Abgasexperimente Automanager sollen Affentest gebilligt haben
Möglichst unbedarft geben sich deutsche Autokonzerne angesichts der aufgeflogenen Abgasexperimente. Größtmögliche Distanz versuchen Volkswagen und Daimler zu den Tests an Affen und Menschen zu wahren. Als "unethisch und abstoßend" prangert VW-Chef Matthias Müller die US-Versuche an Primaten an. Daimler gibt sich "über das Ausmaß der Studien und deren Durchführung erschüttert".
Dabei waren mehrere Konzernmanager nach SPIEGEL-Informationen über Details innerhalb der von den Autoherstellern finanzierten Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT) bestens informiert. Die Autohersteller betonen allerdings unisono, dass ihre Vorstandsriegen von den umstrittenen Studien nichts wussten.
"Natürlich haben die Autohersteller von den Tests an Affen und menschlichen Probanden gewusst. Die jetzige Reaktion der Autovorstände ist für mich daher nicht nachvollziehbar", sagt Helmut Greim, der früher an der Technischen Universität München gelehrt hatte und in dem Lobbyverein Vorsitzender des Forschungsbeirats war, auf Nachfrage. Der mit Vertretern der drei Autokonzerne besetzte EUGT-Vorstand habe "an fast allen Sitzungen des wissenschaftlichen Beirats teilgenommen". Auch ein anderes ehemaliges Beiratsmitglied bestätigte dies. Alles sei "vorbildlich abgelaufen".
Der wissenschaftliche Beirat hat laut Greim drei- bis viermal im Jahr getagt. Dort sei über den Stand laufender Untersuchungen berichtet worden, sowie über geplante Studien und weitere Vorhaben. "Die Vorstände haben natürlich schon mal ihre Meinung zu Vorhaben des EUGT gesagt, auch ob man etwas aus ihrer Sicht machen sollte oder nicht. Im Fall der Versuche mit Affen und Menschen gab es jedoch keine Einwände", erinnert sich Greim.
Die Forscher in den USA, die von dem EUGT finanziert wurden, wollten anhand von Affenexperimenten zeigen, dass die Schadstoffe der neuen Dieselmotoren unproblematisch seien und ließen die Primaten dafür Abgase eines VW-Beetle einatmen. An der Universität Aachen testeten Forscher, wie sich Stickstoffdioxid auf Menschen auswirkt.
Keine Probleme gesehen

Daimler-Chef Dieter Zetsche und VW-Chef Matthias Müller (Archiv)
Foto: Steffi Loos/ Getty ImagesGreim hält die Experimente auch heute für unproblematisch. "Es klingt für Laien vielleicht absonderlich, aber Affenstudien werden überall gemacht. Für bestimmte Fragestellungen sind solche Versuche sehr relevant und aussagefähig." Man habe testen wollen, ob die Wirkung neuer Dieselmotoren mit denen alter Motoren überhaupt vergleichbar sei. Allerdings kam später heraus, dass der verwendete Beetle einen manipulierten Diesel hatte - und die Ergebnisse der Experimente wurden nie veröffentlicht.
Greim gilt Umweltschützern seit jeher als rotes Tuch. So betont er auch heute, die aus seiner Sicht niedrigen Stickoxid-Grenzwerte in Deutschland seien aus toxikologischer Sicht nicht plausibel.
"Nicht die Bremse gezogen"
Bislang räumt nur der Autokonzern BMW, der sich von den Studien distanziert, eine eigene Verantwortung bei den EUGT-Vorgängen ein: "Wir müssen uns schon vorwerfen lassen, dass wir nicht in dem Moment, als es um die Tests ging, die Bremse gezogen haben", sagt ein Konzernsprecher. Die Gründe dafür würden jetzt untersucht.
VW hat angesichts des erneuten Skandals um Abgase, in den der Wolfsburger Konzern wieder einmal verstrickt ist, nun öffentlichkeitswirksam den Leiter für Außenbeziehungen und Nachhaltigkeit, Thomas Steg, beurlaubt - bis die Vorgänge aufgeklärt sind. Er hatte in der "Bild"-Zeitung gesagt, selbst über die Studien informiert gewesen zu sein, aber den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn nicht in Kenntnis gesetzt zu haben. Was vor seinem Start bei VW, vor 2011, passiert sei, davon wisse er allerdings nicht.
Hinweise auf das Vorgehen des EUGT konnten die Hersteller - und die Politik - auch so haben. Ende August 2016 sagte Greim vor dem Abgasuntersuchungsausschuss des Bundestags aus und verwies dabei auf Ergebnisse aus Versuchen mit den Primaten und Testpersonen - ohne jemanden aufzuschrecken. In einem Report berichtete der Verein seinen Trägern zudem über die Projekte zwischen 2012 und 2015. Enthalten waren dort die Inhalationsexperimente mit Affen sowie Menschen.
Umstrittener Ex-VW-Manager ist Liquidator des EUGT
Gerade der VW-Konzern hat offenbar einen maßgeblichen Anteil am Vorgehen des Vereins. Zwar stellt Konzernchef Müller das Unternehmen als einen von mehreren im Verbund der Finanzierer des Vereins dar und sagt: "Mir tut es leid, dass Volkswagen als einer der Träger der EUGT an diesen Vorgängen beteiligt war." Doch nicht nur die Auswahl des VW-Beetle statt eines Smart oder Mini bei den US-Experimenten gibt einen Hinweis. Auch war der VW-Arbeitsmediziner Michael Spallek als Geschäftsführer zum EUGT gegangen.
Am 25. November 2016 beschloss die Mitgliederversammlung, die Vereinigung EUGT aufzulösen. Angesichts des Dieselskandals sahen die Verantwortlichen das Vorgehen des EUGT kritisch. "Solche Initiativen waren da nicht mehr hilfreich", heißt es bei einem Autokonzern.
Als Liquidator wurde nach SPIEGEL-Informationen ausgerechnet ein Rechtsanwalt eingesetzt, der mit VW eng verbunden ist: Reinhold Kopp, einstiger Wirtschaftsminister des Saarlands und bis 2007 Cheflobbyist des Wolfsburger Autokonzerns. Er verwahrt nun sämtliche EUGT-Dokumente. Stellung nahm Kopp, der seit seiner Zeit im VW-Konzern als Jurist in Berlin arbeitet, auf Anfrage nicht dazu.
Mitarbeit: Wolfgang Messner