US-Bank mit Milliardenprofit Goldman-Gewinn schürt Hoffnung auf Krisenende

Aufatmen in der Finanzbranche: Das US-Institut Goldman Sachs verblüfft mit einem guten Quartalsergebnis, Investoren träumen von einem raschen Ende der Krise. Die Bankentitel im Dax legen deutlich zu. Doch zum Feiern ist es zu früh, warnen Experten.

Frankfurt am Main - In den USA wird schon gejubelt. Die guten Zahlen der US-Bank Goldman Sachs seien "ein weiteres Zeichen dafür, dass der Finanzsektor das Schlimmste hinter sich hat", erklärt etwa Keith Wirtz von Fifth Third Asset Management. In Europa fallen die Reaktionen zwar verhaltener aus - doch auch hier ist Hoffnung zu spüren. Er erwarte auch bei europäischen Banken mit starkem Investmentbanking-Bereich Erholung "in ähnlichen Dimensionen", sagt Guido Hoymann, Analyst beim Bankhaus Metzler.

Händler an der Wall Street: Goldman Sachs will Schulden schnell zurückzahlen

Händler an der Wall Street: Goldman Sachs will Schulden schnell zurückzahlen

Foto: REUTERS

Mit einem Plus von 1,66 Milliarden Dollar im ersten Quartal hat Goldman Sachs nicht nur einen satten Gewinn verbucht: Die US-Bank hat auch die Erwartungen der Analysten weit übertroffen. Außerdem kündigte das Geldhaus noch eine Kapitalerhöhung von fünf Milliarden Dollar an. Zusammen mit den zusätzlichen Einnahmen soll das Geld genutzt werden, um die erhaltenen zehn Milliarden Dollar Staatshilfe frühzeitig zurückzuzahlen.

Es ist ein fulminanter Start in die Berichtsaison. Im Schlussquartal 2008 hatte Goldman noch einen Milliardenverlust bekanntgeben müssen - den ersten seit dem Börsengang vor zehn Jahren. Die nun vorgelegten Werte belebten auch den Aktienhandel in Deutschland. So zählten Papiere der Commerzbank   und der Deutschen Bank   zu den Gewinnern im Leitindex Dax  .

Zu früh zum Feiern

Ist das die Wende? Schon vor Ostern hatte die US-Großbank Wells Fargo angekündigt, man werde für das abgelaufene Quartal einen hohen Gewinn bekanntgeben können - die Börse hatte darauf mit rasanten Kurssteigerungen bei den Bankenwerten reagiert. Auch die Wettbewerber JP Morgan Chase und Citigroup  , die am Donnerstag und Freitag ihre Zahlen vorlegen, hatten Optimismus geschürt.

Doch zum Feiern ist es noch zu früh. Bei näherem Hinsehen sind schon die jüngsten Goldman-Zahlen nicht mehr ganz so glänzend, wie es auf den ersten Blick erscheint.

Bezeichnend dafür ist der Kursverlauf der Goldman-Aktie am Dienstag. Das Papier lag zeitweise mehr als fünf Prozent im Minus, während der S&P-500-Index gleichzeitig nur rund 1,6 Prozent verlor. Börsianer begründeten den Verlust mit dem Verwässerungseffekt durch die Kapitalerhöhung.

Unter anderem verdankt das Geldinstitut den satten Quartalsgewinn zudem einer schlichten Formalität. Im vergangenen Jahr wandelte sich Goldman auf Druck der Regierung von einer Investment- in eine ganz normale Geschäftsbank um, die strengeren Regeln unterliegt. Infolge dieser formalen Veränderung wurden die Bilanzierung zum Jahreswechsel dem Kalenderjahr angepasst.

Das erste Abrechnungsquartal endet 2009 nun erstmals Ende März statt Ende Februar. Der Nebeneffekt: Der Dezember gehört weder zum Schluss-Vierteljahr 2008 noch zum ersten Dreimonatsabschnitt von 2009. Eine "ganz seltene Möglichkeit" für Goldman Sachs, unangenehme Posten in diesen Extra-Monat zu packen, für den jede Vergleichsmöglichkeit fehle, sagt Analyst Brad Hintz von Sanford Bernstein. "Das ist eine Sache, von der jeder Finanzchef träumt."

Der Rechentrick, den auch Goldman-Rivale Morgan Stanley anwenden kann, lohnt sich. Goldman Sachs wies am Dienstag parallel zu dem glänzenden Quartalsergebnis einen Dezember-Verlust von satten 1,03 Milliarden Dollar aus. Grund seien Verluste im Handels- und Investmentgeschäft, hieß es schlicht.

Anleihengeschäft boomt

Hinzu kommt, dass Goldman Sachs seine guten Geschäfte in den ersten drei Monaten 2009 vor allem dem gigantischen Anleihengeschäft verdankt - und damit indirekt auch der Wirtschaftskrise. Denn selten wurden so viele Schuldverschreibungen von Unternehmen und vor allem von Staaten gehandelt, wie in den vergangenen drei Monaten.

Dem ungewöhnlichen Geldbedarf habe eine extrem hohe Nachfrage nach den als sicher geltenden Papieren gegenüber gestanden, erklärt Metzler-Analyst Hoymann den Boom. Diese Dynamik werde wahrscheinlich auch in Europa für gute Quartalszahlen bei den Geldhäusern mit starkem Investmentbanking sorgen. "Aber das Anleihegeschäft ist nur ein Feld von vielen", gibt der Experte zu bedenken.

Im Finanzierunsgeschäft für Unternehmensübernahmen und Fusionen (Mergers & Acquisitions), bei Börsengängen oder im Aktiengeschäft laufe es dagegen weiterhin schlecht, sagt Hoymann. Und wie lange der Anleihe-Handel derart boomt wie jetzt, sei nicht absehbar.

"Das ist die große Unbekannte"

Das zähe Kundengeschäft kann diese Schwächen wohl kaum ausbalancieren. Und nicht zuletzt bleibt die Frage, welche Spuren die ökonomischen Probleme vieler Staaten in den kommenden Monaten in den Banken-Bilanzen hinterlassen. Wie viele Kredite müssen abgeschrieben werden? Wie hoch fällt die Risikovorsorge in den einzelnen Quartalen aus? "Das ist die große Unbekannte", sagt Konrad Becker von Merck Finck.

Von einer Kehrtwende will Becker deshalb nicht sprechen. Doch auch er macht derzeit "einen deutlichen Unterschied zur Situation des vergangenen Jahres" aus, als "der Exitus des gesamten Finanzsystems teilweise nicht mehr auszuschließen war". Schon das Krisenmanagement der Regierungen ließen eine Tendenz zur Besserung erkennen: Inzwischen gehe es mit Blick auf die Banken nicht mehr nur ums "Löcherstopfen", sondern um langfristigere Strategien wie etwa die Schaffung von Bad Banks zur Herauslösung und Abwicklung großer Posten an Risiko-Papieren.

Postbank-Analyst Heinz-Gerd Sonnenschein verweist zudem auf die geplante Kapitalerhöhung von Goldman Sachs, mit der das Institut seine Schulden begleichen will. "Das ist eigentlich die positivste Nachricht dieser Zahlen", sagt er. "Sie zeigt, dass Goldman sich wieder relativ stark fühlt."

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