Umgang mit Causa Reichelt Springer-Chef Döpfner soll sich bei Belegschaft entschuldigt haben

Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner
Foto: Bernd von Jutrczenka / dpaSpringer-Vorstandschef Mathias Döpfner hat sich nach den Enthüllungen rund um Ex-»Bild«-Chefredakteur Julian Reichelt einem Medienbericht zufolge erneut vor der Belegschaft des Blatts zu Wort gemeldet. »Aus heutiger Sicht mit all dem, was wir heute wissen und was heute zweifelsfrei feststeht, hätten wir uns schon vor einem halben Jahr von Julian Reichelt trennen müssen. Er hat uns belogen und wir haben uns belügen lassen«, sagte er dem Branchenportal »Medieninsider « zufolge in einer Videobotschaft.
Laut dem von dem Portal veröffentlichten Redetext entschuldigte sich Döpfner bei der Belegschaft. Ihm tue es demnach leid, was in den vergangenen Monaten vorgefallen sei. »Ich bedauere zutiefst, was ihr alle erleben müsst – zuallererst und in besonderer Form die direkt Betroffenen des Fehlverhaltens ihres ehemaligen Chefredakteurs.«
Er werfe sich vor, sich von Reichelt habe belügen zu lassen, wird Döpfner zitiert. »Wir hätten euch und uns allen viel erspart – Leid, Demütigung, Verunsicherung –, aber wir waren überzeugt davon, dass man eben unterscheiden muss zwischen Gerüchten, die man ignorieren sollte, zwischen Hinweisen, denen man nachgehen muss und zwischen Beweisen, die zum sofortigen Handeln führen. Und wir haben gehandelt, wenn auch aus heutiger Sicht definitiv unzureichend.« Er dankte laut Bericht allen, die mit ihren Hinweisen zur Aufklärung beigetragen haben.
Nicht nur innerhalb des Springer-Konzerns steht Döpfner unter Druck. Der Inhalt einer privaten Handynachricht, aus der vor wenigen Tagen die »New York Times« zitiert hatte, führte unter zahlreichen Medienmanagern zu Unmut über Döpfner, der seit 2016 auch Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) ist. Der 58-Jährige hatte darin dem Bericht zufolge den diese Woche geschassten »Bild«-Chefredakteur Julian Reichelt als letzten und einzigen Journalisten des Landes bezeichnet, der noch mutig gegen den »neuen DDR-Obrigkeitsstaat« aufbegehre. Nahezu sämtliche andere Journalistinnen und Journalisten seien »Propaganda Assistenten« geworden.
Forderungen nach Rücktritt als Verbandschef
Auch hierzu bezog Döpfner laut »Medieninsider« Stellung. Das Portal zitiert ihn mit den Worten: »Ich bedaure obendrein, dass im Zusammenhang mit diesem Fall eine private Unterhaltung von mir per SMS quasi einen Großteil deutscher Journalisten als unkritisch bezeichnet – Stichwort Propaganda-Assistenten – oder gar die Bundesrepublik mit der DDR verglichen wird.« Bei der Aussage habe es sich »natürlich« um »reine, schärfste Ironie« gehandelt. Er lebe »von und für Journalismus«. Er kündigte an, am Montag erneut »in großer Runde« über »das laufende Kulturprojekt« sprechen zu wollen. Dabei müsse das Haus »schneller besser werden«.
In der Medienbranche war die Kritik an Döpfners Handynachricht zuletzt heftig. Madsack-Geschäftsführer Thomas Düffert hatte mitgeteilt, die Aussagen seien »für alle Journalistinnen und Journalisten der Madsack Mediengruppe und sicherlich auch darüber hinaus eine unangemessene und verfehlte Herabsetzung«. Auch in privaten Diskussionen sollte kein Zweifel an der Integrität und Unabhängigkeit der Redaktionen aufkommen. Unter anderem der Verlagsleiter des »Mindener Tageblatts« brachte einen Rücktritt ins Spiel. »Ich finde, dass jemand, der oberster Repräsentant der Tageszeitungen in Deutschland ist, mit so einer Aussage nicht mehr haltbar ist«, sagte Carsten Lohmann dem Deutschlandfunk.
Döpfners Entschuldigung vor der Belegschaft wird fast zeitgleich mit neuen SPIEGEL-Recherchen zum Springer-Verlag publik, nach denen das Haus bei der Aufarbeitung des Verhaltens Julian Reichelts Druck auf eine betroffene Frau und ihren Anwalt ausübte, um die Veröffentlichung brisanter Details aus dem Compliance-Verfahren bezüglich des Ex-»Bild«-Chefredakteurs zu verhindern. Das Haus wandte sich demnach kurz vor Erscheinen der Berichte in den vergangenen Wochen mit einem Drohschreiben an den Rechtsanwalt der Frau, eine zusätzlich beauftragte Hamburger Kanzlei erhöhte zusätzlich den Druck.
Springer bestätigte, den Anwalt der Betroffenen kontaktiert zu haben. Man habe ihm mitgeteilt, dass »alle anderen Beteiligten am Compliance-Verfahren« Vertraulichkeit bewahrt hätten. Die Drohung mit strafrechtlichen Schritten begründete der Verlag mit seiner »Fürsorgepflicht« – um »die Integrität des Compliance-Verfahrens und die Rechte aller daran beteiligten Personen« zu schützen.
Der 41-jährige Reichelt musste Springer-Angaben zufolge seinen Posten räumen, weil dieser »auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat«.