Michael Sauga

US-Allianz gegen China Deutschland in der Biden-Falle

Michael Sauga
Ein Kommentar von Michael Sauga
Auf dem G7-Gipfel will US-Präsident Joe Biden Europa in eine Allianz gegen China treiben. Dagegen muss vor allem Deutschland sich wehren, um seine wirtschaftlichen Interessen zu wahren.
US-Präsident Biden: Welt in Gut und Böse

US-Präsident Biden: Welt in Gut und Böse

Foto: Doug Mills / POOL / EPA

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

Amerikanische Präsidenten lieben es, den Globus in Gut und Böse zu teilen. George W. Bush sprach von der »Achse des Bösen«, die von Iran bis Nordkorea reichte. Für Donald Trump stand »America First« mehr oder weniger gegen den Rest der Welt, vom Brasilien seines Gesinnungsfreundes Jair Bolsonaro vielleicht einmal abgesehen.

Und so ist es keine große Überraschung, dass auch Joe Biden eine klare Botschaft sandte, als er sich zum Gipfel der sieben westlichen Industriestaaten an diesem Wochenende nach Cornwall aufmachte. »Die marktwirtschaftlichen Demokratien müssen die Regeln für das 21. Jahrhundert setzen«, forderte er, und nicht »China oder andere«. Damit war klar, wie der neue US-Präsident die Welt sieht: als Schauplatz eines großen Systemwettbewerbs zwischen dem vereinten Westen und der autokratischen Volksrepublik.

Nun ist es aus europäischer Sicht schon mal ein Fortschritt, dass der mächtigste Mann der Welt die Europäer als Freunde sieht, und nicht als Gegner wie Trump. Und doch sollten sich die Deutschen und anderen Europäer nicht in einen Wirtschaftskrieg hineintreiben lassen, bei dem sie wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren haben. Europa und die USA haben gemeinsame Werte – aber wenn es um China geht, höchst unterschiedliche Interessen.

Die USA reden in zwei Zungen

Der Leistungsbilanz der USA mit der Volksrepublik weist ein riesiges Defizit aus, die Leistungsbilanzen Europas und Deutschlands sind dagegen ausgeglichen oder im Plus. Die Amerikaner betrachten Volksrepublik als militärischen und technologischen Rivalen, für die Europäer ist China ein Wachstumsmarkt, auf dem ihre Auto-, Chemie- und Maschinenbaukonzerne glänzende Geschäfte machen. In der Nach-Corona-Phase mehr denn je. Wer angesichts dieser Daten Peking ökonomisch isolieren will, wie es in den USA manche vorhaben, redet einem Handelskonflikt das Wort, den vor allem Berlin und Brüssel führen müssten.

Daran können die Europäer kein Interesse haben, zumal die Amerikaner in Sachen China häufig in zwei Zungen reden. Während in Washington das Wort von der »Entkopplung« die Runde macht, kann sich die Wall Street aktuell gar nicht schnell genug in die Abhängigkeit Pekings begeben. Von der Citibank bis zum Vermögensriesen Blackrock investiert die US-Finanzindustrie gerade im großen Stil in der Volksrepublik, um vom Geschäft mit der aufstrebenden chinesischen Mittelschicht zu profitieren. Als sich die Europäer jüngst in einem Investitionsabkommen mit Peking ähnlich gute Bedingungen sichern wollten, war der Ärger in Washington groß. So muss man es machen, wenn man in Europa den Eindruck nähren will, dass es den USA nicht um Demokratie und Rechtsstaat, sondern um die eigenen Geschäfte geht.

Natürlich sollten die USA und Europa ihre Kräfte bündeln, um dem wachsenden Einfluss Pekings entgegenzutreten. Doch dazu müsste der Westen eine offensive Strategie entwickeln, die nicht auf Abschottung und Handelsschranken, sondern auf wirtschaftliche und technologische Überlegenheit setzt. Daran aber hapert es, und die Schuld dafür liegt nicht nur bei den Europäern.

Nichts würde die ökonomischen Verhältnisse auf dem Globus stärker beeinflussen als ein ambitionierter transatlantischer Handelsvertrag. Doch die Gespräche darüber sind schon unter Obama gescheitert, und Biden hat zu erkennen gegeben, dass er keinen neuen Anlauf starten will. Stattdessen verspricht er der US-Industrie umfassenden Schutz vor ausländischer Konkurrenz, auch vor der aus Deutschland oder Frankreich. Trumps Zölle gegen europäische Stahl- und Aluminiumeinfuhren bleiben in Kraft, und auch auf anderen Feldern kommen die Versuche zu einer stärkeren wirtschaftlichen Kooperation des Westens nicht voran.

Von einer Technologie-Allianz zwischen der EU und den USA ist die Rede; dabei können sich Washington und Brüssel derzeit nicht mal auf Standards für den elektronischen Datenaustausch einigen. Der Klimaschutz gilt auf beiden Seiten des Atlantiks als Priorität. Doch wenn es darum geht, die richtigen Regeln im Kampf gegen die Erderwärmung zu finden, schlagen die Regierenden höchst unterschiedliche Wege ein. Während Washington erneuerbare Energien subventionieren will, setzt die EU auf steigende CO2-Preise: Zwei Strategien, von denen Experten sagen, dass sie sich nur schwer vereinbaren lassen.

Eine gemeinsame Agenda für eine westlich geprägte Weltwirtschaft

Am schwersten aber wiegt, dass der Westen China den Welthandel überlässt. Während Peking im wirtschaftlich aufstrebenden Asien neue mächtige Wirtschaftsblöcke gründet, haben sich die USA aus den entsprechenden Verhandlungen zurückgezogen, und auch Biden ist offensichtlich nicht gewillt, daran etwas zu ändern. Europa hat einen Freihandelsvertrag mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern ausgehandelt, will ihn aber aus Umwelterwägungen nicht unterzeichnen. So überlässt der Westen China das Feld, das seinen Einfluss in Asien wie in Südamerika seit Jahren ausbaut.

Wollen die G7-Staaten dagegenhalten, müssten sie eine gemeinsame Agenda für eine westlich geprägte Weltwirtschaft entwickeln: europäisch-amerikanische Standards für Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz und Digitalfunk, einheitliche Regeln für den Kampf gegen den Treibhauseffekt.

Solche Projekte könnten Chinas Einfluss stärker zurückdrängen als jede neue Sanktion gegen Pekings Führung oder ein weiterer Technologieboykott gegen chinesische Staatskonzerne. Wer zum Konflikt zwischen gut und Böse ruft, sollte auf zwei Dinge achten. Er muss sich die richtigen Verbündeten suchen – und einen guten Schlachtplan haben.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es, die deutsche und europäische Handelsbilanz mit China sei im Plus. Korrekt ist: Die Leistungsbilanzen Europas und Deutschlands mit China sind ausgeglichen oder im Plus. Wir haben die Passage geändert.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren