Tödliche Schlammlawine in Brasilien TÜV Süd leitet hausinterne Untersuchung ein

Bei dem Dammbruch zerstörte Brücke
Foto: Andre Penner/ dpaBrasilianische TÜV-Experten hatten die Dämme der Unglücksmine für sicher erklärt - obwohl sie offenbar frühzeitig massive Bedenken wegen des später geborstenen Abraumdamms hatten. Durch den Zusammenbruch und die darauffolgende Schlammlawine starben mehr als 160 Mitarbeiter, zwei TÜV-Mitarbeiter wurden verhaftet.
Es sei "inzwischen zweifelhaft", ob das bestehende brasilianische System zur Prüfung der Stabilität der Dämme zuverlässig sei und "Menschen und Umwelt angemessen vor den ernsten Risiken, die durch Abraumdämme entstehen, schützen kann", teilte das Münchner Prüfunternehmen nun mit. Angesichts dieser Sicherheitsbedenken habe die brasilianische TÜV-Süd-Tochter dem Minenbetreiber Vale mitgeteilt, dass sie keine weiteren Zertifikate und Berichte ausstellen könne, "bis eine gründliche Überprüfung des Systems abgeschlossen ist".
Video: Überwachungskamera filmt Dammbruch
Der TÜV Süd hatte 2018 im Auftrag von Vale die Dämme an der Unglücksmine Córrego do Feijão geprüft. Im September wurde dem System die physische und hydraulische Sicherheit attestiert. Am 25. Januar dieses Jahres brach dennoch ein Abraumdamm; Arbeiter und Anwohner wurden unter Millionen Tonnen Schlamm begraben.
Brisante Gerichtsdokumente
Gerichtsdokumente zeigen, dass ein TÜV-Prüfer den Katastrophendamm schon Monate vor dem Unglück für unsicher hielt und dies seinen Kollegen mitteilte. Trotzdem attestierte der TÜV die Sicherheit der Anlage unter Auflagen. Offenbar fürchteten die TÜV-Leute, dass ihnen der Konzern Vale den Auftrag entziehen könne, sollten sie der Anlage nicht das verlangte Sicherheitszertifikat ausstellen.
Der TÜV-Süd führe nun "mit der Unterstützung eigener und externer Experten (... ) eine Untersuchung interner Prozesse sowie möglicher Ursachen für den Dammbruch in Brumadinho durch", teilte das Unternehmen mit. "Für TÜV Süd wäre es inakzeptabel, wenn Erklärungen entgegen besseren Wissens unterschrieben worden wären. Ein solches Verhalten würde gegen alle Regeln des Unternehmens sowie sein Selbstverständnis verstoßen."
Risiko weiterer Dammbrüche hoch
Brasiliens Regierung hatte am Montag angekündigt, die Sicherheitsvorschriften für Abraumdämme zu erhöhen. Sollten diese nicht erfüllt werden, müssten die Dämme bis spätestens 2021 geschlossen werden, hieß es.
Wie groß das Risiko weiterer Dammbrüche vor Ort ist, zeigen die vergangenen Tage. Laut brasilianischen Medienberichten wurden am Wochenende schon wieder Anwohner aus der Nähe einer Vale-Mine wegen Katastrophengefahr evakuiert. Demnach mussten Samstagnacht etwa 200 Einwohner der Gemeinde Macacos nahe der Großstadt Belo Horizonte wegen der Gefahr eines Dammbruchs ihre Häuser verlassen. Zwei Rückhaltebecken der Mine Mar Azul seien womöglich nicht ausreichend stabil, hieß es. Vale war sowohl der Eigner der Unglücksmine - wie auch Teilhaber einer anderen Eisenerzmine, deren Abraumdamm Ende 2015 geborsten war. Damals starben 17 Menschen im Giftschlamm.
Um die Betreuung der Evakuierten von Macacos kümmerte sich der milliardenschwere Minenkonzern Vale offensichtlich kaum. "Das Unternehmen hat den Betroffenen Hotelübernachtung, Verpflegung und eine sichere Unterkunft versprochen", sagt Regina Reinart, Brasilien-Referentin der Hilfsorganisation Misereor. Tatsächlich aber hätten viele Bewohner von Macacos die Nacht in einer Nachbarstadt im Regen verbringen müssen. Nur ein Teil von ihnen hätte eine Unterkunft in Gemeindezentren gefunden, und dort habe es nicht einmal Wasser gegeben.
Später sollten die Evakuierten zurückkehren. Doch auch am Montag blieb die Schule von Macacos laut einem Bericht des TV-Senders Globo geschlossen: weder Schüler noch Lehrer waren zum Unterricht erschienen.