Winzersekt macht Champagner Konkurrenz Deutscher Schaumstoff

Flaschengärung statt Massenware aus dem Tank: Zu Weihnachten und Silvester greifen Deutsche häufig zu heimischen Schaumweinen von hoher Qualität. Sekt wird für französischen Champagner eine echte Konkurrenz.
Foto: Peter Endig/ dpa

Winzersekte gelten als deutsche Konkurrenz zu Champagner und Crémant. Und die Erzeugergemeinschaft Winzersekt erwartet nach der großen Ernte in diesem Jahr wieder eine deutlich steigende Produktion. Im vergangenen Jahr sei die Verarbeitung geringer ausgefallen, da die Erträge der Weinlese 2017 sehr begrenzt gewesen seien, sagt Geschäftsführer Dieter Schmahl.

Winzersekte seien preislich attraktiv, mit einem Marktanteil von drei Prozent und rund neun Millionen Liter aber noch ein Nischenprodukt, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. Allerdings erreicht der Konsum von Winzersekt inzwischen auch fast den von Champagner: Im vergangenen Jahr wurden 9,6 Millionen Liter Champagner nach Deutschland importiert. Das waren rund 14 Prozent aller importierten Schaumweine und 1,3 Prozent mehr als 2016. Insgesamt werden in Deutschland pro Jahr 290 Millionen Liter Sekt verkauft.

Der Umsatz mit Winzersekt lag dabei im Ende August 2018 abgeschlossenen Geschäftsjahr bei rund sechs Millionen Euro. "In diesem Jahr wurde wieder ausreichend geerntet, da wird der Umsatz wieder steigen", sagte Schmahl von der Erzeugergemeinschaft. Der Zusammenschluss von nahezu 1000 Winzern aus den Anbaugebieten Rheinhessen, Rheingau und Nahe erzeugt zu 90 Prozent Sekt in der traditionellen Flaschengärung.

Erzeuger stellen sich auf Wetterschwankungen ein

Nach der eher schlechten Weinernte 2017 und dem trocken-heißen Sommer 2018 müssen sich die Sekterzeuger in Deutschland insgesamt aber auch auf verstärkte Wetterschwankungen einstellen. "Wir verkaufen ein landwirtschaftliches Produkt, man muss in langfristigen Strategien denken", sagte der Chef des deutschen Sektmarktführers Rotkäppchen-Mumm, Christof Queisser. Die Situation werde unberechenbarer. "Man muss krisenfest sein, um so etwas auszupuffern."

Die Sekthersteller setzen den meisten Schaumwein im Dezember ab. Nie knallen so viele Korken wie zu Weihnachten und Neujahr - und in keinem Land so oft wie in Deutschland. Pro Kopf werden laut jüngster Statistik des Deutschen Weininstituts dreieinhalb Liter Schaumwein im Jahr getrunken - allerdings waren es vor fünf Jahren noch vier Liter.

"Die Qualität deutscher Sprudler ist in den letzten Jahren auf geradezu abenteuerliche Weise nach oben gegangen", heißt es im "Vinum Weinguide 2019". Der rheinhessische Winzer Volker Raumland grenzt die deutsche Produktion dennoch zu der in der französischen Champagne ab: "Wir haben unseren eigenen Stil, das ist keine Kopie eines Champagners."

Auch wenn die Art der Herstellung mit der zweiten Gärung in der Flasche die gleiche sei wie in der Champagne, gebe es in Rheinhessen doch ein ganz anderes Terroir, einen eigenen Bodencharakter. "Statt der Kreideböden wie in der Champagne haben wir Muschel- und Algenkalkböden - das ist auch kein schlechtes Terroir." Und klimatisch sei die Champagne im Vergleich zu Rheinhessen eher benachteiligt.

1,02 Euro Schaumweinsteuer pro Flasche

Bei der Henkell-Gruppe in Wiesbaden wird die Konkurrenz von Winzersekten positiv betrachtet. Der Trend gehe zu Qualität, und die Verbraucher seien bereit, auch dafür zu zahlen, sagt der Sprecher der Henkell-Geschäftsführung, Andreas Brokemper. Die Henkell-Sektkellerei, die in diesem Jahr mit der Übernahme des spanischen Herstellers Freixenet ihre internationale Expansion weiter geführt hat, setzt mit der Marke Menger-Krug ebenfalls auf Flaschengärung. Die Gruppe erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 702 Millionen Euro, bei Freixenet waren es 535 Millionen.

Erst Anfang der Achtzigerjahre hatten deutsche Winzer in größerem Stil begonnen, ihren eigenen Wein zu versekten. Er habe 1981 beim Studium in Geisenheim aus 100 Litern Wein den ersten Sekt gemacht, erinnert sich Winzer Raumland.

Bei der traditionellen Flaschengärung wird dem abgefüllten Grundwein eine spezielle Sekthefe zugefügt, die mit hinzugefügtem Zucker eine zweite Gärung auslöst. Mindestens neun Monate lang bleibt die Hefe in der Flasche, wird nach und nach in den Flaschenhals gerüttelt, dort eingefroren und "degorgiert": Unter dem Druck der Kohlensäure schießt der feste Hefepropf heraus. Für ein Bar Druck müssen etwa vier Gramm Zucker vergoren werden. Sekt muss mindestens 3,5 Bar haben, mit 24 Gramm Zucker werden sprudelnde sechs Bar möglich.

Meist kann man schon am Preis erkennen, ob ein Sekt in der Flasche oder im Tank entstanden ist. "Für 2,99 Euro kann man keinen Flaschengärsekt produzieren", sagt Raumland, "da legt man mehrere Euro pro Flasche drauf." Zumal von jeder Flasche 1,02 Euro Schaumweinsteuer an den Staat gehen.

Von Peter Zschunke, dpa/apr

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