Kontakte ins Kanzleramt Als es noch »einfach passte« mit Wirecard

Wieso konnte Wirecard sogar die Kanzlerin einspannen? Merkels Wirtschaftsberater berichtet im Untersuchungsausschuss vom Tagesgeschäft mit Lobbyisten – und einer außergewöhnlichen Rolle seiner Ehefrau.
Merkel-Berater Röller nach seiner Befragung im Wirecard-Ausschuss

Merkel-Berater Röller nach seiner Befragung im Wirecard-Ausschuss

Foto: Fabian Sommer / dpa

Als »absolutes Tagesgeschäft« hat der oberste Wirtschaftsberater von Angela Merkel (CDU) im Wirecard-Untersuchungsausschuss die Lobbyarbeit des Skandalkonzerns bezeichnet. Solche Kontakte zu Unternehmen seien grundsätzlich legitim, sagte Lars-Hendrik Röller weiter. »Die Beamten entscheiden ja nicht, sondern wir bereiten das nur vor.«

Auch auf eine Chinareise im September 2019 wurde Merkel von ihren Beamten vorbereitet. Dabei setzte sie sich für eine Übernahme des chinesischen Unternehmens Allscore durch Wirecard ein. Zuvor hatte der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) das Geschäft bei einem Treffen mit Merkel erwähnt. »Thema ist durch die Chefin an­ge­spro­chen wor­den«, schrieb Röller nach der Reise an Guttenberg. »Bitte hal­ten Sie mich auf dem Lau­fen­den. Ich werde das auch wei­ter flan­kie­ren.«

Aus heutiger Sicht ein peinlicher Vorgang, schließlich ist Wirecard inzwischen pleite und in den größten Bilanzskandal der Nachkriegsgeschichte verwickelt. Warnhinweise, die es zum Zeitpunkt von Merkels Reise bereits zu Unregelmäßigkeiten bei Wirecard gab, wurden offenbar nicht wahr- oder ernst genommen. »Warum haben wir diese Information nicht gehabt?«, fragt auch Röller heute.

Grundsätzlich aber blieb der Spitzenbeamte bei der Argumentation, die zuvor bereits andere Regierungsvertreter den Abgeordneten vortrugen. Unterstützung, wie sie Wirecard erhielt, war demnach normaler Teil der Außenwirtschaftsförderung. Der Zahlungsdienstleister habe keine Sonderbehandlung erhalten, sagte Röller. »Es hat einfach gepasst.«

Doch mit dieser Erklärung sind auch Vertreter der Regierungsparteien nicht wirklich glücklich. Auf die Frage, was in China passierte, habe er »einfach keine Antwort« erhalten, sagte der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach gegen Ende von Röllers Befragung.

»Schon auch mal mit den Leuten treffen«

Die Ausschussmitglieder beschäftigt unter anderem die Frage, wieso Wirecards mittlerweile inhaftierter Ex-Chef Markus Braun mit der Bitte um ein persönliches Treffen mit Merkel abblitzte. Als Alternative wurde dem Österreicher ein Termin mit Röller angeboten, den er jedoch ausschlug. Röller kam zudem mit anderen Wirecard-Vertretern zusammen, darunter der frühere Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche. Als Wirtschaftsberater der Kanzlerin müsse er sich »schon auch mal mit den Leuten treffen können«, so der Merkel-Vertraute.

Doch wie dringt man zu jemandem wie Röller vor? Offenbar auch über private Kontakte. Die erstaunten Abgeordneten erfuhren, dass Merkels Berater das Kontaktgesuch einer chinesischen Firma an Wirecard weiterleitete, das über seine Ehefrau an ihn herangetragen wurde. Diese sei nicht berufstätig, erklärte er auf Nachfrage. Doch »auch als Hausfrau hat man, glaube ich, einen Bekanntenkreis«.

Klar ist: Kontakte ins Kanzleramt sind potenziell viel Geld wert. Guttenberg hatte im Dezember bei seiner Befragung im Ausschuss erklärt, er habe sich nicht für »aktive Lobbyarbeit« kompensieren lassen, sprach aber von einer erfolgsbasierten Vergütung. Diese war potenziell beträchtlich, das zeigt ein Schreiben von Guttenberg an die Wirecard-Manager Burkhard Ley und Georg von Waldenfels, das dem SPIEGEL vorliegt.

Demnach sollte Guttenbergs Firma Spitzberg Partners für das Allscore Geschäft eine Vermittlungsgebühr (Finder’s Fee) von 1,5 Prozent des Gesamtvolumens erhalten. Zusätzlich schlug Guttenberg angesichts der »hochkomplexen« Begleitung einen »Kicker« von »1,0 Prozent auf den Majority Purchase Price« vor. Der Kaufpreis von Allscore betrug nach Angaben von Wirecard bis zu 109 Millionen Euro.

Auf Fragen nach der Vergütung hatte Guttenberg im Ausschuss erklärt, die Verträge verhandele und unterschreibe sein Geschäftspartner Ulf Gartzke. »Nicht ich, und deswegen kann ich mich eben auch nicht so äußern, wie Sie es heute gerne wollen.« Tatsächlich aber habe Guttenberg offenbar »entgegen seiner Aussagen persönlich die Vertragskonditionen für die Beratung und Lobbyarbeit verhandelt«, kritisiert die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe.

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