Varex-Affäre Bundesregierung stützt sich offenbar auf lückenhaftes Dokument
Der Einsatz hochrangiger CDU-Politiker für ein korruptionsumwittertes Handelsunternehmen wirft weitere Fragen auf. Die Interventionen von Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) und Kanzleramt im Namen des Münchner Unternehmens Varex bei der ukrainischen Regierung stehen offenbar auf wackeligem Grund.

Die Stillstand-Republik
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Varex stützt seine Forderung auf Lieferscheine und Rechnungen, vor allem aber auf eine 1991 ausgestellte »Garantie« der Zentralbank der Ukraine. Die beim Wirtschaftsministerium eingereichte Kopie weist nach SPIEGEL-Informationen allerdings Lücken auf: In dem der Bundesregierung vorliegenden Dokument findet sich weder ein Hinweis auf die Höhe der Deckungssumme noch auf den durch die Bürgschaft abgesicherten Vertrag. Der Tag der Ausstellung ist nicht vermerkt, als Datum notiert ist lediglich »November 1991«. Schwerwiegender noch: Die Firma Varex wird gar nicht erwähnt. Varex-Anwalt Michael Philippi gibt auf Anfrage an, sämtliche Originaldokumente lägen zwar vor. Sie würden aber »an einem sicheren Ort« verwahrt, Einsicht könne deshalb nicht gewährt werden.
Varex war Anfang der Neunzigerjahre im korruptionsanfälligen Geschäft mit Medizintechnik aktiv. Weil der ukrainische Staat damals Gelder schuldig geblieben sei, fordert die Firma nun – mit vehementer Rückendeckung der aktuellen Bundesregierung – die Zahlung von bis zu einer Milliarde Euro durch den ukrainischen Staat. Varex selbst wiederum steht seit Langem im Verdacht, Geld an ukrainische Politiker gezahlt zu haben (SPIEGEL 36/2021). Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe. Keinesfalls sei eine Zahlung an den damaligen ukrainischen Präsidenten, dessen Familie oder sonstige Politiker erfolgt.
Zu den Fürsprechern von Varex zählen zahlreiche CDU-Funktionäre, darunter Wirtschaftsminister Peter Altmaier, die Parlamentarischen Staatssekretäre Thomas Bareiß und Marco Wanderwitz sowie der ehemalige Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann. Der CDU-Abgeordnete Christian von Stetten wiederum hatte eine Delegation des Wirtschaftsministeriums angeführt, die 2020 in Kiew Druck auf das Präsidialamt machen sollte.
Bareiß hat sich öffentlich gerechtfertigt, in vergleichbarer Weise seien auch »alle Vorgängerregierungen verschiedener Parteien« mit Varex befasst gewesen. Nach Informationen des SPIEGEL wurde der Fall allerdings im BMWi bereits vor mehr als einem Jahrzehnt zu den Akten gelegt, auch wegen juristischer Bedenken. Das Wirtschaftsministerium erklärt nur allgemein, der Fall sei »seit den Neunzigerjahren begleitet« und »gegenüber Regierungsvertretern seitdem mehrfach adressiert« worden.