VW-Hauptversammlung Piëch kurz vor der Heiligsprechung

VW-Hauptversammlung: Piëch kurz vor der Heiligsprechung
Foto: Sean Gallup/ Getty ImagesFast scheint es, als stünde Ferdinand Piëch auf der Hauptversammlung kurz vor der Heiligsprechung, so sehr bemühen sich Vorstandschef Martin Winterkorn und andere VW-Größen, Piëchs Verdienste zu würdigen. Unverkennbare Botschaft: Der Machtkampf ist beendet, der Blick geht nach vorn.
Piëchs Abgang bedeutet eine Zeitenwende für VW. Sichtbar wird dies am Dienstagmorgen kurz vor dem Aktionärstreffen in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Wie immer präsentiert Volkswagen vor dem Saal seine Autos, ein Modell des Zwölf-Marken-Konzerns reiht sich ans nächste.
Doch es ist nichts mehr wie früher. Nun heißt es: Trio statt Duo, Porsche statt Piëch. Beim Rundgang über die Ausstellung hat Winterkorn eine ungewohnte Begleitung an der Seite. Er wird flankiert von Wolfgang Porsche und Hans Michel Piëch - immerhin ein Piëch ist also dabei.
Viel Beifall der Aktionäre
Wolfgang Porsche - und noch mehr Hans Michel Piëch - hatten sich bisher im Hintergrund gehalten. Nun stehen sie im Mittelpunkt, nachdem das frühere Machtzentrum Ferdinand Piëch in der Krise weggebrochen ist - und das in einer Zeit, in der das Unternehmen nicht nur personell im Umbruch steckt, sondern auch strategisch und strukturell.

VW-Hauptversammlung: Piëch kurz vor der Heiligsprechung
Trotz des ganzes Dramas, in dem Piëch seine Attacken auf Winterkorn ritt, treten die Gewinner des Machtkampfes nicht nach. Im Gegenteil: Sie würdigen Piëchs Verdienste - unter dem Beifall der Aktionäre. VW-Chef Winterkorn sagt: "Ferdinand Piëch hat die Automobilindustrie in den vergangenen fünf Jahrzehnten geprägt wie kein Zweiter - als Unternehmer, als Ingenieur, als mutiger Visionär. Dieser Konzern und seine Menschen - und auch ich - haben Herrn Dr. Piëch sehr viel zu verdanken."
"Wir alle haben die Situation nicht haben wollen"
Gut drei Wochen lang tobte der Machtkampf zwischen Piëch, 78, und seinem beruflichen Ziehsohn Winterkorn. Lange sah es aus, als sei der 67-jährige Konzernboss erledigt und werde den Angriff des Patriarchen nicht überstehen. Inzwischen weiß es die Autowelt besser.
Einen entsprechend gelösten Eindruck macht der Vorstandschef beim Gang über die Autoschau. "Sehr souverän" wirke Winterkorn, sagt Niedersachsens Regierungschef und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil (SPD). Wenn es VW gut gehe, gehe es dem Land gut - nach dieser Maxime habe er gehandelt, sagt Weil, der das Land als Großaktionär vertritt.
Es sei eine Klärung notwendig gewesen, argumentiert der Sozialdemokrat mit Blick auf den Machtkampf: "Wir alle haben die Situation nicht haben wollen, mussten aber damit umgehen." Volkswagen könne sich nun wieder aufs eigentliche Geschäft konzentrieren: Autos bauen und verkaufen.
Doch viele Themen sind noch offen nach dem dreiwöchigen Kräftemessen. Da ist die Frage, wer auf Piëch folgt, auf die keine schnelle Antwort folgen dürfte. Aber außer der personellen Frage gibt es noch weiter reichende Punkte, sie haben mit der Struktur des Riesenkonzerns zu tun. Diese war bisher zentralistisch auf das Erfolgs-Duo Winterkorn-Piëch zugeschnitten.
Kommt die Dezentralisierung?
Dabei lässt noch vor dem Start der Hauptversammlung die Nachricht aufhorchen, dass VW bereits erste Schritte für eine Dezentralisierung seiner Führung unternimmt. Der Konzern bündelt sein Geschäft mit den Nutzfahrzeug-Töchtern MAN und Scania in einer eigenständigen Holding. Diese Art Konzern im Konzern soll eine "engere Vernetzung der Marken, kürzere Entscheidungswege und mehr Tempo" ermöglichen.
Könnte ein solches Delegieren von Teilen der Macht auf eine mittlere Ebene als Blaupause für weitere Teile des Konzerns dienen? "Wir brauchen klare Strukturen, um in den einzelnen Bereichen schnell und flexibel handeln zu können", fordert Betriebsratschef Bernd Osterloh.
Das Holding-Modell dürfte Schule machen für weitere Fahrzeugfamilien wie die Pkw aus dem Volumengeschäft für die Massen: VW, Skoda und Seat. Oder für die Luxusmarken rund um Porsche, Audi und Lamborghini sowie Bentley und Bugatti. Dabei geht es nicht zuletzt um die interne Abgrenzung der Marken, damit sie sich nicht zu sehr kannibalisieren. Und alles dreht sich um die Frage, welche Modelle man braucht, um den Weltmarktführer Toyota abzulösen.
Eine bemerkenswerte Szene: Beim Rundgang kommt der Winterkorn-Tross zum Stand der Luxustochter Bugatti. Deren Chef Wolfgang Dürheimer erklärt "das absolute Spitzenprodukt des Konzerns", einen Bugatti Veyron. Als er von den Geschwindigkeitsweltrekorden berichtet - der Veyron bringt es auf 432 Stundenkilometer - flüstert Ministerpräsident Weil einem Nachbarn ironisch zu: "Der passt ja besonders gut in eine Tempo-30-Zone."
Der Veyron schluckt innerorts 42 Liter auf 100 Kilometer. Die Zukunft gehört jedoch Autos, die die strikten Abgasvorgaben schaffen und sich mit alternativen Antrieben auf die Endlichkeit des Öls einstellen. Dabei könnte Volkswagen nun einer fehlen, den sie alle als Visionär loben.