Wiederaufbau Deutsche Firmen rangeln um Geschäfte in Libyen

Wintershall-Ölleitung in der Libyschen Wüste vor dem Aufstand: Hoffnung auf lukrativen Wiederaufbau
Foto: DB Wintershall/ picture alliance / dpaHamburg - Es war eine kühne Aktion: Vor drei Wochen machte sich Hans Meier-Ewert auf den Weg ins Kriegsland Libyen. Der Geschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft hatte Vertreter von rund 20 Unternehmen im Schlepptau. Schon die Anreise war abenteuerlich. Linienflüge nach Tripolis sind längst gestrichen. Die Bundesregierung organisierte eine Transall-Maschine. Angeführt wurde die Delegation von Hans-Joachim Otto, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.
In der Rebellen-Hochburg Bengasi traf sich die Gruppe aus Deutschland mit Vertretern des Nationalen Übergangsrates und der Zentralbank. Man übergab auch Hilfsgüter an Krankenhäuser. Doch die Reise war keine Wohltätigkeitsfahrt. Dahinter steckten vor allem wirtschaftliche Interessen.
Zwar ist Diktator Muammar al-Gaddafi noch auf der Flucht und auch die Kämpfe zwischen seinen Anhängern und den Aufständischen laufen noch - doch Unternehmen weltweit bringen sich in Libyen bereits in Stellung. Denn der erhoffte Wiederaufbau birgt große wirtschaftliche Chancen.
"Wenn Öl und Gas wieder sprudeln, ist Libyen ein reiches Land", sagt Meier-Ewert. Der nordafrikanische Staat ist einer der größten Erdölproduzenten der Welt und hat die größten nachgewiesenen Reserven in ganz Afrika (siehe Grafiken). Mit den Milliardengewinnen aus den Ölverkäufen kann die künftige Regierung den Wiederaufbau finanzieren.
Zu tun gibt es genug: Obwohl das Land reich ist, gilt die Infrastruktur als unterentwickelt. Mit dem hohen Standard in den Golf-Staaten sei sie bei weitem nicht vergleichbar, sagt der Nordafrika-Experte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Felix Neugart. Libyen gleiche da eher Syrien und Ägypten.
Etwa 30 bis 50 deutsche Firmen waren vor dem Krieg direkt mit Niederlassungen oder Ansprechpartnern in dem Land vertreten, schätzen Wirtschaftsverbände. Libyen war schwieriges Terrain: staatliche Unternehmen beherrschten den Markt, Rechtssicherheit gab es unter Gaddafi nicht. Viele Firmen warten heute noch auf Geld.

Libyen: Öl und Gas als Rückgrat der Wirtschaft
Nun setzen die Unternehmen auf die künftige Regierung - und erhoffen sich bessere Bedingungen. Beim Treffen in Bengasi habe der Übergangsrat versichert, das Land solle künftig eine starke Privatwirtschaft bekommen, berichtet Meier-Ewert. Bestehende Verträge aus der Zeit der alten Regierung sollen wohl eingehalten werden. Exil-Libyer mit internationaler Erfahrung wollten in ihre Heimat zurückkehren. "Das macht alles einen sehr guten Eindruck."
Das bleibt allerdings auch Unternehmen aus anderen Ländern nicht verborgen. Manche Konzerne riskieren einiges, um im Wettlauf um den Wiederaufbau ganz vorne dabei zu sein. Der italienische Ölkonzern Eni will unbedingt seine Stellung als größter ausländischer Produzent in Libyen halten. Noch bevor die Aufständischen in Tripolis die Gaddafi-Residenz gestürmt hatten, begannen Eni-Techniker bereits mit den Vorbereitungen für die Wiederaufnahme der Förderung.
Die italienische Regierung unterstützt die Unternehmen ihres Landes. Ministerpräsident Silvio Berlusconi will am Donnerstag den libyschen Rebellenführer Mahmud Dschibril treffen. Auch der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy wird Dschibril empfangen.
Westerwelle hofiert die Aufständischen
Als erstes Land hatte Frankreich im März den Übergangsrat der Rebellen als einzige Vertretung Libyens anerkannt. Nun will Sarkozy davon profitieren - und beim Wiederaufbau den Ton mit angeben. "Natürlich ist zu vermuten, dass es eine gewisse politische Dankbarkeit geben wird", sagt Afrika-Experte Meier-Ewert. Für deutsche Firmen hieße das nichts Gutes. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung der Uno-Sicherheitsratsresolution, die den Nato-Einsatz in Libyen erlaubte, als einziger EU-Staat enthalten. Auch Brasilien, Indien, Russland und China stimmten nicht für einen Militäreinsatz gegen das Gaddafi-Regime.
Die Regierung in Peking - einst ein wichtiger Wirtschaftspartner Gaddafis - bekommt den Ärger der Rebellen schon zu spüren. China will am Wiederaufbau in Libyen mitverdienen - doch ein Rebellenvertreter drohte der Volksrepublik bereits mit der Kündigung von Ölverträgen.

Ölfelder in Libyen: Konzerne hoffen auf Wiederaufbau
Foto: SPIEGEL ONLINEDamit sich die militärische Zurückhaltung Deutschlands im Kampf gegen Gaddafi für einheimische Unternehmen bei Auftragsvergaben nicht rächt, umschmeichelt Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bereits die Aufständischen. "Wir werden Libyen mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn das gewünscht wird", sagte er. Die Bundesregierung hat dem Übergangsrat bereits Kredite über 100 Millionen Euro zugesagt. Zudem liegen in Deutschland eingefrorene Gaddafi-Gelder. Westerwelle fordert eine schnelle Freigabe der 7,3 Milliarden Euro.
"Zumindest mittelfristig dürfte die deutsche Wirtschaft keine Nachteile haben", hofft DIHK-Experte Neugart. "Produkte made in Germany und deutsche Ingenieursleistungen sind gefragt. Wichtig ist, dass Ausschreibungen und die Vergabe von Projekten transparent und nach internationalen Standards ablaufen."
Politische Stabilität und Rechtssicherheit seien die wichtigsten Voraussetzungen für künftige Geschäfte in Libyen, sagen Wirtschaftsvertreter. Ihre Umsetzung werde darüber entscheiden, wie schnell und in welchem Ausmaß die deutschen Unternehmen in das Land zurückkehren.
Im Frühjahr hatten Firmen ihre Mitarbeiter aus Sicherheitsgründen abgezogen. "Derzeit ist es noch zu früh zu sagen, wann, wie und unter welchen Voraussetzungen die Produktion in Libyen wieder aufgenommen werden kann", heißt es bei der BASF -Tochterfirma Wintershall. Der Erdölproduzent ist seit 1958 in Libyen tätig.
Der Krieg hat auch den Bau einer Autobahn unterbrochen, an dem der deutsche Baukonzern Strabag beteiligt ist. Die Firma will nun im Herbst ein Team nach Libyen schicken, um die Lage zu erkunden. Die RWE -Tochter Dea bohrte in dem Land nach Öl und setzt darauf, dass die künftige Regierung die bestehenden Verträge einhält. Schließlich trage die Rohstoff-Erkundung zum Wiederaufbau bei, heißt es bei dem Ölförderkonzern.
Um Kontakte zum Übergangsrat zu knüpfen, müssen Unternehmer nicht einmal nach Libyen fahren. Der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft plant zugunsten des Landes eine große Wirtschafts- und Wohltätigkeitsveranstaltung in Berlin. Vertreter des Übergangsrates haben schon zugesagt. Sie sind nun gefragte Leute.