Trotz politischer Spannungen Türkische Wirtschaft wächst schneller als chinesische

Wirtschaftsmetropole Istanbul
Foto: Emrah Gurel/ APNach einer Wachstumsdelle wegen des Putschversuches 2016 hat sich die türkische Volkswirtschaft im vergangenen Jahr extrem dynamisch entwickelt. Das türkische Statistikamt gab das Wachstum im Jahr 2017 mit 7,4 Prozent an. Zum Vergleich: China hat für das abgelaufene Jahr ein Wachstum von 6,9 Prozent gemeldet, Deutschland 2,2 Prozent.
Der Wert übertraf damit auch die bisherigen Erwartungen. 2016 hatte das nachträglich angepasste Wirtschaftswachstum bei 3,2 Prozent gelegen. Das starke Wachstum im vergangenen Jahr erzielte die Türkei trotz großer politischer Spannungen mit Deutschland und anderen wichtigen Handelspartnern.
Trotz der exzellenten Wachstumszahlen: Die türkische Wirtschaft hat mit einigen erheblichen strukturellen Schwächen zu kämpfen. So verharrt die Inflation mit Werten von deutlich über zehn Prozent auf extrem hohen Niveau. Experten hatten deshalb eigentlich ein Eingreifen der türkischen Zentralbank erwartet, um eine Überhitzung der Wirtschaft zu verhindern: Eine Anhebung des Leitzinses könnte so den Anstieg der Preise bremsen - allerdings auch das Wachstum dämpfen.
Obwohl die Zentralbank ihr Inflationsziel von fünf Prozent seit langem verfehlt, hat sie die Zinsrate unangetastet gelassen. Das weckt Befürchtungen, die Notenbank agiere politisch nicht mehr unabhängig, sondern habe den Auftrag, Präsident Recep Tayyip Erdogans ehrgeizige Wachstumsziele nicht zu gefährden.

Türkei: Erdogans Bilanz in 10 Grafiken
Zudem bleibt die türkische Währung Lira unter Druck. In dieser Woche konnten für einen Dollar erstmals mehr als vier türkische Lira gekauft werden. Gegenüber dem Euro steht die Lira kurz vor einem Wechselkurs von fünf zu eins.
Ein weiteres Problem der Türkei: Das Leistungsbilanzdefizit mit dem Rest der Welt wird immer größer. Die Türkei importiert beispielsweise viel mehr Waren aus dem Ausland, als sie exportiert. Allein im Januar betrug das Defizit 7,1 Milliarden Dollar. Hinzu kommt: Die Konfrontation mit Europa und den USA in den vergangenen Jahren hat durchaus Spuren hinterlassen, etwa bei den ausländischen Direktinvestitionen. Im vergangenen Jahr investierten ausländische Firmen nur noch 8 Milliarden Dollar in der Türkei. Vor einigen Jahren waren es noch 22 Milliarden Dollar gewesen.
Anders verhält es sich mit dem Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenrate verharrt zwar mit über zehn Prozent auf hohem Niveau. Das hat aber auch damit zu tun, dass die türkische Bevölkerung wächst und damit auch das Arbeitskräfteangebot. Unter dem Strich hat die türkische Wirtschaft aber allein im vergangenen Jahr 1,5 Millionen neue Jobs geschaffen.
In der Türkei wird darüber spekuliert, Präsident Erdogan könnte den Rückenwind durch solche Erfolgsmeldungen nutzen, um noch 2018 vorgezogene Präsidentschaftswahlen auszurufen. Im vergangenen Jahr hatte die Türkei bereits extrem hohe Wachstumszahlen vermeldet, im dritten Quartal etwa habe das Plus elf Prozent betragen. Das hatte in Fachkreisen eine Debatte darüber ausgelöst, ob Daten womöglich manipuliert sein könnten.
Warum viel dafür spricht, dass die Zahlen stimmen, lesen Sie hier: