UBS-Debakel Der nette Milliarden-Vernichter von nebenan

Gut gekleidet, höflich und eloquent - zumindest äußerlich war Kweku Adoboli ein Vorzeige-Banker. Nur mit Geld konnte er nicht so gut umgehen, seinem Arbeitgeber UBS bescherte er einen Verlust von zwei Milliarden Dollar und hat damit einen Platz in der Galerie der übelsten Finanzzocker sicher.
UBS-Dependance in London: In die nächste Sinnkrise gestürzt

UBS-Dependance in London: In die nächste Sinnkrise gestürzt

Foto: Andy Rain/ dpa

Die Fotos, die von ihm im Internet kursieren, sind schwarzweiß und verschwommen. Kweku Adoboli sieht darauf aus wie ein Phantom. Doch der 31-jährige Finanzjongleur aus der Londoner City ist erschreckend real: Dieser Tage hat er im Namen der Schweizer Großbank UBS zwei Milliarden Dollar verspielt und die Branche in ihre nächste Sinnkrise gestürzt.

Entsetzte Beobachter fragen sich: Wie konnte das passieren, drei Jahre nach dem Lehman-Crash und den hochheiligen Schwüren der Banken, die interne Risikokontrolle verschärft zu haben?

Gewisse Dinge scheinen sich eben nie zu ändern. Um 3.30 Uhr am Donnerstagmorgen nahm die Polizei den jungen Investmentbanker an seinem Arbeitsplatz im Londoner UBS-Haus in der Nähe der Liverpool Street fest. Adoboli war dort Direktor für Delta-1-Derivate, er kaufte und verkaufte börsengehandelte Fonds. Eigentlich gilt der Handel mit diesen Finanzprodukten als risikolos. Londoner Trader wunderten sich daher, wie er es geschafft hatte, heimlich so viel Geld zu verzocken. "Das erfordert schon Können - nicht nur das Verdunkeln von Positionen, sondern überhaupt, so einen Verlust einzufahren", sagte ein Investmentbanker.

Bislang war Adoboli einer von 6000 UBS-Mitarbeitern in London. Fortan wird sein Name in einem Atemzug mit Nick Leeson und Jérôme Kerviel genannt werden - den berüchtigtsten Zockern der Welt.

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Adoboli ist Sohn eines ghanaischen Uno-Beamten. Laut "Times" wuchs er in Israel, Syrien und im Irak auf, bevor er nach England zog. Er besuchte ein teures Internat in Yorkshire und studierte E-Commerce an der University of Nottingham. 2006 fing er als Trainee im UBS-Hochhaus in der Londoner City an. Bald machte er Karriere, wurde Trader, schließlich Direktor.

Bis zum Sommer lebte er in einer 4000-Pfund-Mietwohnung im hippen Viertel Shoreditch, nicht weit von seinem Arbeitsplatz entfernt. Dann zog er weiter nach Osten. Sein früherer Vermieter sagte dem "Daily Telegraph", er sei stets gut gekleidet, höflich und eloquent gewesen. "Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen."

Wann seine Milliarden-Geschäfte schiefzugehen begannen, ist nicht bekannt. Erst am Mittwochnachmittag fiel der UBS nach eigenen Angaben auf, dass etwas nicht stimmte. Die Transaktionen seien nicht autorisiert gewesen, beeilte sich das Geldhaus zu versichern.

Die Parallelen zu Jérôme Kerviel drängen sich auf. Der französische Trader war ebenfalls 31 Jahre alt, als er 2008 den größten Einzelverlust aller Zeiten einfuhr: 4,9 Milliarden Euro schuldet er seither seinem früheren Arbeitgeber Société Générale. Ein Gericht hat ihn zur Rückzahlung der gesamten Summe verdonnert. Auch er hatte mit Delta-1-Produkten gezockt, auch hier hatten sämtliche Sicherheitsmechanismen versagt.

Woran liegt es, dass junge Börsenhändler sich dermaßen aberwitzig verspekulieren können? Jugendlicher Leichtsinn spielt sicher eine Rolle, vielleicht auch eine gewisse kriminelle Energie. Mindestens ebenso wichtig ist jedoch die Anreizstruktur im Investmentbanking.

Ex-Zocker ist Bestsellerautor

Kerviel etwa erhob schwere Vorwürfe gegen seine Chefs. Sie hätten ihm nie Einhalt geboten, sondern seine Limits immer weiter erhöht, sagte er vergangenes Jahr in einem SPIEGEL-Gespräch: "Da ist viel Heuchelei dabei, da alle alles sehen und niemand etwas sagt." Vier Sekunden dauere es, um eine Milliarde auszugeben, da verliere man irgendwann das Gefühl für Zahlen.

Ob es Adoboli ähnlich ging, weiß man nicht. Noch wird er von der Polizei befragt. Sein Arbeitgeber UBS kündigte eine vollständige Aufklärung an, sein unmittelbarer Vorgesetzter nahm bereits seinen Hut. Die Bank, die 2008 vom Schweizer Steuerzahler vor dem Bankrott gerettet worden war, hatte gerade erst ihren Ruf wieder leidlich repariert. Die Tatsache, dass die interne Kontrolle so spektakulär versagt hat, wiegt daher umso schwerer.

Wird die Schuld von Adoboli festgestellt, dürfte er einige Jahre ins Gefängnis wandern. Kerviel sitzt seit vergangenem Herbst in Haft, er hat fünf Jahre bekommen und wird wohl sein ganzes Leben lang seine Milliardenschulden bei seinem früheren Arbeitgeber abzahlen müssen.

Der Brite Leeson, der 1995 mit seinen Spekulationsgeschäften die Barings Bank in den Bankrott getrieben hatte, kam glimpflicher davon. Er hat seine vier Jahre Haft bereits abgesessen, ist inzwischen ein gefragter Gastredner und Bestsellerautor. Er vermarktet sich auf seiner Web-Seite als der "original Rogue Trader". Sein Buch "Wie ich die Barings Bank ruinierte" wurde sogar verfilmt.

Bleibt die Frage, ob die Banken - und die Aufsichtsbehörden - aus dem Fall Adoboli endlich etwas lernen. Kerviel sagte dem SPIEGEL auf die Frage, ob man die Risikokontrolle innerhalb der Banken verbessern könne: "Sicherlich. Aber man muss es wollen."

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