US-Immobilienmarkt Luxusruinen zum Schnäppchenpreis
Kevin Dickensons Lieblingsausdruck ist "serious money". "Richtig viel Geld": Er sieht es, wenn er seinen silbernen Mercedes SLK Cabrio vom Büro zum Meer steuert. Er sieht es, wenn er auf die A1A abbiegt, die am Strand entlang nach Singer Island führt. Er sieht es, wenn er über die nach dem Golf-Star Jack Nicklaus benannte Brücke zurück zum Festland fährt, während beidseits das türkise Wasser blitzt.
"Richtig viel Geld fließt wieder nach Südflorida", freut sich Dickenson. "Alles ist runtergesetzt. 50 bis 70 Prozent. 75 Prozent." Der Anhänger seines Autoschlüssels klimpert. "Gold's Gym" steht darauf - "das Mekka der Fitnessfans".
Das serious money, von dem Dickenson spricht, steht überall am Straßenrand. Dutzende Luxus-Wohntürme, einer nach dem anderen, eine löchrige Skyline des vergangenen Baubooms - hoch, schlank, pastellschimmernd und alle irgendwie gleich in ihrer Möchtegern-Architektur: Terrakottafassaden, Pseudosäulen, "Wrap-Around"-Balkons und stets umsäumt von Palmen und putzigen Wachhäuschen.
Bei näherem Hinsehen stellt sich allerdings heraus: Die Wachhäuschen sind meist verlassen - und die Wohntürme leer.
Geisterstädte der Finanzkrise
Willkommen im Land des neuen US-Immobilienbooms. Floridas Gold Coast, die noble Goldküste zwischen Miami und Palm Beach, ist gesäumt von gescheiterten Großprojekten. Es sind die Geisterstädte der Finanzkrise: Überteuert, pleite gegangen und zwangsversteigert, rissen diese Mega-Paläste mit Protznamen wie Trump, Oasis oder Martinique II ganze Baukonzerne ins Unheil - und sind nun ein gefundenes Fressen für Spekulanten, die sie en gros abgreifen.

USA: Luxusruinen der Finanzkrise
Kevin Dickenson, 47, macht diese Millionengeschäfte möglich. Der Immobilienmakler vermittelt Deals zwischen den Gläubigerbanken, die die Luxusruinen von den Pleitiers übernommen haben, und ihren neuen Interessenten: Hedgefonds, Heuschrecken und Investoren mit langem Atem. "Des einen Pech", grinst er, "ist des anderen Glück."
Nirgends offenbart sich das so wie auf diesen 200 Kilometern an Floridas Südostküste, dem Ground Zero des Immobilien-Crashs. Hier zockten sich zahllose Immobilienhaie ins Verderben, indem sie die Landzungen und Halbinseln mit ihren Mammut-Häusern zupflasterten. Der Markt kollabierte, die Wohnungen blieben unverkauft, die Bauherren gingen reihenweise bankrott.
Wer den nächsten Boom abwartet, dem winken dicke Gewinne
Allein in Palm Beach sind Hunderte Häuser zur Zwangsversteigerung ausgeschrieben, darunter viele Luxusobjekte. Wer gute Nerven und Rücklagen hat, kann ausnutzen, dass der Markt sein Tief offenbar überwunden hat. Zwar stehen am Straßenrand überall noch lockende Schilder: "Zwangsversteigerungs-Special", "CA$H COW". Doch das Angebot, weiß Dickenson, schrumpft spürbar.
Dickensons Timing war ideal. 2005 hatte der Ingenieur eine zweite Karriere als Makler begonnen, die ihn zu Prudential Real Estate führte, einem der größten Immobilienvermittler der USA. Dort lernte er schnell den Wert von Ramschimmobilien aus Insolvenzbeständen schätzen, die von den Banken verscherbelt werden und dem, der den nächsten Boom abwartet, fette Gewinne versprechen.
Prudential selbst war dafür das beste Beispiel: Sein Mutterunternehmen, der Bauentwickler WCI, rasselte Ende 2008 ins Konkursverfahren, aus dem es ein Jahr später wiederauferstand. Seine vielen Luxus-Wohnsilos in Florida musste es dabei allesamt abstoßen.
"Vor einem Jahr begannen die Investoren zurückzukehren", berichtet Dickenson. Sein Hauptklient ist ein Private-Equity-Milliardär aus Texas, der anonym bleiben will. Der kaufe hier Immobilien "in bulk" (in Masse) auf, lasse sie vier, fünf Jahre leerstehen, stecke sich die Steuerförderung ein - und kassiere dann beim Weiterverkauf nochmal ab.
"Teflon-Dan" verstand nichts von Marketing
Für seinen Kunden spielt Dickenson Detektiv, wie er es nennt. Er durchforscht Bauakten, ermittelt, wer die Kredite hält, eruiert die Nöte der Schuldner. "Einer steht in Scheidung. Ein anderer wird verklagt." Sprich: Höchste Zeit, zuzuschlagen.
Dickenson rollt in die Einfahrt eines schmalen, elfstöckigen Gebäudes, das aussieht wie mehrere aufeinandergestapelte Prachtvillen: "One Singer Island." 15 Luxuswohnungen hat diese ehemalige WCI- Liegenschaft. Ein Klient schnappte sich hier ein 2,6-Millionen-Dollar-Penthouse mit Meerblick - für 860.000 Dollar, ein Rabatt von 67 Prozent. Zur Ausstattung gehören ein Grand Salon, ein Versace-Terrasse und ein Billardzimmer. Trotzdem stehen fünf Einheiten bis heute leer.
Wenig weiter findet sich das Vorzeigestück der Crash-Spekulanten: zwei blau-weiß blinkende Wohntürme, 27 Etagen inmitten von 3,5 Hektar Parks, Pools und Tennisplätzen. "Ritz-Carlton Residences" steht am Eingang - seit drei Wochen.
Zuvor hieß der Komplex "2700", nach seiner Hausnummer, und gehörte dem örtlichen Bauunternehmer Daniel Catalfumo. Doch "Teflon-Dan" ("Palm Beach Post") verstand wenig von Marketing. Die Apartments lagen wie Blei auf dem Markt, und als Catalfumo die 86-Millionen-Dollar-Hypothek über den Kopf wuchs, musste er einen finanzstarken Abnehmer für den leeren Bau finden.
Die neuen Besitzer, die Private-Equity-Firmen Lionheart Capital und Elliott, waren clever. Sie warben Ritz-Carlton an, dem Projekt seinen Namen und Hotelservice zu leihen. Prompt schoss der Wert der Penthouses über Nacht in die Höhe.
"Der Lifestyle, von dem Sie geträumt haben"
In der Lobby schweift der Blick an Orchideen und einem Konzertflügel vorbei zum Pool. Im 19. Stock führt die Verkaufsdirektorin durch eine kitschig möblierte Musterwohnung: 367 Quadratmeter, Wohnzimmer, Esszimmer, drei Schlafzimmer, vier Bäder, Weinkammer. Sonderpreis: 2,1 Millionen Dollar.
"Mehr als die Hälfte der Wohnungen sind bereits weg", flunkert die toupierte Dame. In Wahrheit dürfte es drei Jahre dauern, bis alle verkauft sind. Was den Finanziers nur recht ist, weil die Preise bis dahin wohl wieder anziehen werden.
Selbst Immobilienhaie wie Donald Trump verkalkulierten sich. Der hatte auf einen 41-stöckigen Superbau der Immobiliengruppe Related gesetzt. Doch nur 25 der 200 Luxuswohnungen in dem 227-Millionen-Dollar-Bunker fanden Abnehmer. Die Gläubigerbank HSBC übernahm das Projekt und verkaufte es an eine Spekulantengruppe aus Fort Lauderdale - für 160 Millionen Dollar.
Jenseits der Jack-Nicklaus-Brücke präsentiert Dickenson "das andere Ende des Luxusmarkts" - das preiswerteste Ende. Marina Grande heißt die Anlage aus zwei grell gestrichenen Klötzen am Kanal. "Der Lifestyle, von dem Sie geträumt haben", verheißt der Prospekt, die Wahrheit sieht anders aus: "Diese Gegend ist miserabel", flüstert Dickenson und zeigt auf die Pfandleihhäuser gegenüber.
"Eine Blase nach der anderen"
In der Tat wirken diese Mini-Wolkenkratzer mit insgesamt 351 Apartments im Vergleich zum Ritz-Carlton wie bessere Sozialbauten, trotz des "nautischen Themenzimmers" hinter dem Foyer. Marina Grande, 2005 mit großem Trara eröffnet, gehörte mal dem Baukonzern Boca Developers. Dann kam die Krise.
Ein emsiger Agent zeigt eine leere, erstaunlich düstere Wohnung in der 17. Etage, 280 Quadratmeter - 570.000 Dollar, ein Witz. "Wenn Sie 470.000 bieten, sage ich nicht nein", gurrt der Agent. "Wir wollen alles noch diese Saison loswerden."
Manche Großprojekte starben, noch bevor ein Haus errichtet wurde. Etwa die 31 Hektar in Juno Beach, für die WCI einst mehr als 100 Millionen Dollar geblecht hatte. Sie gingen für schlappe 20 Millionen Dollar an Toll Brothers, eine Investmentfirma aus Pennsylvania. Die hat begonnen, auf dem Areal Einfamilienhäuser zu bauen, ab 650.000 Dollar, mit Privat-Dock. Name des Projekts: "Frenchman's Harbor."
"Ist das nicht toll?", seufzt Dickenson. Er ist rechts rangefahren, von einer Brücke ist das Baugelände sichtbar. Die ersten Bagger kurven darauf herum. "Der nächste Aufschwung kommt bestimmt", sagt er befriedigt. "Eine Blase nach der anderen."