Insolvenzverfahren Gläubiger wollen knapp 12,5 Milliarden Euro von Wirecard

In den Insolvenzverfahren des Wirecard-Konzerns haben Gläubiger und Aktionäre hohe Ansprüche angemeldet. Die Wirtschaftsprüfer sollen auch vor dem Bundestag aussagen.
Wirecard-Zentrale in Aschheim bei München: Gläubigerversammlung im Braukeller

Wirecard-Zentrale in Aschheim bei München: Gläubigerversammlung im Braukeller

Foto:

Michael Dalder/ REUTERS

Der insolvente Wirecard-Konzern sieht sich mit Milliardenforderungen seiner Gläubiger konfrontiert. Allein bei der Kerngesellschaft des insolventen Zahlungsabwicklers, die Wirecard AG, sind es knapp 12,5 Milliarden Euro. Die Summe sei bei der Gläubigerversammlung über das Vermögen der in einem Bilanzskandal zusammengebrochenen Firma geltend gemacht worden, teilte das Amtsgericht München mit. Weitere Ansprüche bestehen gegen andere Wirecard-Gesellschaften. Für diese sind am Mittwoch und Donnerstag Treffen der Gläubiger angesetzt.

Die Fondsgesellschaft DWS macht im Insolvenzverfahren Ansprüche von mehr als 600 Millionen Euro geltend. Die Gläubiger dürften allerdings nur einen Bruchteil ihrer Forderungen wiedersehen. Insolvenzverwalter Michael Jaffé berichtete auf der Versammlung im Münchener Löwenbräukeller über den bisherigen Verlauf des Verfahrens, das Ende August eröffnet worden war. Die Versammlung muss innerhalb von drei Monaten nach Beginn des Verfahrens stattfinden. Einige Auslandstöchter hat Jaffé bereits zugunsten der Gläubiger verkauft. Zuletzt schlug er das europäische Kerngeschäft los, den Zuschlag erhielt die spanische Bank Santander.

Aktionäre hoffen auf Schadensersatz

Der ehemalige Dax-Konzern hatte im Juni nach dem Eingeständnis von Phantomgeschäften Insolvenz angemeldet, Banken und Investoren haben nach Berechnungen der Münchener Staatsanwaltschaft mehr als drei Milliarden Euro verloren. Der Insolvenzverwalter hat nach Angaben aus Finanzkreisen mit dem Verkauf von Unternehmensteilen und Technologie bisher etwa eine halbe Milliarde Euro erlöst.

Auch viele Aktionäre haben Forderungen angemeldet. Das teilten Anwälte sowie die Anlegervereinigung DSW mit. Sie hoffen, dass ihnen der Insolvenzverwalter zumindest einen Teil der verlorenen Milliarden in absehbarer Zeit zurückerstattet: »Ich habe Verfahren erlebt mit 14, mit 18, sogar mit 20 Jahren«, sagte der Münchener Rechtsanwalt Peter Mattil, der geschädigte Aktionäre vertritt. »Aber wenn ein Vermögen da ist, das auf die Gläubiger verteilt werden kann, kann das schon nach zwei oder drei Jahren passieren.«

Aktionäre sind rechtlich betrachtet keine Gläubiger eines insolventen Unternehmens, sondern Gesellschafter – als solche gehen sie bei Insolvenzverfahren häufig leer aus. Wenn es sich jedoch wie bei Wirecard um einen großen Betrugsfall handelt, können Aktionäre ihre Schadenersatzforderungen beim Insolvenzverwalter anmelden, wie ein DWS-Sprecher sagte. Die Hauptfrage für Gläubiger und Aktionäre: Mit wie viel Geld können sie jeweils rechnen?

Klar ist: Außer den Verlusten von kreditgebenden Banken, Investoren, Lieferanten und anderer Geschäftspartner, stehen die ungleich höheren Kursverluste der Wirecard-Aktie: Das Unternehmen war bei der Aufnahme in den Dax im September 2018 an der Frankfurter Börse mehr als 23 Milliarden Euro wert, nach der Insolvenz und dem Kurssturz waren es dann weniger als 100 Millionen. Das hat neben institutionellen Anlegern auch sehr viele Kleinaktionäre getroffen.

Wirtschaftsprüfer sollen in Bundestag aussagen dürfen

Unterdessen wächst der Druck auf Ex-Wirecard-Chef Markus Braun. Er ist nach Einschätzung der Münchener Staatsanwaltschaft die zentrale Figur in dem Bilanzbetrugsfall – und könnte nun auch vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags unangenehme Enthüllungen zu befürchten haben. Insolvenzverwalter Jaffé entband nämlich fünf namentlich genannte Vertreter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Ernst & Young und KPMG von ihrer Verschwiegenheitspflicht, wie die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf ein Schreiben an den Bundestagsausschuss berichtet.

Der inhaftierte Ex-Wirecard-Chef Markus Braun, der am Donnerstag persönlich vor dem Ausschuss aussagen soll, unterliege keiner Verschwiegenheitspflicht. Von den E&Y-Prüfern wird eine Erklärung erwartet, warum sie 1,9 Milliarden Euro nicht existierendes Cash bestätigt haben.

Braun war im Juni zurückgetreten, nachdem ein entsprechender Fehlbetrag in der Bilanz entdeckt worden war. Die Staatsanwaltschaft München wirft Braun und weiteren Wirecard-Managern gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. 

apr/Reuters/dpa
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten