Vermeintliche Herabstufung durch S&P Der französische Patient

Pariser Eiffelturm: "Das Gefühl verspürt, dass Frankreich von der Krise angesteckt wird"
Foto: Thibault Camus/ AP"AAA" - für Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sind diese drei Buchstaben zum Fixpunkt aller politischen Überlegungen geworden: Die Bestnote für die Einstufung des Landes, die von Amerikas Rating-Agenturen vergeben wird, bestimmt den rigorosen Sparkurs der Regierung und dominiert schon jetzt den Wahlkampf im kommenden Frühjahr.
Umso mehr schockierte die Herabstufung der französischen Kreditwürdigkeit durch die Rating-Agentur Standard & Poor's (S&P) am Donnerstag. Auch wenn die Kreditrichter binnen zwei Stunden sagten, dass ihnen ein peinlicher Fehler passiert sei und entsprechend versuchten, die Mitteilung, die vor allem an Abonnenten der eigenen Internetseite verschickt worden war, zur "technischen Panne" herabzustufen. Der Schaden war angerichtet. In New York brachen die Aktienkurse vorübergehend ein, die Zinsaufschläge für Frankreich stiegen auf 3,45 Prozent.
Und einmal mehr regten sich Mutmaßungen, ob - nach Griechenland und Italien - Frankreich zum nächsten Krisenland der schwächelnden Euro-Staaten werden könnte. "Das ist der erste Tag, an dem man das Gefühl verspürte, dass Frankreich von der Krise angesteckt werden könnte", zitiert "Le Nouvel Observateur" einen französischen Händler.
Finanzminister François Baroin reagierte rasch und empört über die "schockierenden" Zweifel an der Kreditwürdigkeit: "Ich habe die Verantwortlichen angewiesen, Nachforschungen über die Ursachen und die Folgen für die Märkte anzustellen", sagte er mit Blick auf die Pariser Börsenaufsicht und betonte: "Wir werden keine Negativmeldungen passieren lassen."
Die fatale Falschmeldung aus den USA erschien freilich umso einleuchtender, als Mitte Oktober bereits die Rating-Agentur Moody's eine dreimonatige "Beobachtung" angekündigt hatte. Dauerdefizit, Schuldenberg und Strukturprobleme bringen in den Augen der US-Experten die Bestnote Triple-A ins Wanken. Und ausgerechnet am Donnerstag wandte sich dann auch noch die EU-Kommission mit deutlichen Worten an Frankreich. Angesichts einer drohenden "neuen Phase der Rezession" müsse die Regierung in Paris bei ihrem Sparprogramm eine Taktzahl zulegen. "Wir begrüßen die Tatsache, dass die Regierung neue Pläne zur Haushaltskonsolidierung vorgelegt hat", so Wirtschaftskommissar Olli Rehn, "aber für 2013 werden weitere Maßnahmen nötig sein, um das exzessive öffentliche Defizit zu korrigieren."
"Für 2013 werden weitere Maßnahmen nötig sein"
Die seien längst in Arbeit, betonte Finanzminister Baroin. Und in einer gemeinsamen Erklärung mit der Haushaltsministerin Valérie Pécresse legte er nach, dass das "Engagement eingehalten wird, Frankreichs Defizit bis 2013 unter drei Prozent zu bringen und bis 2016 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen."
Da allerdings bleiben Zweifel, auch wenn die Brüsseler Budget-Aufseher bei ihrer Warnung die jüngsten Maßnahmen aus Paris möglicherweise nicht eingerechnet hatten. Denn gerade acht Monate, nachdem Premier François Fillon im Auftrag von Präsident Nicolas Sarkozy den ersten Plan vorlegte, mit dem 9,9 Milliarden Euro eingespart werden sollen, wird nun eine überarbeitete Fassung fällig: Mit neuen Drosselungen der Ausgaben und weiteren Zuschlägen etwa bei der Mehrwertsteuer hat das Paket einen Umfang von 11,6 Milliarden Euro.
Die nötigen Maßnahmen kratzen nicht nur an der Glaubwürdigkeit des Staatschefs, der nach seiner Wahl 2007 immer wieder verkündete: "Ich bin nicht gewählt worden, um die Steuern zu erhöhen." Vor allem könnten sich auch die neuen rigorosen Pläne als Makulatur herausstellen. Die Regierung setzt trotz jüngster Korrekturen noch immer auf ein Wachstum von einem Prozent - die Brüsseler Ökonomen sehen Frankreichs Zuwachs eher bei 0,6 Prozent.
Auch der Chef der Zentralbank warnt vor überhöhten Erwartungen und verweist auf den sinkenden Investitionswillen von Frankreichs Unternehmen. Ein neuer, dritter Sparplan sei bereits absehbar, orakelt Christian Noyer im "Figaro", mit einem Volumen von drei bis vier Milliarden Euro. "Die Frage ist nur, wann uns dieser x-te Plan auf den Kopf fällt", so Noyer, "gewiss nicht vor den Präsidentenwahlen, es sei denn, Nicolas Sarkozy und Fillon zeigten außergewöhnlichen politischen Mut, zusammen mit einem gerüttelten Maß an Pädagogik."
Offenbar entspricht das dem Kurs des Präsidenten, der angesichts der Wahlkampagne seine Kabinettskollegen nicht nur auf Haushalts-, sondern auch auf Sprachdisziplin eingeschworen hat. Während Sarkozy am 11. November in Paris Frankreichs Kriegstoten gedachte, verbreiteten die Minister in den Tiefen der Republik die Kunde von den bitteren, aber nötigen Einschnitten. Jeder Bürger muss dazu sein Scherflein beitragen, so die Botschaft, und auch der Präsident sei schließlich dazu bereit: Das Gehalt Sarkozys wird zwar nicht gekürzt, aber immerhin eingefroren.