden Klaus Esser.
Erleichtert: Ackermann nach seinem Freispruch im ersten Mannesmann-Prozess am 22. Juli 2004. Zwei Jahre später wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt, er leistete eine Millionen-Geldbuße.
Abschiedsgedanken: Bei einer Verurteilung im zweiten Mannesmann-Verfahren wollte Ackermann als Chef der Deutschen Bank zurücktreten - dazu kam es nicht, zwischenzeitlich stand der Bank-Manager sogar wieder gestärkt da. Die Deutsche Bank ist während der globalen Finanzkrise lange Zeit glimpflich davongekommen - bis sie am 14. Januar per Adhoc-Meldung darauf hinweisen musste, im 4. Quartal 2008 einen Milliardenverlust eingefahren zu haben.
"Ich würde mich schämen": In der globalen Kreditkrise vergrätzt Ackermann 2008 Politiker, als er davon abrät, das staatliche Finanz-Rettungspaket anzunehmen.
Überraschende Entscheidung: Am 27. April verkünden Ackermann und die Deutsche Bank, dass er doch noch drei Jahre Vorstandschef bleiben wird - obwohl er eine Vertragsverlängerung immer abgelehnt hat.
Name: Josef Ackermann
Funktion: Konzernchef
Alter: 62
Status im Unternehmen: Konzernchef
Ursprünglich wollte Ackermann schon im Mai 2010 das Unternehmen verlassen. Doch der Aufsichtsrat konnte sich auf keinen Nachfolger einigen.
Auf der Hauptversammlung der Aktionäre am 27. Mai 2010 belebte er Gerüchte um seine Nachfolge neu: "Ich bin seit Monaten in internen Gesprächen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig über dieses Thema", sagte er.
Name: Anshu Jain
Funktion: Vorstand Global Markets, Co-Vorstand Investmentbanking
Alter: 47
Status im Unternehmen: Ein Favorit auf die Ackermann-Nachfolge
Der Kernbereich des gebürtigen Inders trägt den Löwenanteil zum Gewinn der Deutschen Bank bei, im vergangenen Quartal waren es gut 80 Prozent des Gesamtergebnisses. Intern wird Jain laut "Handelsblatt" der "Geldmacher" genannt. Auch werden Jain gute Regierungskontakte nachgesagt. Er hat die Kanzlerin mehrfach getroffen und soll mit Angela Merkels Berater Jens Weidmann mehrfach telefoniert haben.
Kritiker sagen allerdings, dass Jain der deutschen Öffentlichkeit schwer zu vermitteln wäre. Ein Investment-Spezialist an der Spitze der Bank wäre ein deutliches Statement für deren strategische Ausrichtung. Auch soll der Manager gerade erst die deutsche Sprache lernen.
Name: Michael Cohrs
Funktion: Vorstand Global Banking, Co-Vorstand Investmentbanking
Alter: 53
Status im Unternehmen: Derzeit ranken Rücktrittsgerüchte um Cohrs
Laut "Süddeutscher Zeitung" wird dem Manager eine "gewisse Amtsmüdigkeit" nachgesagt, er pendle oft zwischen London und New York, das reibe ihn auf. Laut "New York Post" steht der Manager unter Druck, da seine Abteilungen niedrigere Boni kassiert hätten als Abteilungen, die Jain unterstünden. Die Deutsche Bank wollte das nicht kommentieren.
Name: Rainer Neske
Funktion: Vorstand Privatkundengeschäft
Alter: 46
Status im Unternehmen: Chancen auf die Doppelspitze
Als Privatkundenvorstand wäre Neske der deutschen Öffentlichkeit gut vermittelbar und könnte an Jains Seite den Konzern lenken. Dazu muss er aber zunächst eine große Herausforderung meistern: Er muss die Postbank erfolgreich in den Konzern eingliedern. Bislang hat sich das Verfahren immer wieder verzögert.
Name: Hugo Bänziger
Funktion: Risikovorstand
Alter: 54
Status im Unternehmen: Eidgenosse
Laut "Handelsblatt" gilt Bänzinger nicht als König der Herzen, allerdings gäben selbst seine Konkurrenten im Wettlauf um die Spitze zu, dass er seinen Job als Risikovorstand mit Bravour meistere. Die "SZ" erwähnt zudem, dass Bänziger wie Ackermann über Schweizer Gene verfügt - ob ihm das etwas nützt?
Name: Axel Wieandt
Funktion: Integrationsbeauftragter
Alter: 43
Status im Unternehmen: Heimgekehrter
Schwer einzuschätzen sind die Chancen von Axel Wieandt. Erst kürzlich ist der frühere Hypo-Real-Estate-Chef als "Integrationsbeauftragter" zur Deutschen Bank zurückgekehrt. Früher war er dort bereits Bereichsvorstand. Wieandt gilt als enger Vertrauter Ackermanns.
Name: Anshu Jain
Funktion: Vorstand Global Markets, Co-Vorstand Investmentbanking
Alter: 47
Status im Unternehmen: Ein Favorit auf die Ackermann-Nachfolge
Der Kernbereich des gebürtigen Inders trägt den Löwenanteil zum Gewinn der Deutschen Bank bei, im vergangenen Quartal waren es gut 80 Prozent des Gesamtergebnisses. Intern wird Jain laut "Handelsblatt" der "Geldmacher" genannt. Auch werden Jain gute Regierungskontakte nachgesagt. Er hat die Kanzlerin mehrfach getroffen und soll mit Angela Merkels Berater Jens Weidmann mehrfach telefoniert haben.
Kritiker sagen allerdings, dass Jain der deutschen Öffentlichkeit schwer zu vermitteln wäre. Ein Investment-Spezialist an der Spitze der Bank wäre ein deutliches Statement für deren strategische Ausrichtung. Auch soll der Manager gerade erst die deutsche Sprache lernen.
Name: Axel Wieandt
Funktion: Integrationsbeauftragter
Alter: 43
Status im Unternehmen: Heimgekehrter
Schwer einzuschätzen sind die Chancen von Axel Wieandt. Erst kürzlich ist der frühere Hypo-Real-Estate-Chef als "Integrationsbeauftragter" zur Deutschen Bank zurückgekehrt. Früher war er dort bereits Bereichsvorstand. Wieandt gilt als enger Vertrauter Ackermanns.