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Streit der VW-Familien "Piëch hat sein Lebenswerk zerstört"

VW will den Dieselskandal hinter sich lassen, doch Machtkämpfe erschweren den Aufbruch in die Zukunft. Besonders die Attacken des Ex-Patriarchen Piëch sorgen für Unruhe. Sein Cousin Wolfgang Porsche wehrt sich.

Als der Star des Abends zu wummernden Musikbeats auf die Bühne rollt, muss Wolfgang Porsche sich fast verbiegen, um einen Blick zu erhaschen. Während Volkswagen-Chef Matthias Müller das erste autonom fahrende Konzern-Konzeptauto Sedric per Knopfdruck in den Saal des Genfer Autosalons fahren lässt, steht Aufsichtsrat und Miteigentümer Porsche in der Menge und versucht, an den Menschen vor ihm vorbeizuschauen. Mal links, mal rechts.

Die Zeiten der pompösen Shows sind Geschichte bei VW - und das hat auch mit Wolfgang Porsche zu tun, dem neuen Sprecher der Eigentümerfamilien Porsche und Piëch. Als sein Cousin Ferdinand Piëch noch als Konzernpatriarch und Aufsichtsratschef amtierte, wurde er bei Automessen stets als menschlicher Mittelpunkt hofiert. Die neuen Modelle wurden ihm teils vor breiten Tribünen vorgefahren.

Doch das ist mittlerweile vorbei. Der Konzern gibt sich extra bodenständig. Und Wolfgang Porsche passt das. "Wir müssen am Boden bleiben", sagt er an diesem Abend in kleinem Kreis. "Es gibt vieles, das sich ändert", fügt er später hinzu. "Es ist ein so großes Unternehmen, mit so vielen Marken, mit einer Kultur, die im Wandel ist, sich wandeln muss." Doch gerade das fällt schwer.

"Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen"

Zwischen Zukunftsshow und Realität muss sich VW erst wiederfinden - genauso ergeht es seinen Eigentümern. An beiden zerrt zu sehr die Vergangenheit, um ungehemmt in die Zukunft zu gehen. Der Konzern ringt mit den Folgen der Dieselaffäre, mit Sparplänen und diversen Machtkämpfen - während die europäische Konkurrenz durch den Zusammenschluss von Opel und Peugeot erstarkt.

Wolfgang Porsche setzt besonders der Zwist mit seinem Cousin Piëch zu - zwischen den Familienoberhäuptern herrscht Sprachlosigkeit. "Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen", sagt Porsche und lächelt. Doch glücklich schaut er dabei nicht. Er rätselt noch immer, wie es vor zwei Jahren zu dem gewaltigen Disput zwischen Piëch und dem damaligen Konzernchef Martin Winterkorn kommen konnte. Er rätselt auch, warum Piëch ihn selbst dann noch in den Dieselskandal hineingezogen hat, indem er angab, mehrere Aufsichtsräte schon im Frühjahr 2015 über Hinweise auf Manipulationen informiert zu haben - unter anderem seinen Cousin. Porsche weist das zurück.

Er sei auf Distanz zu Winterkorn, hatte Piëch 2015 dem SPIEGEL gesagt. Am Ende verlor er den so angezettelten Machtkampf, und der einst so mächtige Aufsichtsratschef legte mitsamt seiner Ehefrau Ursula die Ämter in dem Kontrollgremium nieder. "Ich kann es mir nicht erklären", sagt Wolfgang Porsche. "So geht man nicht mit jemandem um, mit dem man mehr als 30 Jahre zusammengearbeitet hat. Ich kenne keinen, der so loyal war wie Winterkorn." Piëch habe "sein eigenes Lebenswerk zerstört", sagt Porsche.

"Das ist keine Holschuld"

Die Angriffe und Beschuldigungen durch seinen Cousin lassen Porsche fassungslos zurück. "Eigentlich ist es tragisch", sagt er. "Das Positive ist, dass wir viel schwierigere Entscheidungen hatten in der Vergangenheit und uns immer zusammengerauft haben." Doch einem familieninternen Gespräch über das Thema weicht Piëch offensichtlich aus. Er habe mit ihm nicht darüber reden können, sagt Porsche. "Ich warte, vielleicht kommt er ja einmal. Das ist keine Holschuld."

Der Konflikt setzt ihm, dem sonst so sanften, ruhigen Mann, spürbar zu. Seinen Ärger versucht er in Humor zu verpacken. Er sei als Hausschwein aufgewachsen und müsse als Wildschwein leben, hatte Piëch einmal selbstironisch gesagt. Porsche witzelt nun, wenn er an diesen Spruch denke, sage er sich heute: "Ich bin Jäger, ich schieße gern auf Wildschweine."

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Der Dissens der VW-Eigentümerfamilien belastet das Unternehmen in einer heiklen Phase. Eigentlich will Vorstandschef Müller nach vorne blicken: "Aufbruch oder weiter so?" Zwischen diesen Polen stehe die Autobranche, sagt er beim Startschuss für den Sedric in Genf. Es klingt, als meine er auch seinen Konzern. "Die Karten werden derzeit neu gemischt - neue Trends, neue Zusammenschlüsse, neue Mitspieler." VW werde die Umbrüche in der Autoindustrie für einen neuen Aufbruch nutzen, sagt Müller fordernd. Autonomes Fahren, mehr als 30 zusätzliche E-Auto-Modelle bis 2025, neue mobile Dienstleistungen - er hat seinen Managern viel ins Auftragsbuch geschrieben.

Dafür allerdings muss der Neustart im Konzern selbst gelingen. Dort fällt der Blick nach vorn zuweilen schwer, wie nicht nur der Familienstreit der Porsches und Piëchs zeigt. Auch der jüngste Schlagabtausch zwischen dem mächtigen Betriebsratschef Bernd Osterloh und VW-Markenchef Herbert Diess um den VW-Zukunftspakt und den Abbau von rund 30.000 Stellen demonstriert, wie schwer es ist, einen Koloss wie VW zu befrieden.

Es müsse mehr miteinander geredet werden und zugleich mehr intern bleiben, sagt Aufsichtsrat Porsche - und stellt sich im Machtkampf ausdrücklich hinter Manager Diess. Der Vorstand hätte den VW-Markenchef stärker stützen müssen, meint Porsche. Diess mache eine exzellente Arbeit. Für das ausgeprägte Machtbewusstsein der Arbeitnehmervertreter hat Porsche dagegen wenig übrig: "Es muss der Vorstand führen", sagt er. "Es kann nicht der Betriebsrat führen."

Es sieht nicht danach aus, als ob es in Zukunft ruhig würde in Wolfsburg.

Die Ch ronik des VW-Skandals

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