Schmutziger Handel mit CO2-Zertifikaten Spur im Deutsche-Bank-Skandal führt nach London

Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt: Warnungen eines britischen Steuerfahnders
Foto: Hannelore Foerster/ Getty ImagesHamburg - Für die Konkurrenz der Deutschen Bank war der Vorschlag gleich verdächtig. "Das Geschäft stinkt doch", habe sein Mandant von mehreren Bankmanagern zu hören bekommen, erzählt Detlev Stoffels. Der Paderborner Anwalt vertritt einen britischen Geschäftsmann, der im großen Stil beim Handel mit Emissionszertifikaten betrogen haben soll. Sein Mandant sei mit seinen Geschäftsvorschlägen bei einigen Geldhäusern abgeblitzt, sagt Stoffels. Doch dann habe er einen Tipp bekommen: Bei der Deutschen Bank sei das alles kein Problem. Und tatsächlich: Mit Hilfe des Geldhauses konnte er die Zertifikate rasch an einen deutschen Partner verkaufen.
Stoffels Mandant ist einer von sechs Akteuren in einem der größten deutschen Wirtschaftsprozesse. Die Männer verschiedener Nationalitäten wurden im Dezember 2011 zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Sie hatten weitgehend gestanden, Steuern in Höhe von mindestens 230 Millionen Euro hinterzogen zu haben. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt, endgültig muss der Bundesgerichtshof über die Sache entscheiden.
Jetzt werden die Männer zu einer der größten Belastungen für die Deutsche Bank. Am Mittwoch geriet das Institut in den Mittelpunkt der Ermittlungen. Die Zentrale in Frankfurt wurde stundenlang durchsucht, 25 Mitarbeiter des Geldhauses werden der schweren Steuerhinterziehung, der Geldwäsche und der versuchten Strafvereitelung beschuldigt. Auch gegen Jürgen Fitschen, einen der beiden Konzernchefs, wird ermittelt. Er hatte die fragwürdige Umsatzsteuererklärung von 2009 unterzeichnet, in der die Bank 310 Millionen Euro Steuerrückerstattung geltend gemacht hatte. Der Konzern gibt an, diese Erklärung bereits vor längerer Zeit und damit "rechtzeitig korrigiert" zu haben.
Doch bereits im Verfahren gegen die sechs Privatleute waren in den Jahren 2010 und 2011 Vorwürfe laut geworden, die Deutsche Bank habe den illegalen Zertifikatehandel erst richtig in Schwung gebracht. Ohne die Mitwirkung der größten deutschen Bank hätten die Betrügereien nie stattfinden können, sagte etwa Oberstaatsanwalt Thomas Gonder.
Dennoch wurden die Deutsche-Bank-Mitarbeiter in dem Verfahren zunächst nicht angeklagt. Mindestens fünf von ihnen sind jedoch mittlerweile vom Dienst suspendiert worden. Die Ermittler sind überzeugt, dass sie sich bereitwillig als Käufer der Emissionsrechte zur Verfügung stellten, mit denen Hunderte Millionen Euro Umsatzsteuer hinterzogen wurden.
Formal zuständig für die Geschäfte war im Vorstand der damalige Chef des Investmentbankings, Anshu Jain. Der Manager führt mittlerweile gemeinsam mit Fitschen die Bank. Jain ist von den Ermittlungen nicht betroffen. Doch der Ärger mit der Justiz lässt auch ihn in einem schlechten Licht erscheinen. Schließlich ist es nicht das erste Mal, dass Jains Leute der Bank juristischen Ärger einbrocken. Auch die fragwürdigen Hypothekengeschäfte in den USA und die angeblichen Zinsmanipulationen fielen in seinen ehemaligen Verantwortungsbereich.
Wie funktionierte der Betrug konkret? Die sogenannten Karussellgeschäfte basieren auf der Regelung, dass Verkäufe innerhalb der EU, die über Staatsgrenzen hinweg ablaufen, von der Umsatzsteuer befreit sind. Ein deutsches Unternehmen kaufte von einem ausländischen Partner Zertifikate mehrwertsteuerfrei. Bei der Meldung ans Finanzamt wurde aber angegeben, Umsatzsteuer in Millionenhöhe entrichtet zu haben. Dieses Geld holte sich der Käufer dann vom Staat wieder - obwohl der Fiskus nie einen Euro davon gesehen hatte.
Bei den Emissionszertifikaten kommt ein weiterer Vorteil dazu: Da sie rein elektronisch gehandelt werden, muss die Ware nicht quer durch Europa gefahren werden, wie dies bei Betrügereien mit herkömmlichen Produkten der Fall ist.
Warnung der britischen Steuerfahnder
Und was hatte die Deutsche Bank damit zu tun? Die Ermittlungsakten, die SPIEGEL ONLINE vorliegen, zeichnen ein unvorteilhaftes Bild von der Rolle des größten deutschen Kreditinstituts. Einer der Drahtzieher des Steuerbetrugs nannte den Ermittlern einen Hintermann namens "Sunny". Dieser könne über einen Kontakt bei der Deutschen Bank in London dafür sorgen, dass man ein Konto in Frankfurt bekomme, worüber man die Geschäfte abwickeln könnte. Er habe da einen "Zauberstab". Konnten die Betrüger also über Jains Investmentbanker in London Druck ausüben, um ein Konto bei der deutschen Zentrale zu bekommen?
Interessant ist auch die Aussage eines britischen Steuerfahnders: Roderick Stone von der Steuer- und Zollbehörde HMRC teilte den deutschen Ermittlern mit, er habe die Deutsche Bank wiederholt gewarnt, dass es beim Kauf von Emissionszertifikaten zu "vorsätzlich verursachten Steuerschäden" gekommen sei. In der Erklärung von Stone, die SPIEGEL ONLINE vorliegt, heißt es: "Das erste Treffen mit der Deutschen Bank AG fand am 18. November 2009 statt." Er habe den Bankmanagern gesagt, er gehe davon aus, dass "85 bis 95 Prozent des Handels mit Emissionszertifikaten mit Betrugskriminalität behaftet" seien. Später soll er die Deutsche Bank mehrfach vor einem großen Kunden, der SVS Securities PLC, gewarnt haben.
Die Deutsche Bank wollte zu den Vorwürfen auf Anfrage keine Stellung nehmen. Am Mittwoch hatte sie mitgeteilt, sie kooperiere weiter "vollumfänglich mit den Behörden". Wie tief die Deutsche Bank wirklich in die Geschäfte des Betrügerrings verwickelt war, wird sich womöglich bei den neuesten Ermittlungen zeigen. Dabei haben die Ermittler dem Vernehmen nach nicht nur Händler der Bank, sondern auch Fachleute für Steuerrecht und IT-Experten ins Visier genommen.