Verschwenderische Firmen 120 Milliarden Euro für "Unsinnsprojekte"

Deutsche Unternehmen geben jedes Jahr einen dreistelligen Milliardenbetrag für unsinnige Projekte aus. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls ein Münchner Professor. Er unterscheidet verschiedene Varianten des Irrsinns: U-Boot-Projekte, Dürre-Projekte, Alibi-Projekte und andere.

München - Der Betriebswirt Manfred Gröger hat im Auftrag einer Unternehmensberatung für eine Langzeitstudie 962 Führungskräfte aus Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung zum Thema Projektmanagement befragt. Die Teilnehmer hätten in den Fragebogen offen angegeben, dass gerade mal 43 Prozent aller Projekte von den Beteiligten selbst als strategisch sinnvoll eingeschätzt würden, sagte Gröger.

Noch vernichtender sei der Erfolgsfaktor. Lediglich 13 Prozent aller neben dem Tagesgeschäft begonnenen Suchen nach neuen Lösungen erwiesen sich nach Meinung der Befragten am Ende tatsächlich als wertschöpfend. Gemessen an geschätzten knapp 200 Milliarden Euro, die deutsche Unternehmen jährlich für Projekte ausgeben würden, ergebe sich dadurch ein immenser volkswirtschaftlicher Schaden.

"Wir gehen von 120 bis 150 Milliarden Euro aus, die von den Unternehmen hier jedes Jahr verschwendet werden", sagt Gröger, der seine Studie für repräsentativ hält. Insgesamt habe er über einen Zeitraum von vier Jahren Vertreter aus über 650 Unternehmen, Behörden und Konzernsparten befragt - darunter Projektleiter, Geschäftsführer und Firmenvorstände.

"Das ging von mittelständischen Unternehmen von 25 bis 5000 Mitarbeitern bis hin zu Großkonzernen und sämtlichen Berliner Ministerien", berichtet der Münchner Fachhochschullehrer für Rechnungswesen und Controlling, der nebenbei zahlreiche Firmen und Ministerien zahlreicher Staaten berät.

Die Befragten der Studie hätten in den Fragebögen allein zehn Prozent der Projekte als reine Alibi-Maßnahmen eingestuft. "Alibi-Projekte werden angestoßen, um anderen einen Beweis dafür zu liefern, dass von außen notwendig erachtete Themen in einem Unternehmen bearbeitet werden, ohne dass dies aus strategischer Sicht für die Firmen sinnvoll ist", erklärt Gröger. Meist komme es dabei nicht einmal zu einem Projektabschluss.

Weitere acht Prozent seien reine Prestige-Projekte. "Hier greifen Unternehmen oft Modethemen auf, einzig zu dem Zweck, um up-to-date zu sein." Oder es wollen sich einzelne Unternehmensbereiche oder Mitarbeiter profilieren. Darüber hinaus gebe es noch "U-Boot-Projekte", die meist ohne Wissen der Unternehmungsleitung auf unteren Ebenen gestartet würden und meist nur im Erfolgsfall irgendwann offiziell auftauchten.

Der größte Schaden der "Projektitis" entstehe jedoch durch so genannte "Dürre-Projekte", betont Gröger. Dies seien Projekte die entweder von vorn herein wegen niedriger strategischer Priorität mit unzureichenden Ressourcen in die Welt gesetzt würden oder mit der Zeit ihren Sinn verloren hätten. Diese machten inzwischen mehr als ein Viertel der Projekte aus: "Charakteristisch für Dürre-Projekte ist, dass sie lange Laufzeiten haben und sich mehr oder weniger dahinschleppen, ohne dass der Projektabschluss für den Auftraggeber noch von Interesse wäre."

Gröger, der die Studie im Auftrag der auf Projektmanagement spezialisierten Münchner Beratungsfirma MBA Management Beratung erstellt hat, rät denn auch zu besserem Effizienz-Management, mit klar geregelten Zielvorgaben, Strukturen und Kompetenzverteilungen.

Michael Pohl, AP

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