Künftige VDA-Chefin Hildegard Müller Diese Frau soll das deutsche Auto retten
Angela Merkel holte sie einst ins Kanzleramt. Künftig kämpft Hildegard Müller für die Interessen der angeschlagenen deutschen Autoindustrie. Damit krönt sie eine ungewöhnliche Karriere.
Ihr Abschiedsbrief klang schon fast wie ein Bewerbungsschreiben. "Ob in den Regionen, im politischen Berlin oder in Brüssel - ich habe viele engagierte und fachlich versierte Menschen kennengelernt." Diese Zeilen schrieb Hildegard Müller im Oktober an Weggefährten, Arbeitskollegen und Freunde, als sie aus dem Vorstand des Essener Energiekonzerns Innogy ausschied. Und sie stellte damit eine Eigenschaft heraus, die sie für ihren neuen Job als Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) in erster Linie braucht: gut vernetzt zu sein.
Die gelernte Diplom-Kauffrau aus Rheine wird an die Spitze der wohl mächtigsten Lobbyorganisation kommen, die es in Berlin gibt. Der VDA vertritt nicht nur die Autokonzerne und Zulieferbetriebe. Müller wird einer Branche vorstehen, die mit 800.000 Beschäftigten das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bildet, und schon dadurch wird sie sich genügend Gehör verschaffen.
Noch muss der Vorstand des VDA der Personalie zustimmen. Doch die 52-Jährige gilt als gesetzt, seit der ehemalige Außenminister und Ex-SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel seine Bereitschaft für den Posten nach heftigen Protesten aus der eigenen Partei zurückgezogen hatte und auch Ex-EU-Kommissar Günther Oettinger aus dem Rennen ist.
Damit krönt Müller, nicht nur wegen des kolportierten Jahresgehalts von mehr als einer Million Euro, eine ungewöhnliche Karriere. Nach ihrem Betriebswirtschaftsstudium in Düsseldorf arbeitete sie für die Dresdner Bank. Parallel startete sie ihre politische Laufbahn bei der Jungen Union, der Nachwuchsorganisation der CDU, deren Vorsitzende sie vier Jahre lang bis 2002 war. Im gleichen Jahr kam sie über die Landesliste in den Bundestag.
2005 gelang ihr mit fast 45 Prozent der Stimmen der Einzug per Direktmandat in Düsseldorf. Bundeskanzlerin Angela Merkel machte die Nachwuchspolitikerin zur Staatsministerin im Bundeskanzleramt, das sie für einige Monate für die Geburt ihres Kindes ruhen ließ. Aus dieser Zeit stammen viele ihrer guten Kontakte in die Bundesregierung - auch zur Kanzlerin persönlich - die nun den Ausschlag gegeben haben dürften, warum die Autobosse sie zu ihrer Cheflobbyistin machen wollen.

Hildegard Müller (rechts im Bild) im Jahr 2006 mit dem damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem damaligen Arbeitsminister Franz Müntefering:
Zur Überraschung vieler in ihrer Partei kehrte Müller 2008 der Politik den Rücken. Sie wechselte zum Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) als dessen Geschäftsführerin. Müller übernahm den Posten in einer Zeit des Umbruchs für diese einst stolze Wirtschaftsbranche. Die alten Energieriesen wie RWE und E.on waren durch den Ausstieg aus der Atomkraft und die Energiewende wirtschaftlich geschwächt und mussten sich den neuen Zeiten anpassen. Der Verband verlor an Finanzkraft und Einfluss. Müller holte aber erfolgreich Unternehmen der Ökostrombranche in ihren Verband und machte ihn wieder zu einer schlagkräftigen Lobbyorganisation.
Harter Umbruch in der Branche
Eine ähnliche Herausforderung steht ihr beim VDA ins Haus: Die Autobranche steht vor einem grundlegenden Wandel zum elektrischen Antrieb und dem autonomen Fahren. Es ist ein Umbruch, wie es ihn seit der Erfindung des Autos noch nicht so tiefgreifend gegeben hat. Zehntausende Arbeitsplätze sind in Gefahr, und auch die Technologieführerschaft wird den drei großen Autokonzernen von Herstellern aus China und US-Konzern Tesla streitig gemacht. Ähnlich wie die Energiewende soll eine Mobilitätswende die Menschen dazu verleiten, das Klima zu schützen und die Autos stehen zu lassen.
Müller soll in diesem Umfeld den glücklosen VDA-Chef Bernhard Mattes ablösen, einen ehemaligen Ford-Manager, der nicht über die ausreichenden Kontakte in Berlin verfügt hatte und nach eineinhalb Jahren hingeschmissen hat.
Unterschiedliche Interessen auf eine Linie bringen
Der künftigen VDA-Chefin muss es auch gelingen, die zerstrittenen, von unterschiedlichen Interessen getriebenen Konzerne VW, Daimler und BMW wieder auf eine Linie zu bringen. Mattes hat dazu wohl das diplomatische Geschick gefehlt. Seiner designierten Nachfolgerin könnte das mit ihrer Verbindlichkeit und ihrer sachlichen Art gelingen.
Müller dürfte bis zum traditionellen Neujahrsempfang bereits berufen sein und dann Hunderte Gäste aus Politik, Medien und Industrie begrüßen. Vor allem wird sie darüber wachen müssen, dass die von ihr vertretenen Unternehmen mit dem Klimapaket der Bundesregierung nicht zu große Bürden auferlegt bekommen.
Außerdem muss sie weiter darum werben, politische Unterstützung (und Fördermilliarden) etwa für die Entwicklung der Elektroautos und den Aufbau einer Ladeinfrastruktur zu bekommen. Für Letzteres dürfte sie in ihrem vorherigen Job reichlich Erfahrung gesammelt haben. Bei Innogy war sie für Netz und Infrastruktur zuständig. Sie kennt also die Herausforderungen gut, die der Aufbau eines Ladenetzes für die Elektromobilität der Zukunft mit sich bringt.
In ihrem Abschiedsbrief von Innogy schrieb Müller stolz, dazu beigetragen zu haben, "das Stromnetz fit zu machen und den Weg zu ebnen für eine moderne und digitale Lebenswelt".
Jetzt muss sie dafür sorgen, dass in dieser Welt weiterhin noch Autos fahren - und zwar made in Germany.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikels hieß es, Hildegard Müller sei die erste Frau an der Spitze des VDA. Tatsächlich hatte von 1989 bis 1996 mit Erika Emmerich bereits eine Präsidentin den Verband geführt. Wir haben den Fehler korrigiert.