
Öl-Deal: Rosneft und Exxon hoffen auf schwarzes Gold unter Arktis-Eis
US-russischer Öl-Deal Tauwetter im arktischen Eis
Rex Tillerson kennt sich aus in Russland. Seit Jahrzehnten pirscht der Texaner, der in der Prärie aufwuchs, dort gerne durch die Eiswüste. Besonders viel Zeit verbrachte er auf Sachalin, Russlands größter Insel vor der Küste Sibiriens.
Das ist nicht nur Abenteuerlust. Sachalin birgt die bedeutendsten Erdölvorkommen Russlands. Tillerson, der mit 23 Jahren als Ingenieur beim US-Ölmulti Exxon anfing und dort rasant aufstieg, witterte in der Arktis immer schon ein Riesengeschäft, als Öl-Alternative zu den USA. 1996 handelte er in Sachalin das erste US-russische Öl- und Gasprojekt aus: Sachalin-1.
Das Bohrfeld vor der Insel, vom internationalen Konsortium Exxon Neftegas unter Führung der Texaner gemanagt, wurde zum großen Erfolg, trotz massiver Proteste von Umweltschützern: Fast jährlich stellt Sachalin-1 neue Bohrrekorde auf, zuletzt im Januar mit 12.345 Metern Tiefe. Heute produziert es 250.000 Barrel Öl pro Tag.
Zum Dank beförderte Exxon Rex Tillerson 1998 zum Präsidenten von Exxon Neftegas. Sechs Jahre später wurde er Vorstandschef des Gesamtkonzerns, den er seither zum größten und reichsten Unternehmen der Welt gemacht hat.
Sachalin-1 war nur der Anfang. Jetzt erntete Tillerson - den sie auch "King Rex" nennen - die Früchte seines frühen Russland-Engagements.
Am Dienstag traf er sich mit dem russischen Premier Wladimir Putin in dessen Urlaubsort Sochi am Schwarzen Meer. Mit um den Tisch saßen Tillersons Entwicklungschef Neil Duffin und Eduard Chudainatow, der Präsident des staatlichen russischen Ölförderers Rosneft, einer der Exxon-Neftegas-Konsortiumspartner.
Duffin und Chudainatow unterzeichneten einen Vertrag und schüttelten einander die Hände. Tillerson und Putin applaudierten und lächelten.
Vorstoß in unerschlossene Ölregionen
Zum Lächeln haben sie allen Grund. Der Vertrag besiegelt eine historische Kooperation zwischen den einstigen Erzfeinden USA und Russland - und einen brillanten Coup für Exxon: Gemeinsam mit Rosneft wird es das Arktis-Schelf Russlands ausbeuten, eine der letzten, unerschlossenen Ölregionen der Welt. "Neue Horizonte eröffnen sich", schwärmte Putin.
Das ist nicht übertrieben. Die beiden Firmen wollen zunächst 3,2 Milliarden Dollar investieren, um unter anderem in der arktischen Karasee an der Nordflanke Russlands Öl zu fördern. Dort haben sie das riesige Ölfeld Prinovozemelskiy avisiert, mit Vorkommen von 36 Milliarden Barrel Öl.
Den ersten Akt dieses Mega-Deals, eine gemeinsame Exploration im Schwarzen Meer, hatten Exxon und Rosneft schon im Januar vereinbart. Noch gigantischer sind allerdings die Gesamtinvestitionen der Kooperation: Sie könnten sich, hofft Putin jedenfalls, auf bis zu 500 Milliarden Dollar belaufen (347 Milliarden Euro). Die genaue Summe ist jedoch noch unklar. Möglicherweise liegt ein Übersetzungsfehler vor und Putin meinte 500 Milliarden Rubel (12 Milliarden Euro).
Exxon, das an dem Joint Venture zu einem Drittel beteiligt ist, schlägt so mehrere Fliegen mit einer Klappe. Zunächst einmal emanzipiert es sich von der US-Regierung, von der sich die gesamte Branche seit der "Deepwater Horizon"-Katastrophe im Golf von Mexiko geknebelt fühlt. Zu streng seien die Umweltgesetze in den USA, klagen die Firmen.
Die Europäer sind außen vor
Zwar hat Washington den zeitweiligen Bohrstopp im Golf wieder aufgehoben. Doch neue Lizenzen werden nur schleppend ausgegeben- zu schleppend für eine Industrie, die nach immer neuen Profitquellen giert. Auch die Ausbeutung Alaskas stößt auf Widerstand. Klar, dass Tillersons Blick schnell auf Russland fiel.
Zudem erweitert Exxon mit dem Russland-Deal seinen globalen Einflussbereich - in einer einstigen Sperrzone, die dank der Eisschmelze langsam zugänglich wird. Wobei Exxon offenbar darauf setzt, dass ihm Russland die lästigen Ökos vom Hals hält.
Diese Ambitionen hatte auch der britische Ölkonzern BP, der Betreiber der "Deepwater Horizon". Nach dem Debakel im Golf wollte BP ebenfalls mit Rosneft in die Karasee vorstoßen. Doch der Deal platzte. Auch der niederländisch-britische Konzern Royal Dutch Shell verhandelte erfolglos mit Rosneft.
Das Scheitern der Europäer war Exxons Chance. Dabei zahlten sich Tillersons alte Connections aus. "Das heutige Abkommen mit Rosneft baut auf unsere 15-jährige, erfolgreiche Beziehung im Sachalin-1-Projekt auf", sagte Exxon-Mann Duffin. Im Gegenzug bekommt Rosneft Zugang zu Exxon-Anlagen im Golf von Mexiko - wobei die offiziellen Erklärungen dazu recht unkonkret sind.
Rechtliche Risiken in Russland
Vor allem aber ist der Deal ein Zeichen für den Neuanfang in den US-russischen Beziehungen. Bereits 2009 hatte Präsident Barack Obama einen "Reset" ausgerufen - dies scheint nun Wirkung zu zeigen. "Politisch ist es bedeutsam, dass es sich um ein amerikanisches Unternehmen handelt", sagte Clifford Kupchan, Russland-Experte der Eurasia Group, der Nachrichtenagentur Reuters. "Vor drei Jahren wurden US-Firmen noch ausgeschlossen."
Für Exxon birgt das Abenteuer dennoch Risiken. Russlands Wirtschaftsklima ist notorisch labil, wie schon der BP-Flop zeigte. Auch Exxon bekam die unsicheren Rechtsverhältnisse zu spüren, als der Konzern 2003 versuchte, in das Ölunternehmen Jukos einzusteigen. Moskau vereiteilte die Pläne: Jukos' damaliger Chef-Oligarch Michail Chodorkowski sitzt in Haft, das Unternehmen wurde zerschlagen. Die Ironie daran: Die Reste des Jukos-Imperiums gingen an Rosneft über.
Tillerson spielte auf solche Unwägbarkeiten an, als er in Sochi vom "schwierigen Umfeld in Russland" sprach. Exxons Bilanzen sind nun abhängig von den Launen des Kremls.