US-Finanzierer CIT-Pleite würde auch deutsche Anleger treffen
Hamburg - "Ohne Zweifel wird 2009 ein herausforderndes Jahr - aber wir haben neue Möglichkeiten, die uns stärker machen." Im Januar gab Jeffrey Peek noch den Optimisten. Doch dem Chef des schwerangeschlagenen US-Mittelstandsfinanzierers CIT muss schon damals klar gewesen sein, dass die Luft für sein Geschäft dünner wird. Jetzt steht die Bank am Abgrund - und alle fragen sich, welche Folgen eine Pleite des Instituts hätte. Für die USA, für die Welt. Und für Deutschland.

CIT-Zentrale in New York: 300.000 Einzelhändler betreut
Foto: AFPDas 1908 gegründete Unternehmen CIT ist stark in den USA verwurzelt: 73 Prozent der Aktivitäten entfallen auf die Vereinigten Staaten. Das Institut betreut kleine und mittelständische Betriebe, die bei den großen Banken keinen oder nur sehr teure Kredite bekommen würden. Darunter sind bis zu 760 Industriebetriebe und 300.000 Einzelhändler, unter anderem die Filialen der Imbissketten Dunkin' Donut (Gebäck) und Baskin Robbins (Eiscreme).
Damit spielt CIT eine Schlüsselrolle für die Stabilität des amerikanischen Unternehmenssektors - fällt das Institut, müssen sich seine Kunden nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten umsehen. Gelingt ihnen das nicht - weil sie selber marode Geschäfte betreiben und deshalb keine Kredite zu bezahlbaren Bedingungen mehr bekommen - droht auch diesen Unternehmen das Aus. Die Folge wäre ein Massensterben bei den kleinen und mittelständischen Firmen mit verheerenden Folgen für die US-Wirtschaft. Damit ist der Fall CIT der erste ernstzunehmende Härtetest für die US-Konjunktur seit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers.
Die Auswirkungen einer CIT-Pleite könnten auch Deutschland treffen. Die Mittelstandsbank ist hierzulande ebenfalls präsent - zwei Prozent ihrer Aktivitäten entfallen auf Deutschland. Von 16 Niederlassungen in Europa unterhält das Institut knapp die Hälfte in Deutschland. Wie viele Firmen hierzulande CIT-Kunden sind, ist bislang unklar. Dass sich darunter viele Firmen mit deutschen Wurzeln befinden, glaubt Dierk Müller, Chef der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer AmCham, aber nicht. "Erfahrungsgemäß widmen sich US-Mittelstandsbanken der Pflege einheimischer Unternehmen und derer Töchter im Ausland", sagt er.
Deutsche Unternehmen könnten allerdings indirekt von einer CIT-Pleite getroffen werden: Erfolgt in den USA das befürchtete Massensterben, bleiben Aufträge für deutsche Firmen aus. "Gleichzeitig könnte eine solche Krise aber auch eine Chance für Deutschland bedeuten", sagt AmCham-Chef Müller. Etwa, indem deutsche Unternehmen in die neuen Marktlücken vorstoßen. Allerdings, räumt Müller ein, müsse dafür eine ausreichend große Nachfrage existieren - und die sei in manchen Wirtschaftsbereichen in den USA derzeit nicht vorhanden.
Ganz direkt von einer Pleite betroffen wären dagegen die Kreditmärkte und in der Folge auch die deutschen Anleger. Nach Angaben der Ratingagentur Standard & Poors sind Kreditrisiken der CIT in nahezu 2000 sogenannten Collaterized Debt Obligations vertreten. CDO bestehen aus einem Portfolio festverzinslichter Wertpapiere und gehören in die Gruppe strukturierter Kreditprodukte. Dieser Markt hat weltweit ein Volumen von geschätzten 600 Milliarden Dollar.
Anleger in Europa könnten hart getroffen werden, weil Absicherungen auf CIT in über 60 Prozent aller europäischen CDOs enthalten sind. Branchenkreisen zufolge soll die Allianz-Sparte Pacific Investment Management CIT-Wertpapiere von 500 Millionen Dollar in ihrem Bestand haben.
An der Wall Street haben die Anleger die Hoffnung auf eine Rettung der CIT noch nicht aufgegeben: Am Freitag machte die Aktie einen Kurssprung - nachdem sie am Vortag noch rund drei Viertel an Wert verloren hatte. Händler sprachen von Spekulationen, es könnte einen Käufer für den angeschlagenen Finanzierer geben. Analysten bewerteten die Überlebenschancen von CIT weiterhin als gering. Nur wenige, darunter die Analysten von Goldman Sachs, halten das Pleiterisiko für nach wie vor "nicht immanent".
Der Konzernchef hoffte auf Staatshilfe - vergeblich
Im Dezember erst erwarb die CIT eine kleine Bank im US-Bundesstaat Utah, um sich schnellstmöglich in eine Bankgesellschaft zu wandeln. Grund: Das Institut wollte sich Zugang zum Bankenpaket der US-Regierung verschaffen, um Liquiditätsengpässe zu vermeiden - und nur lizenzierte Banken bekommen Geld aus dem Rettungsfonds.
Rasch erhielt der Mittelstandsfinanzierer denn auch eine Geldspritze: 2,3 Milliarden Dollar überwies die US-Regierung aus dem Rettungsprogramm für die Finanzbranche - dem "Troubles Asset Relief Program". Doch die Krise spitzte sich weiter zu, im Juli wurde klar: Das Geld reicht nicht. In den vergangenen acht Quartalen fuhr die Bank Verluste von insgesamt rund drei Milliarden Dollar ein. Bis 2010 muss die CIT Schuldtitel im Umfang von zehn Milliarden Dollar ablösen, aber nur 6,4 Milliarden Dollar gelten bisher als gesichert.
Konzernchef Peek erwartete neue Stütze vom Staat - und kassierte eine Absage. Jetzt sucht die Bank in Telefonkonferenzen händeringend nach zwei bis vier Milliarden Dollar, wie das "Wall Street Journal" berichtet. Die neuen Kredite sollen das Aus in letzter Minute verhindern. An der Wall Street wird bereits der Vergleich zur US-Investmentbank Lehman Brothers gezogen - das Geldhaus wurde von der US-Regierung in der Not fallengelassen. In der Folge sank die globale Finanzindustrie in die tiefste Krise seit den dreißiger Jahren und riss die gesamte Weltwirtschaft mit sich.
Der Vergleich mit CIT hinkt allerdings: Lehman war rund neunmal größer als der Mittelstandsfinanzierer und international wesentlich stärker vernetzt.