Zu wenig Investitionen Bahnvorstand sieht Schienennetz an »Kipppunkt«

Bahnarbeiten in Berlin
Foto: Christoph Soeder / dpaDeutschlands Bahnnetz steht an einem kritischen Punkt, warnt Michael Peterson, im Vorstand der Bahn zuständig für den Personenfernverkehr. Es sei über Jahrzehnte so wenig investiert worden, sodass sich die Schieneninfrastruktur einem gefährlichen »Kipppunkt« nähere. Unter einem Kipppunkt versteht man den Punkt, ab dem sich ein zuvor schrittweiser Prozess unkontrolliert beschleunigt. Im Falle der Bahn würde das also heißen: Das Netz wird nicht mehr wie bisher sukzessive schlechter, sondern geht viel schneller kaputt.
Bereits seit den 1970er-Jahren sei zu wenig in den Schienenverkehr investiert worden, sagte der Fernverkehrschef in einem Interview der Wochenzeitung »Die Zeit«. Stattdessen habe die Vorgabe gegolten, den »Bahnbetrieb auf Effizienz zu trimmen«. Viele Probleme seien »das Resultat der Unterfinanzierung, die bislang unsere Arbeit bestimmt hat«.
»Das würde kein Mensch so machen«
Bei den Reparaturarbeiten habe es teils chaotische Zustände gegeben: »2020 und 2021 haben wir die Strecke Köln-Düsseldorf viermal in zwei Jahren gesperrt. Weil wir einmal den Oberbau neu gemacht haben, einmal die Oberleitung, einmal die Weichen und einmal das Stellwerk. Das wäre dasselbe, als wenn Sie für Ihr Badezimmer beschließen: Erst lege ich die Fliesen neu, in drei Monaten mache ich neue Leitungen, in sechs Monaten wechsle ich das Waschbecken aus. Die Dusche machen wir in zwei Jahren. Das würde kein Mensch so machen. Wir waren aber gezwungen, so zu handeln.«
Statt wie bislang immer wieder kleinteilig zu reparieren, gebe es nun aber ein Generalsanierungskonzept. »Stück für Stück werden die wichtigsten Bahnstrecken gesperrt und komplett neu hergerichtet«, sagte Peterson. Bis 2029 werde sich die Lage in ganz Deutschland extrem verbessert haben. Das könne er garantieren.
Mit Blick auf die zahlreichen Kundenbeschwerden sagte Peterson, auch er sei mit der angebotenen Qualität der Deutschen Bahn nicht zufrieden. »Es entspricht nicht dem Anspruch an die Bahn, die wir Deutschland bieten wollen. Auch nicht dem, was die Menschen in Deutschland verdient haben.« In dem Gespräch äußerte Peterson Verständnis für den Unmut vieler Passagiere. Allerdings sei »die Grenze erträglicher Kritik endgültig überschritten, wenn Bahnpersonal persönlich angegriffen wird.«