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Steuerflucht Viel Positives

Die Commerzbank versucht, ihre Luxemburg-Kunden vor der Steuerfahndung zu schützen.
aus DER SPIEGEL 40/1995

Die meisten deutschen Kunden der Commerzbank International S.A. Luxemburg (Cisal) legen wenig Wert auf Post von ihrem Bankinstitut. Viele holen sich ihre Informationen über Kontostand und Zinsgewinne lieber auf anderem Wege ab.

Doch im vergangenen Monat schrieb Cisal-Chef Klaus Tjaden direkt an seine Kunden. »Den deutschen Behörden« seien Unterlagen über ihre Luxemburger Konten »zur Kenntnis gelangt«, mußten die erstaunten Anleger lesen. Einfühlsam und sorgfältig formuliert hieß es weiter: »Wir bedauern sehr, Ihnen diesen Sachverhalt mitteilen zu müssen.«

Bei den »deutschen Behörden« handelte es sich nicht um eine beliebige Behörde, sondern um die Frankfurter Steuerfahndung. Monatelang hatte der 39jährige Bankkaufmann Reinhard Schmakowski die Commerzbank-Filiale mit Interna erpreßt (siehe SPIEGEL 36/1995). Nach seiner Festnahme in Frankfurt gelangte eine interne Kunden- und Kontenliste in den Besitz der Finanzverwaltung (siehe Interview).

Seitdem bemüht sich das viertgrößte deutsche Geldinstitut, die Steuerfahnder zu stoppen. Über zwei verschiedene Gerichte versucht die Bank nun, ihre Kunden in Luxemburg vor dem Fiskus zu schützen. »Die Commerzbank hat offenbar ein vehementes Interesse, daß wir die Unterlagen nicht auswerten«, sagt Bernhard Wiebe von der hessischen Steuerfahndung.

Beim Finanzgericht in Kassel beantragte das Kreditinstitut inzwischen eine einstweilige Verfügung, um die Steuerfahnder zur Einstellung ihrer Ermittlungen zu zwingen. Eine »steuerliche Bewertung« der beschlagnahmten Unterlagen, heißt es in dem Antrag, dürfe nicht vorgenommen werden.

Vor dem Schritt zum Hessischen Finanzgericht hatte die Bank den Ermittlern sogar ein Ultimatum gestellt. Bis zum 6. September sollten sie von sich aus erklären, daß sie weitere Recherchen unterlassen würden. Die Fahnder ließen den Termin unbeeindruckt verstreichen.

Auch der Kölner Steuerprofessor Klaus Tipke sieht keinen Grund, warum die Behörden die beschlagnahmten Daten nicht zur Aufspürung von Steuerhinterziehern verwenden sollten. »Es steht nirgendwo, daß solche Dinge nicht verwertet werden können«, sagt der Verfasser zahlreicher Lehrbücher und eines wichtigen Kommentars zur Abgabenordnung.

Daß die Frankfurter Finanzrechercheure die Liste nur deshalb in die Finger bekamen, weil ein Erpresser sie vorher bei der Bank mitgehen ließ, begründet für den Steuerexperten noch lange kein Verwertungsverbot der brisanten Unterlagen. Tipke: »Die Steuerfahndung lebt doch von Dingen, die nicht sehr moralisch sind.«

Beim Frankfurter Amtsgericht machen die Anwälte der Commerzbank Druck auf die Ermittler. »Die Folgen« aus der Einschätzung der Staatsanwaltschaft könnten für diese »gravierender werden, als man sich dieses gegebenenfalls jetzt vorstellen kann«, heißt es in einem Schriftsatz. Sowohl die Beschlagnahme des brisanten Ordners als auch dessen Weitergabe an die Steuerbehörden seien rechtswidrig, argumentieren die Commerzbanker. Dadurch sei das eingetreten, was der Erpresser angedroht habe. Die Kunden der Unternehmenstochter Cisal müßten jetzt mit Ermittlungen der deutschen Steuerfahndung rechnen.

Da haben sie recht. Immer mehr Commerzbank-Kunden zeigen sich selbst an, um einer Strafe wegen Steuerhinterziehung zu entgehen.

Solche Fälle spontaner Reue kennen die Steuerfahnder aus anderen Affären: Als bei der Dresdner Bank und bei der Bayernhypo Akten gefilzt und Räume durchsucht worden waren, gingen danach auch viele Selbstanzeigen ein.

Schon jetzt hat der Staat durch Selbstanzeigen bei der Commerzbank mehrere Millionen Mark an hinterzogenen Steuergeldern zurückgewonnen, weit mehr als die vom Erpresser verlangten fünf Millionen Mark.

Schmakowski-Anwalt Franz Bonn sieht deshalb viel Positives: »Wenn die Finanzverwaltung am Schluß Bilanz zieht, müßten die meinem Mandanten eigentlich das Bundesverdienstkreuz verleihen.«

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