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US-Ölkatastrophe BP-Chef will Ausbau der Offshore-Produktion bremsen

Nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko rät Tony Hayward zu taktischer Vorsicht: Erst wenn man öffentliches Vertrauen zurückgewonnen habe, könnten Offshore-Bohrungen wieder ausgebaut werden, sagte der BP-Chef dem SPIEGEL. Finanziell werde der Konzern das Unglück überstehen.

Hamburg - Der Vorstandschef des britischen Ölkonzerns BP, Tony Hayward, setzt nach der Katastrophe im Golf von Mexiko den Ausbau der Bohrungen in tiefen Gewässern unter Vorbehalt. "Ein Ausbau der Offshore-Produktion sollte erst wieder verfolgt werden, wenn das öffentliche Vertrauen in Tiefseebohrungen wiederhergestellt ist", sagte Hayward in einem Interview mit dem SPIEGEL.

Hayward plädiert dafür, dass die Regierung und die Industrie "eine Pause machen, um nach dem Unglück Zeit zum Nachdenken zu haben". Grundsätzlich sprach sich der BP-Chef allerdings für eine Fortführung von Tiefseebohrungen aus. Die Branche arbeite zwar an den Grenzen der Geologie, der Geografie und der Technologie, aber die Anforderungen lägen nicht jenseits der Fähigkeiten der Industrie. Der Golf von Mexiko und andere Offshore-Regionen leisteten einen zentralen Beitrag zur Energiesicherheit der USA.

Schätzungen von Fachleuten, wonach der Schaden bis zu 14 Milliarden Dollar betragen könne, bestätigte Hayward nicht. Finanziell werde der Konzern das Unglück überstehen, so der BP-Chef. Das Unternehmen sei "durchaus fähig, mit den finanziellen Konsequenzen dieses Ereignisses fertig zu werden". Um über Fragen der Haftung zu sprechen, sei es allerdings noch zu früh.

Für den Ruf BPs bedeute das Unglück allerdings eine große Herausforderung. Wenn aber anerkannt werde, dass das Unternehmen alles in seiner Kraft Stehende tue, um der betroffenen Region zu helfen, "dann sehe ich sogar die Chance, dass unser Ansehen nach Bewältigung der schwierigen Situation intakt bleiben kann".

Der unter massivem Druck der Öffentlichkeit und der US-Regierung stehende Konzern musste am Freitag jedoch einen weiteren Rückschlag hinnehmen. Die Rating-Agentur Standard & Poor's senkte den Ausblick für den Ölriesen auf negativ, was eine Herabstufung wahrscheinlicher macht. Als Grund wurde die Unsicherheit über die Folgekosten der Umweltkatastrophe genannt. Nach dem Untergang einer Bohrinsel vor zwei Wochen hatte ausgetretenes Öl erstmals die Strände einer vorgelagerten Insel bei New Orleans erreicht.

Stahlbetonglocke über Ölleck platziert

Die zur Abdichtung des riesigen Öllecks vorgesehene 100 Tonnen schwere Stahlbetonglocke ist jetzt am Meeresboden in rund 1500 Metern Tiefe angekommen und liegt jetzt über dem sprudelnden Öl. Ein BP-Sprecher teilte am Freitag mit, es werde noch rund zwölf Stunden dauern, bis sie stabil stehe. Die zwölf Meter hohe Stahlbetonglocke wurde mit Unterwasserrobotern an ihre Position auf dem Meeresgrund gebracht. Sobald sie sicher steht, sollen mit den Robotern Rohre angeschlossen werden, um das weiter aus dem defekten Bohrloch austretende Öl abzusaugen und in einen Tanker an der Wasseroberfläche zu pumpen. Das werde noch drei bis vier Tage dauern. So sollen bis zu 85 Prozent des austretenden Öls aufgefangen werden.

Sollte das Vorgehen erfolgreich sein, soll noch eine zweite Stahlbetonglocke auf ein zweites, kleineres Leck abgesenkt werden. Parallel prüfen BP-Ingenieure weiter, ob das Leck auch mit der sogenannten "Top-Kill"-Methode abgedichtet werden könnte. Dabei wird ein Gemisch aus Lehm und Beton direkt in die Quelle gepumpt, wie ein Sprecher erläuterte. Dazu werden von der Seite her Bohrungen angebracht. Aus den Lecks am Meeresgrund sprudeln seit dem Untergang der Bohrinsel "Deepwater Horizon" Ende April täglich rund 800.000 Liter Öl, insgesamt sind es vermutlich schon rund 11,4 Millionen Liter.

Methangasblase verursachte Explosion

Ursache der folgenschweren Explosion auf der gesunkenen Bohrinsel war offenbar eine Methangasblase und eine Serie von Pannen. Das geht aus einer internen Untersuchung des Ölkonzerns BP auf der Grundlage von Interviews mit Arbeitern der Plattform hervor. Das Methangas stieg demnach plötzlich vom Meeresboden das Bohrgestänge empor, durchbrach mehrere Sicherungen und Sperren, bevor es dann explodierte. Bei dem Unglück am 20. April kamen elf Arbeiter ums Leben. Die Bohrinsel ging zwei Tage später unter.

cai/ap/Reuters
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