Wirecard-Umsätze über Drittpartner Porno, Glücksspiel und Diätpillen
Das Skandalunternehmen Wirecard hat offenbar fast seine kompletten Einnahmen aus dem Drittpartnergeschäft mit Porno- und Glücksspielanbietern erwirtschaftet. Drittpartner (Third Party Acquirer, TPA) wickelten überall dort Geschäfte ab, wo der Konzern keine eigenen Lizenzen hatte, vor allem in Asien. Wirecard kassierte dafür Provisionen.
In einer Gesprächsnotiz, die dem SPIEGEL vorliegt, heißt es: »Herr B. (Abk. d. Red.) erläutert, dass über die TPA-Partner im Wesentlichen (circa 98 Prozent) sogenannte ›High Risk‹ Merchants abgewickelt werden. Die Geschäftsmodelle dieser High Risk Merchants seien u. a. Erwachsenenunterhaltung, Gaming, Gambling, Health & Beauty (Haarwuchsmittel, Diätpillen etc.).« Die Notiz protokolliert eine Unterhaltung von Ende Januar 2020 zwischen Wirecard-Topmanagern wie Oliver B. und Jan Marsalek mit Vertretern der Wirtschaftsprüfer KPMG und EY sowie der Kanzlei Clifford Chance. Das Gespräch war Teil der Sonderprüfung durch KPMG, um die seit Jahren schwelenden Betrugsvorwürfe aufzuklären.
Ex-Wirecard-Chef Markus Braun hatte bis zuletzt erklärt, Wirecard wickle anders als in den Anfangsjahren fast keine Zahlungen mehr aus dem Porno- und Glücksspielbereich ab. Unter anderem sagte er im Herbst 2018 im SPIEGEL-Interview: »Der Erotikbereich spielt keine Rolle mehr, das ist heute ja alles kostenlos. Gaming liegt bei unter fünf Prozent.«
Ein großer Teil der Umsätze war womöglich erfunden
Möglicherweise traf dies für diejenigen Geschäfte zu, die Wirecard über eigene Lizenzen abwickelte. Die Aussagen des Ex-Managers B. untermauern jedoch den Verdacht, dass Wirecard im Laufe der vergangenen Jahre mehr und mehr Hochrisikogeschäft von Drittpartnern abwickeln ließ – und weiter daran verdiente.

The New York Times / Redux / laif; Jon Cherry / Getty Images
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Laut Insolvenzbericht erzielte Wirecard seit 2017 einzig im TPA-Geschäft Gewinne, auch die Umsätze kamen überwiegend über die Drittpartner – also letztlich von Hochrisikokunden wie Online-Casinos und Pornoseiten. Die Zahlungsabwicklung für solche Kunden wirft höhere Gewinnmargen ab, weil das Risiko, dass Kunden letztlich nicht zahlen, größer ist als bei anderen Händlern. Dieses Risiko lassen sich Abwickler vergüten.
Wie hoch die realen Einnahmen bei Wirecard in den letzten Jahren überhaupt waren, ist indes fraglich. Denn ein Großteil der ausgewiesenen TPA-Umsätze soll erfunden gewesen sein, jedenfalls erwiesen sich Belege für Treuhandkonten, auf denen Milliarden-Einnahmen liegen sollten, als gefälscht. Der Insolvenzverwalter fand die Unternehmenskasse Ende Juni weitgehend leer vor. Ex-Chef Braun, der in Haft sitzt, weist alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Sein früherer Vorstandskollege Jan Marsalek, der als Drahtzieher des Betrugs gilt, ist untergetaucht.