
Zocken im Osten Zyprer planen Las Vegas in Sachsen-Anhalt
Der oberste Kassenwächter war von Anfang an wenig begeistert. "Wir brauchen keine neuen Luftschlösser im Land", urteilte Sachsen-Anhalts Finanzminister (SPD) eisig. Und in der Tat: Der Plan des zyprischen Investors scheint kühn. Er will ein stillgelegtes Braunkohlekraftwerk an der Elbe zum Luxus-Casino umbauen, mit angeschlossenen Luxushotels und Wellness-Tempeln, Yachthafen und so weiter.
Im Osten kennt man diese Geschichten. Phantasievorhaben, die in den seltensten Fällen Realität werden.
Doch die Sybilgroup aus Zypern scheint es ernst zu meinen mit dem 300-Millionen-Euro-Projekt. Seit Jahren ist die Firma nach eigenem Bekunden auf der Suche nach einem geeigneten Investment in Deutschland. In Polen betreibt das Unternehmen nahe Warschau ein Mode-Großhandelszentrum, in anderen ehemaligen Ostblockstaaten ein paar Shoppingmalls. Nur in Deutschland wollte es bislang nicht klappen.
Nun also Vockerode, ein kleines Städtchen in Sachsen-Anhalt, an der Autobahn 9, direkt am Ufer der Elbe. Die mediterranen Investmentprofis, deren deutsche Niederlassung unweit des Berliner Kurfürstendamms liegt, wussten, wie sie den bodenständigen Finanzminister überzeugen konnten: Sie boten Bullerjahn an, die defizitären Spielbanken des Landes in Halle, Magdeburg und Wernigerode zu kaufen, für insgesamt eine Million Euro. Außerdem versprachen die Zyprer, die bereits aufgelaufenen Schulden von 2,4 Millionen Euro zu übernehmen.
Für das Finanzministerium von Sachsen-Anhalt klang das Angebot von Pinni Sarfati, dem Chef der Sybilgroup, äußerst verlockend. Die schwächelnden Casinos bereiteten dem Land schon länger Sorgen, zu wenige Spielfreunde verirren sich hierher. Rund 90 Spielbanken gibt es in ganz Deutschland, doch im Osten ist man es nicht gewohnt zu zocken. Entsprechend mickrig sind die Umsätze.
Was passiert mit dem Gartenreich Dessau-Wörlitz?
Das Projekt in Vockerode bekam schnell seinen Spitznamen: Als "Las Vegas des Ostens" bezeichnete die "Bild"-Zeitung das Vorhaben. Dabei wollte die Sybilgroup gar nicht mit der Trash-Metropole in Nevada in Verbindung gebracht wissen, sondern eher mit Monaco oder Baden-Baden. Einmal in der Welt, war der Name freilich nicht mehr zu tilgen.
"Insgesamt können hier etwa 3000 neue Arbeitsplätze entstehen", sagt Walther Bruckschen, der Sprecher der Sybilgroup. Für die strukturschwache Region östlich von Dessau ist das eine kaum vorstellbare Zahl. Woher das Geld für die Investitionen kommen soll, sagt Bruckschen allerdings nicht.
Und es gibt ein weiteres Problem: In direkter Nachbarschaft zum alten Kraftwerk liegt das Gartenreich Dessau-Wörlitz. Das 142 Quadratkilometer große Areal, ein einzigartiger Landschaftspark aus dem 18. Jahrhundert, steht seit November 2000 auf der -Liste der Unesco.
Aus Angst um den Ehrentitel ist man in Wörlitz nun nervös. Das Welterbe dürfe durch das Casino-Projekt keinesfalls gefährdet werden, sagt Gartenreich-Sprecher Steffen Kaudelka. Die Sorge ist nicht ganz unberechtigt: Schließlich bestraften die Kulturexperten der Uno den Bau der Dresdner Waldschlösschenbrücke mit dem Entzug des begehrten Gütesiegels.
"Die Unesco muss sehr eng in das Projekt eingebunden werden", fordert Kaudelka deswegen. Grundsätzlich sei man offen für eine neue Nutzung des Kraftwerksgebäudes. Aber: "Ein Golfplatz und ein Hubschrauberlandeplatz passen nicht in die jahrhundertealte Kulturlandschaft."
Die Finanzierung scheint fraglich
Vielleicht müssen sich die Denkmalhüter aber gar nicht den Kopf zerbrechen. Denn das Projekt könnte noch platzen: Mehrmals musste Finanzminister Bullerjahn bei den Investoren den Kaufpreis für die drei sachsen-anhaltinischen Spielbanken anmahnen. Sogar mit dem Entzug der so wichtigen Spiellizenz hat er gedroht, sollte das Geld nicht schleunigst bei der Landesregierung eingehen. Fällig war die Kaufsumme eigentlich schon im Januar.
In letzter Minute reiste nun extra der Deutschlandchef der Sybilgroup, Stefan Sadeh, nach Magdeburg. Am Montagnachmittag übergab er persönlich einen Scheck an Finanzstaatssekretär Helmut Stegmann (SPD). "Mit der Übergabe des Kaufpreises bricht nun für die Casinos in Sachsen-Anhalt eine neue Ära an", verkündete die Firma prompt.
Im Finanzministerium war man über das ungewöhnliche Vorgehen indes verwundert. Eine Verabredung für eine persönliche Übergabe der Millionensumme habe es nie gegeben, heißt es. Davon habe man erst aus einer Pressemitteilung des Unternehmens erfahren. Kein guter Start für ein solches Großprojekt - zumal für den Traum vom "Las Vegas des Ostens" noch viele, viele Millionen aufzubringen sind.