Bundesweiter Verkehrsstreik Wissing für Aussetzung von Sonntagsfahrverbot für Lkw

Angesichts des bundesweiten Warnstreiks im Verkehr am Montag dringt Minister Wissing auf lockerere Regeln für Gütertransporte und Flüge. Derweil steigt die Zahl der Mietwagenbuchungen bereits rasant.
Protest der EVG im laufenden Tarifkonflikt: Montag könnte es eng auf den Straßen werden

Protest der EVG im laufenden Tarifkonflikt: Montag könnte es eng auf den Straßen werden

Foto: Sebastian Gollnow / dpa

Der flächendeckende Warnstreik der Gewerkschaften am Montag besorgt nun zunehmend die Politik. Nachdem die Deutsche Bahn mitgeteilt hat, dass sie selbst den Transport versorgungsrelevanter Güter »nicht versprechen« kann, verlangt Bundesverkehrsminister Volker Wissing eine Stärkung anderer Verkehrswege.

Der FDP-Politiker sprach sich dafür aus, dass Lkw auch diesen Sonntag Waren liefern können sollten. Es gelte, auf das Sonntagsfahrverbot für die Laster zu verzichten. Wissing bat die zuständigen Bundesländer darum, von Kontrollen abzusehen. Er sagte: »Menschen sollen nicht unter dem Arbeitskampf oder den Tarifverhandlungen leiden.«

Der Bundesverband Güterverkehr und Logistik (BGL) hatte zuvor vor einem Versorgungschaos gewarnt und die Aufhebung des Sonntagsfahrverbots für Lastwagen gefordert, um das drohende Chaos abzumildern. Wissing sagte am Freitag in Mainz, der Streik werde massive Auswirkungen auf Verkehr und Logistik haben.

Spätere Starts und Landungen an Flughäfen?

Darüber hinaus sagte der Minister der »Bild«-Zeitung, auch die Landesluftfahrtbehörden und Flughäfen seien gefordert, verspätete Landungen und Abflüge zu ermöglichen, damit gestrandete Passagiere ihr Ziel erreichen können.

Wegen des Tarifkonflikts im öffentlichen Dienst und bei der Bahn drohen am Montag die umfangreichsten Streiks seit vielen Jahren in Deutschland. Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft riefen Hunderttausende Beschäftigte im Verkehrsbereich zu einem ganztägigen Arbeitskampf auf. Die Deutsche Bahn stellt deswegen am Montag den gesamten Fernverkehr ein. Auch im Nah-, Flug-, Schiffs- und Straßenverkehr werden massive Beeinträchtigungen erwartet.

Angesichts des aufziehenden Streiks sind Mietwagenbuchungen in die Höhe geschnellt. Zwischen der Ankündigung am Donnerstag um 13 Uhr und Freitag früh stiegen die Buchungen laut dem Vergleichsportal Check24 um rund 39 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. In einigen großen deutschen Städten war der Anstieg demnach besonders groß. So meldete Check24 etwa eine Zunahme von gut 84 Prozent in Berlin, von fast 74 Prozent in Frankfurt sowie von einem Plus von mehr als 71 Prozent in Leipzig. In Hamburg und Dresden stiegen die Buchungen demnach um mehr als 50 Prozent.

Mit der Zunahme der Buchungen stieg laut dem Portal vielerorts auch der Preis für einen Mietwagen – beispielsweise um 44 Prozent in Dresden, um 35 Prozent in Leipzig und um gut 27 Prozent in Hamburg.

Ökonom Fratzscher erwartet deutliche Zunahme der Arbeitskämpfe

Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Werneke, hat die Streikankündigung verteidigt. »Ein Arbeitskampf, der keine Wirkung erzielt, ist ein zahnloser Arbeitskampf«, sagte er im Fernsehsender Phoenix. Er räumte ein, dass der gemeinsame Streik mit der Eisenbahnergewerkschaft EVG zur Belastung für viele Menschen werde, »aber besser ein Tag Belastung mit der Perspektive, zu einem Tarifabschluss zu kommen, als ein wochenlanger Arbeitskampf«.

Hinter dem Ausstand stehen Tarifkonflikte im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen sowie bei der Bahn. Ver.di geht am Montag in Potsdam in die dritte Runde der Tarifverhandlungen für rund zweieinhalb Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Die Gewerkschaft fordert 10,5 Prozent und monatlich mindestens 500 Euro mehr Gehalt. Das Angebot der Arbeitgeber aus der zweiten Verhandlungsrunde hält Ver.di für völlig unzureichend. Die EVG befindet sich aktuell in Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn und rund 50 weiteren Unternehmen. Sie fordert bei einer Laufzeit von einem Jahr Lohnerhöhungen von insgesamt zwölf Prozent, mindestens aber 650 Euro als »soziale Komponente«. Die Verhandlungen sollen am 24. und 25. April fortgesetzt werden.

DIW-Präsident Marcel Fratzscher rechnet in den kommenden Jahren bereits mit einer Zunahme von Streiks, denn die Zeiten eines Arbeitgebermarktes, in dem Arbeitgeber Löhne und Arbeitsbedingungen mehr oder weniger diktieren konnten, dürften vorbei sein. »Der Arbeitskampf und der Megastreik im Verkehrssektor am kommenden Montag sind das logische Resultat dieser Zeitenwende«, sagte der Ökonom. »Ich erwarte für die kommenden Jahre eine deutliche Zunahme der Arbeitskämpfe in Deutschland.«

apr/AFP/Reuters
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Playlist
Speichern Sie Audioinhalte in Ihrer Playlist, um sie später zu hören oder offline abzuspielen. Zusätzlich können Sie Ihre Playlist über alle Geräte mit der SPIEGEL-App synchronisieren, auf denen Sie mit Ihrem Konto angemeldet sind.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten