Subvention trotz Boom Solarlobby-Chef verteidigt aggressiven Kurs

Die Solarförderung belastet die Verbraucher, doch der Umweltminister kappt die Kosten nur langsam. Ein Grund ist die aggressive Lobbyarbeit der Branche. Im Interview erklärt ihr oberster Interessenvertreter Carsten Körnig, warum er Anruflawinen bei Abgeordneten für demokratisch hält.
Sonnentänzerin in Frankfurt: "Genug Firmen, denen unbegrenztes Wachstum recht wäre"

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Foto: AP / Sven Kästner

SPIEGEL ONLINE: Herr Körnig, hat Ihnen der Bundesumweltminister eigentlich schon mal das Du angeboten?

Körnig: Nein, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er das tun würde. So oft hat man ja nicht miteinander zu tun.

SPIEGEL ONLINE: Wir haben schon das Gefühl, dass Sie Herrn Röttgens Zeit ziemlich strapazieren. An der Solarförderung wird ständig herumgedoktort.

Körnig: Und das überrascht Sie? Vor fünf Jahren wurden die erneuerbaren Energien noch belächelt. Jetzt läuft ohne Ökostrom nichts mehr. Der Ausstieg aus der Atomkraft ist nur mit erneuerbaren Energien zu schaffen. Bei einer solch revolutionären Umwälzung muss bei Gesetzen leider oft und kräftig nachjustiert werden. Und in wichtigen Phasen ist die Regierung natürlich mit betroffenen Branchen im Dialog.

SPIEGEL ONLINE: In diesem Dialog geht es meist darum, die enormen Kosten des Solar-Booms für den Stromkunden zu begrenzen.

Körnig: Wir teilen diese Zielsetzung, auch wenn die Energiewende nicht zum Nulltarif zu haben ist. Auch wir wollen aber, dass sie so effizient wie möglich gelingt. Die Regierung prüft gerade, die Förderung künftig jeden Monat zu kürzen. So wäre der Markt berechenbarer. Das halten wir für sinnvoll.

SPIEGEL ONLINE: Bislang sind alle Versuche fehlgeschlagen, die Kosten zu kappen. Der Bundeswirtschaftsminister fordert nun eine absolute Höchstgrenze bei der Förderung. Ist diese erreicht, gibt es erst ein Jahr später wieder Geld.

Körnig: Das würde den Markt zerstören, weil es Investoren jede Sicherheit raubt. Nur durch Massenproduktion lassen sich die Kosten rasch drücken, so dass die Solarenergie wettbewerbsfähig wird. Das ist ganz ähnlich wie bei der Computerchip-Produktion.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben selbst mehrfach betont, den Ausbau der Solaranlagen begrenzen zu wollen...

Körnig: ...keineswegs aber so stark und niemals durch eine feste Obergrenze, sondern durch ein flexibles System, das die Förderung stärker kürzt, wenn mehr Anlagen gebaut werden. Es sollte vorrangig nicht um eine Begrenzung der Menge, sondern um eine Begrenzung der Anschubkosten gehen. Wir halten einen durchschnittlichen jährlichen Ausbau von rund 5000 Megawatt pro Jahr für nachhaltig.

SPIEGEL ONLINE: Wir tun uns schwer, Ihnen das zu glauben.

Körnig: Warum?

SPIEGEL ONLINE: Weil Ihr Verband immer mehr chinesische Konzerne vertritt - und immer mehr deutsche, die Anlagen mit chinesischen Solarmodulen bauen. Alles Firmen, die so viel wie möglich absetzen wollen.

Körnig: Das will doch so ziemlich jede Firma, ganz gleich aus welchem Land. Und es ist im Solarsektor ja auch möglich - wenn man ins Ausland expandiert. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Boom-Märkten. In Deutschland geht es uns darum, die Kosten für Verbraucher auf ein vertretbares Maß zu begrenzen.

SPIEGEL ONLINE: Bisher hat das nicht geklappt. In Prognosen des BSW-Solar war schon oft nachzulesen, dass sich die Kosten in Grenzen halten. Und regelmäßig wurde für Stromkunden alles viel teurer. Im Oktober 2009 etwa schrieb Ihr Verband, die Solarförderung würde nie mehr als 0,9 Cent des Strompreises ausmachen. Schon 2011 lagen die Kosten bei rund zwei Cent.

Körnig: Dafür gab es Gründe. Die Preise für Anlagen fielen schneller als erwartet. Dadurch gab es einen Nachfrage-Boom. Dieser steigerte sich noch, weil die Förderung im Juli stark fiel - und sich Tausende Verbraucher vorher noch schnell eine Anlage zu guten Konditionen sicherten. Wir haben die Dynamik des Marktes unterschätzt.

SPIEGEL ONLINE: Man kann sich auch absichtlich verschätzen. Dann unterschätzt die Regierung vielleicht ihrerseits die Dynamik und hält sich mit Förderkürzungen zurück.

Körnig: Dies wäre eine Unterstellung. Auch die Bundesregierung und alle mir bekannten Wissenschaftler haben die Dynamik der Solartechnik unterschätzt.

SPIEGEL ONLINE: Ende 2010 versprach der BSW, die Solarkosten in den kommenden Jahren auf rund zwei Cent zu begrenzen. Das dürfte nun auch nicht mehr klappen, weil 2011 erneut Anlagen im Rekordtempo gebaut wurden...

Körnig: ...oder weil die Regierung im Rekordtempo ihre Energiepolitik umstellt. Die Explosion des AKW Fukushima hat alles verändert. In Deutschland endete das Atomzeitalter. Gleichzeitig erhielt die Industrie Privilegien, die die Ökostromkosten für Kleinverbraucher erhöhen. Das alles konnte niemand voraussagen.

SPIEGEL ONLINE: Sprich: Die Zwei-Cent-Marke ist nicht mehr zu halten?

Körnig: Vermutlich nicht ganz. Wichtig ist aber: Die Anschubinvestitionen des weiteren Solarstromausbaus fallen kaum noch ins Gewicht. Bis 2016 können wir den Anteil des Solarstroms am Strom-Mix um 70 Prozent steigern. Die Stromtarife steigen dadurch nur noch um knapp zwei Prozent.

SPIEGEL ONLINE: Allein die bisher errichteten Anlagen werden Verbraucher insgesamt rund 100 Milliarden Euro kosten. Der Umweltrat der Regierung glaubt, dass wichtige Bausteine der Energiewende durch die hohe Förderung zu kurz kommen. Heute gibt es mehr als eine Million Solaranlagen - aber kaum Speicher, um ihren Strom unabhängig vom Wetter zu nutzen.

Körnig: Speicher sind nicht zu kurz gekommen, weil man Solarstrom fördert. Sondern weil die Regierung erst nach der Fukushima-Katastrophe ernsthaft begonnen hat, diesen Markt anzuschieben. Aber keine Frage: Der Ausbau von Speichern ist wichtig - und wir werden dafür bald eigene Vorschläge präsentieren.

SPIEGEL ONLINE: Die Solarbranche profitiert von ihrem Öko-Image. Die Bevölkerung scheint es Ihnen eher nachzusehen, wenn Sie knallhart Interessenpolitik machen.

Körnig: Wir sind die Interessenvertretung einer für Deutschland immer wichtiger werdenden Zukunftsbranche. Das ist kein Geheimnis, sondern es steht so auf unserer Web-Seite. Unsere Arbeit ist transparenter als die Interessenvertretung vieler anderer Wirtschaftszweige.

SPIEGEL ONLINE: Die CDU-Umweltpolitikerin Katherina Reiche nennt Ihre Lobby-Arbeit "aggressiv". Sie kenne "keine andere Branche, die so auftritt".

Körnig: Wir vertreten selbstbewusst unsere Meinung, keinesfalls aber aggressiv. Politiker kann man ohnehin nur mit guten Argumenten überzeugen.

SPIEGEL ONLINE: Manchmal treten Sie schon sehr selbstbewusst auf. Einmal appellierten Sie an Hunderte Solarfirmen, bei Energiepolitikern anzurufen, um eine Kürzung der Förderung abzuwenden. Als besonderen Service verteilten Sie eine Liste mit deren Telefonnummern.

Körnig: Das war vielleicht ungewöhnlich, aber trotzdem demokratisch. Wir wären heute nicht so weit mit der Energiewende, wenn wir unsere Interessen nicht manchmal auch kraftvoll artikuliert hätten.

SPIEGEL ONLINE: Ihre Telefonlawine hat Deutschland grüner gemacht?

Körnig: Wir müssen natürlich immer wieder aufpassen, dass wir den richtigen Ton treffen. Aber seinerzeit ging es um eine existentielle Bedrohung der Branche und um erhebliche Widerstände seitens der großen Energiekonzerne gegen einen weiteren Ausbau der Solarenergie. Hier war es notwendig und legitim, einmal etwas energischer aufzutreten.

Das Interview führte Stefan Schultz

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