
Deutsche Firmen bei der Russland-WM Wichtig ist unterm Platz

Die Planer der WM-Arena im russischen Samara sind auf der Suche nach einer Lösung ihres letzten großen Problems in Deutschland fündig geworden: Weil die Bauarbeiten massiv in Verzug waren, konnte der Rasen nicht wie geplant wachsen. Die Rettung kam aus der deutschen Provinz, aus Willich: Die Firma Peiffer schickte zwei Dutzend Kühllastwagen gen Osten. An Bord: Rollrasen aus Deutschland.
Das Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen ist kein Einzelfall: Mehr als 50 deutsche Unternehmen sind laut Angaben der deutsch-russischen Außenhandelskammer (AHK) an der Vorbereitung, Durchführung und Nachsorge der Austragungsstätten der Fußball WM 2018 beteiligt. Den Auftragswert schätzt die AHK auf zwei bis drei Milliarden Euro.
Gefragt sind vor allem Anbieter, die hochgradig spezialisierte Technik bereitstellen. So liefert das Bremer Unternehmen Orbiter die Kamerasitztechnik für die Fernsehübertragung. Die Sitzausstattung für die Otkrytije-Arena in Moskau wiederum kommt von Stechert aus Franken. Unter den beteiligten Unternehmen sind zudem Großkonzerne wie Bosch, die Firma lieferte die Beschallungs- und Evakuierungssysteme in zwei WM-Stadien.
Besser als die Konkurrenz aus Asien
Vom Polymer-Systemanbieter Rehau aus Oberfranken stammen wiederum die Rasenheizungen in elf der zwölf Spielstätten. "Wir bieten Komplettlösungen inklusive Drainagen und Abflusssystemen an", sagt Roger Schönborn, Leiter der Abteilung Building Solutions von Rehau. Dabei komme es unter anderem darauf an, "welche Teile des Rasens im Schatten liegen und ob es individuelle Wünsche wie etwa die Beheizung von Trainerbänken gibt".
Das Beispiel Rehau zeigt, womit deutsche Unternehmen häufig in Russland punkten: "Sie bieten innovative und nachhaltige Lösungen an, die beispielsweise asiatische Unternehmen nicht haben", sagt Alexej Knelz von AHK Moskau. Das "koste zwar mehr, aber die gute Qualität rentiert sich dann später bei geringeren Wartungskosten".
Rehau macht eigentlich deutlich mehr Umsatz mit anderen Produkten, Kunststoff-Stoßfängern für die Automobilindustrie zum Beispiel. "Die Rasenheizungen haben aus unternehmerischer Sicht weniger große Relevanz", sagt Rehau-Mann Schönborn. Sie helfen aber enorm, "unsere Kompetenz unter Beweis zu stellen". Ein Vorteil von Rehau ist außerdem, dass die Firma schon seit Langem weltweit agiert und bereits vor der WM auf dem russischen Markt aktiv war.
Direkter Werbeeffekt fraglich
Die WM ist eine Bühne, auf der sich nicht nur Fußballprofis, sondern auch Unternehmen präsentieren. Wie groß der Gewinn an Prestige und Werbebewirkung tatsächlich ausfällt, ist schwer zu beziffern. Fans und Zuschauer werden schließlich nicht darüber informiert, dass die Spieler über einen Rasen grätschen, der von Rehau erwärmt wird.
Die Unternehmen erhoffen sich trotzdem langfristig positive Effekte und weitere lukrative Aufträge. "Wenn die Betreiber gute Erfahrungen mit den Unternehmen machen, werden sie auch später auf deren Angebote zurückgreifen", sagt Alexej Knelz. Tatsächlich zeigt sich, dass sportliche Großereignisse häufig von denselben Firmen ausgerüstet werden. Das österreichische Unternehmen Skidata etwa, das in Russland die Einlasssysteme für zwei Stadien bereitstellt, war seit der EM 2004 in Portugal bei allen Welt- und Europameisterschaften dabei.
Auch Rehau ist mit seinen Rasenheizungen nicht erst seit der WM-Vergabe an Russland im Geschäft. Insgesamt hat das Unternehmen mehr als 300 Stadien und Trainingsanlagen ausgerüstet. In Deutschland ist ein beheizbarer Rasen in der ersten, zweiten und dritten Liga Pflicht, und auch andere Länder setzen auf die Technik, die ganzjährigen Fußball erlaubt.
Klimatische Herausforderungen
Das Engagement in Russland stellt viele deutsche Firmen vor besondere Herausforderungen. Die Bürokratie sei in Russland anders als in Deutschland. Einen Auftrag zu erhalten, ist relativ schwierig, auch weil die internationale Konkurrenz so groß sei. Gerade deutsche Unternehmen, die nicht mit dem günstigsten Preis, sondern besonderen Innovationen und guter Qualität werben, müssen oft großen Aufwand betreiben. Wenn dann aber die Entscheidung gefallen sei, liefen viele Dinge in Russland relativ schnell ab, sagt Manager Schönborn. "Dann geht es zur Sache."
Hinzu kommt die oft extreme Witterung. "Die Unternehmen müssen die klimatischen Bedingungen vor Ort berücksichtigen und ihre Produkte gegenüber sehr kalten Temperaturen robuster machen", sagt Alexej Knelz von der AHK. Bei Temperaturen von unter minus 20 Grad in Sibirien versagt auch Rehaus Rasenheizung. "Allerdings frage ich mich", sagt Abteilungsleiter Schönborn, "ob man bei solchen Temperaturen überhaupt Fußball spielen will".
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Moskau I (Luschniki Stadion): Das 1956 errichtete Stadion in der russischen Hauptstadt wird nach seinem Ausbau eine Kapazität von 81.000 überdachten Sitzplätzen haben. Es wurde von der Uefa als "Elitestadion" klassifiziert - die höchste Wertung in Sachen Stadioninfrastruktur, die der Verband vergibt. 2008 fand hier das Finale der Champions League statt. Bei der WM 2018 wird in dieser Arena unter anderem das Eröffnungsspiel und Finale ausgetragen.
Moskau II (Spartak-Stadion): Nochmal Moskau, das ist das zweite WM-Stadion in der russischen Hauptstadt: Der Erstligaklub Spartak Moskau trägt hier seine Heimspiele aus. Das geplante Budget lag 2010 bei 290 Millionen Dollar, am Ende jedoch bei etwa 500 Millionen Dollar. Das Stadion bietet 45.360 Plätze. Vier Vorrundenpartien und ein Achtelfinale finden hier statt.
St. Petersburg: An diesem Stadion verzweifelte das Land lange. Ursprünglich sollte es 2009 fertig werden - die Eröffnung fand dann im Jahr 2017 statt, immerhin: pünktlich zum Confed Cup. 68.134 Zuschauer passen in die Arena, in der unter anderem das Spiel um Platz drei sowie ein Halbfinale ausgetragen werden.
Kaliningrad: In das neue Stadion in Kaliningrad werden 35.000 Zuschauer passen, gemeinsam mit der Jekaterinburg-Arena ist das Stadion das kleinste aller WM-Spielstätten (vier Vorrundenduelle werden in Kaliningrad ausgetragen). Nach der Endrunde wird es die Heimstätte des russischen Zweitligisten FC Balitka Kaliningrad. Die Kosten für den Neubau lagen bei etwa 354 Millionen Euro.
Kasan: Das Stadion wurde bereits bei den Universiade-Wettkämpfen 2013 und beim Confed Cup im vergangenen Jahr getestet. Bei der WM werden in Kasan sechs Spiele ausgetragen, darunter ein Achtel- und ein Viertelfinale. Die Kapazität: 45.000 Plätze. Die Kosten: 465 Millionen Euro. Das Highlight der Arena: Die mit 3622 Quadratmetern größte LED-Leinwand an der Fassade eines Fußballstadions der Welt.
Nischni Nowgorod: Das WM-Stadion, ein Neubau, soll knapp 45.000 Zuschauern Platz bieten und 2018 eröffnet werden. In der fünftgrößten Stadt Russlands (1,3 Millionen Einwohner) werden sechs WM-Duelle ausgetragen, darunter ein Achtel- und Viertelfinale. Das Problem nach der WM ist die weitere Nutzung der Arena, die etwa 220 Millionen Euro gekostet haben soll. Es gibt in der Stadt keinen Erst- und Zweitligisten.
Samara: Auch in dieser Stadt, die über eine Million Einwohner hat, wurde ein neues Stadion gebaut. Die Fertigstellung ist für 2017 geplant. Mit dem FC Krylja Sowetow Samara spielt ein Verein der Stadt in der höchsten russischen Spielklasse. Die neue Heimat des Klubs soll 44.000 Zuschauer fassen. Vier WM-Gruppenduelle sowie ein Achtel- und ein Viertelfinale werden in der etwa 285 Millionen Euro teuren Arena ausgetragen.
Wolgograd: Das Multifunktionsstadion, Heimat des SC Rotor Wolgograd, soll bei der WM knapp über 45.000 Zuschauern Platz bieten (vier Vorrundenduelle finden hier statt). Der Entwurf für die knapp 330 Millionen Euro teure Arena stammt von Gerkan, Marg und Partner. Die deutschen Architekten hatten bereits bei der WM 2010 und WM 2014 mehrere Stadien geplant.
Saransk: Saransk liegt 642 Kilometer südöstlich von Moskau, hier ist der Zweitligaklub FC Mordowia zuhause. 45.000 Zuschauer sollen hier Platz finden, vier Gruppenduelle stehen bei der WM auf dem Programm. Saransk ist die Hauptstadt der Republik Mordwinien und mit einer Einwohnerzahl von 297.415 der kleinste Austragungsort der WM.
Rostow am Don: Die Stadt im Südwesten Russlands hat über eine Million Einwohner - und über 40 Fußballklubs. Doch nur einer spielt in der ersten Liga: der FC Rostow. Das Stadion ist für 45.000 Zuschauer konzipiert. Bei der WM finden hier vier Vorrundenspiele und ein Achtelfinale statt. Nach der Endrunde soll das Stadion für den weiteren Gebrauch auf 37.885 Plätze verkleinert werden.
Sotschi: Formel 1, Olympische Winterspiele 2014 und nun die Fußball-WM: Sotschi gehört auch beim Turnier 2018 zu Russlands Gastgeberstädten. 44.000 Zuschauer sollen in dem Stadion Platz finden. Das geplante Budget lag 2010 bei 225 Millionen Dollar - tatsächlich kostete das Stadion 780 Millionen Dollar. Vier Gruppenduelle sowie ein Achtel- und ein Viertelfinale sind hier angesetzt.
Jekaterinburg: Ein Stadion geht noch: Das ist die zwölfte und letzte WM-Arena. Der östlichste Spielort bei der WM beheimatet mit dem FC Ural Swerdlowsk einen Erstligaklub. Für das Turnier wurde die Arena nicht komplett neu errichtet, sondern umgebaut.
Außerhalb des Stadions in Jekaterinburg wurden temporäre Tribünen hinzugebaut. Knapp 36.000 Zuschauer finden hier Platz, vier Vorrundenduelle stehen auf dem Programm.
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