Audi im VW-Abgasskandal Nachteil durch Technik

Logos von Audi und VW
Foto: Julian Stratenschulte/ picture alliance / dpaEr ist einer der wichtigsten Männer im Volkswagen-Konzern. Doch der Skandal um manipulierte Abgasmessungen bei Dieselmodellen brachte Audi-Chef Rupert Stadler bisher nicht in Bedrängnis. Audi bestritt stets, manipuliert zu haben, ebenso wie Porsche. Sorgsam achtete Volkswagen darauf, die beiden Vorzeigemarken - Gewinnbringer und technologische Aushängeschilder gleichermaßen - aus der Abgasaffäre herauszuhalten.
Doch zumindest in Bezug auf Audi beginnt die Weiße-Weste-Strategie bedenklich zu bröckeln. Neue Erkenntnisse der Ermittler in den USA und Europa drohen auch Audis Management zu belasten. Deutlich macht das der bevorstehende Abgang von Entwicklungsvorstand Stefan Knirsch, der als Hoffnungsträger galt. Erst seit Anfang des Jahres im Amt, sollte Knirsch mithelfen, Audi wieder in Einklang mit seinem Claim "Vorsprung durch Technik" zu bringen.
Nun jedoch verhandelt das Unternehmen mit Knirsch über ein Ausscheiden - wegen möglicher Mitwisserschaft in der Abgasaffäre. Entsprechende Vorwürfe der im Auftrag des VW-Konzerns ermittelnden Kanzlei Jones Day sollen Audi dazu bewogen haben. "Das belastet uns schwer", sagt ein Audi-Manager. "Knirschs Abgang ist ein harter Schlag." Sogar Audi-Chef Stadler selbst wurde von Jones Day zur Befragung vorgeladen.

Audi-Chef Rupert Stadler
Foto: DPADie neuen Vorwürfe basieren auch auf Korrespondenz von Audi-Mitarbeitern, die vor allem im Zuge der Ermittlungen in den USA auftauchten. Sie geben Hinweise darauf, dass die VW-Tochter möglicherweise doch ihre Drei-Liter-Dieselmodelle manipuliert hat - und dass Audi-Manager zumindest davon wussten:
- So warnte nach Informationen von SPIEGEL ONLINE im Mai 2008 ein Audi-Ingenieur in einer E-Mail an den VW-Entwicklungspartner Bosch davor, US-Behörden zu viel Informationen über eine Software der VW-Tochter zu geben, mit der sich der Schadstoffausstoß von Dieselmotoren auf dem Prüfstand regulieren ließ.
Bei der Software handelt es sich - anders als im Fall VW - um eine Zusatzfunktion zur Emissionskontrolle, kurz AECD. Sie kann Temperatur, Geschwindigkeit, Umdrehungszahl oder den eingelegten Gang erkennen und die Emissionskontrolle abschalten - und zwar völlig legal, etwa bei kaltem Wetter oder starken Steigungen. Die US-Umweltschutzbehörde EPA warf dem Unternehmen bereits vor längerer Zeit vor, damit bei den Messungen auf dem Prüfstand zu tricksen. Audi wies dies zurück.
- Der Kanzlei Jones Day liegt laut "Süddeutscher Zeitung" zudem eine E-Mail aus dem Jahr 2007 vor, in der ein Audi-Ingenieur Managern schrieb, "ganz ohne bescheißen", werde man es nicht schaffen, die US-Stickoxidnormen einzuhalten.
Noch müssen die Ermittler der Führungsspitze nachweisen, dass sie tatsächlich von den Manipulationen wusste - und etwa E-Mails wie diese auch erhielt. Mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen wollte ein Audi-Sprecher keine Stellungnahme abgeben.
Doch bereits jetzt ist klar - Audi verbindet viel mit der VW-Abgasaffäre:
KEIMZELLE DES BETRUGS
Die Ingolstädter VW-Tochter ist gewissermaßen die Keimzelle der Dieselaffäre, weil Audi-Ingenieure die technische Grundlage für die Schummelsoftware legten, die Volkswagens Dieselmodelle später bei Tests schadstoffärmer aussehen ließen, als sie tatsächlich waren. Bereits 1999 hatte Audi eine "Akustikfunktion" für die Motorsteuerung entwickelt, die das laute Geräusch der Dieselantriebe dämpfen sollte - allerdings erhöhte sie die Abgaswerte. Audi-Techniker passten, so die Vorwürfe der New Yorker Staatsanwaltschaft, die Software so an, dass die Abgasnormen eingehalten wurden - allerdings nur im Testbetrieb. Von 2004 bis 2008 soll diese Abschalteinrichtung in Europa genutzt worden sein.
Als VWs Entwickler später vor dem Problem standen, dass ihre Zwei-Liter-Dieselmodelle zu hohe Stickoxidwerte ausstießen, erinnerten sie sich offenbar an die alte Akustikfunktion aus dem Hause Audi - und setzten sie abgewandelt selbst ein.
Der Gedanke lag nahe, schließlich kannten viele von ihnen Audis Software:
INGENIEUR-TRANSFERS ZWISCHEN AUDI UND VW
Als der frühere Audi-Chef Martin Winterkorn an die VW-Spitze aufstieg, nahm er viele seiner Ingenieure mit. Etwa den getreuen Ulrich Hackenberg, der erst Jahre später wieder als Entwicklungschef zur Audi zurückkehrte. Auch der Winterkorn-Vertraute Wolfgang Hatz und der Audi-Entwickler Rudolf Krebs wechselten zum Mutterkonzern. Alle drei mussten im Zuge der Affäre den Konzern verlassen.
Autoexperten können sich bei einer Manipulation dieses Ausmaßes kaum vorstellen, dass die Führungsspitze nichts wusste. "Die ursprüngliche Argumentation von Volkswagen, dass nur ein kleiner Teil der Leute etwas wusste, ist angesichts der Top-Manager, die den Konzern schon verlassen mussten, bereits nicht mehr haltbar", sagt Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Gerade die Detailversessenheit des ingenieurgetriebenen VW-Konzerns, dessen einstiger Konzernchef Martin Winterkorn sich selbst um kleinste Technikthemen kümmerte, schürt branchenweit Zweifel.
HARTNÄCKIGE US-JUSTIZ
Während Volkswagen die Manipulationen bei rund zehn Millionen Dieselautos zugab und sich mit rund 15 Milliarden Dollar in einem Vergleich mit US-Behörden und Privatklägern freigekauft hat, wies Audi bislang jegliche Manipulationsvorwürfe zurück. Das Management gab lediglich an, Software bei der US-Zulassung nicht alle Details ausreichend deklariert und offengelegt zu haben. Umso aggressiver ist der Ton, den die US-Justiz gegenüber Audi anschlägt - und die Vehemenz, mit der sie Schuldige ausfindig zu machen sucht.
Jüngst hatte sich zudem ein VW-Ingenieur den US-Behörden gestellt und für schuldig bekannt. Er sicherte seine Kooperation zu, um weiteres Licht ins Dickicht des Abgasskandals und seiner Verantwortlichen zu bringen.
Noch ist unklar, welche Informationen er beisteuern kann - und wen er belasten wird.