Zur Ausgabe
Artikel 30 / 83

SOZIALWOHNUNGEN Viel zu polieren

Mit Millionengewinnen verkaufen Immobilienhändler alte Sozialwohnungen als Eigenheime -- die Mieter greifen nur selten zu.
aus DER SPIEGEL 31/1978

Die Warnung stand mitten im bunt geboten: Das Zwölf-Familien-Haus wird seit gut 20 Jahren von Sozialmietern bewohnt. Und die wollen »jedem die Fresse polieren, der unsere Wohnungen kaufen will«.

Da haben sie viel zu polieren. Seit Monaten schon blüht das Geschäft jener Makler, die Sozialwohnungen vermarkten. Krybus und Kollegen kaufen ältere, mit Staatshilfe gebaute Wohnblocks auf, zahlen die noch nicht abgelösten Zuschüsse zurück und beantragen beim Grundbuchamt sogenannte Teilungsgenehmigungen.

Dann, wenige Wochen nach der Übernahme der Blocks, geht es ans Geldverdienen: Mindestens 250 Mark pro Quadratmeter, so die Kalkulation vieler Makler, müssen als Provision oder Kostenbeitrag schon drin sein. Ein Wohnblock mit 15 Wohnungen von jeweils 70 Quadratmetern bringt runde 262 500 Mark, »allerdings vor Steuern«, bedauert ein Wohnungshändler.

Die Rechnung der anderen Teilnehmer des Handels mit den alten Eigentumswohnungen geht weniger glatt auf: Die Sozialmieter machen von ihrem Vorkaufsrecht selten Gebrauch -- sie fürchten meist die finanzielle Mehrbelastung als Eigentümer und eventuell fällige Renovierungsarbeiten.

Dennoch findet Krybus Käufer für die tristen Altbauten, die er als »Erfüllung Ihrer Träume« anbietet.

Dieser Traum hat nur dann ein Happy-End, wenn die Käufer scharf kalkulieren. Auch nach der Rückzahlung der Staatszuschüsse bleiben die Mieten zehn Jahre lang reglementiert. Erst danach kann kräftig erhöht und den Mietern gekündigt werden.

Wollen die Neueigentümer ihre Wohnung selbst beziehen, so müssen sie im äußersten Fall vier Jahre warten: Drei Jahre genießen die Sozialwohnungsmieter absoluten Kündigungsschutz, ein Jahr geht für Räumungsklage und Räumung drauf. Makler wie Krybus freilich behaupten ungerührt, daß die Räumung keine Schwierigkeiten bereitet. Dafür sorgten schon »Auszugsprämien« von 1000 Mark.

Solche Beträge sind in der Tat für die Makler kein Problem: »Da werden Millionen verdient«, glaubt der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Helmut Schlich, »die Betrogenen sind Mieter und Käufer gleichermaßen. Die einen würden um ihre preisgünstige Wohnung gebracht, die anderen mußten oft überhöhte Preise zahlen.

Makler wie der Berliner Willi Bendzko, 39, verweisen dagegen gern darauf, daß ihr Treiben durchaus im Interesse der Allgemeinheit liege. Auch die »Bundesregierung fordert und unterstützt schließlich Eigentumsbildung für alle«.

Im ganzen Bundesgebiet fahndet der Berliner nach älteren Sozialwohnungen, um sie als Eigentumsappartements zu verkaufen. Eines seiner besten Verkaufsargumente: Bonn habe den Steuer-Paragraphen 7b Einkommensteuergesetz Anfang letzten Jahres auf alte Häuser und Wohnungen erweitert, um »breitgestreute Eigentumsbildung zu erleichtern« (Kabinettsvorlage).

Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften aber halten sich vorerst zurück, weil »nicht gewährleistet werden kann«, so Neue-Heimat-Chef Albert Victor, »daß nur Sozialmieter ihre Wohnungen kaufen und nicht irgendwelche Geldanleger«.

Andere sind weniger zimperlich. Im Kölner Vorort Porz etwa verkaufte die Wiesbadener »Helvetic Grundbesitzverwaltung« nach Rückzahlung der Staatshilfen einzeln ihre 1962 gebauten 246 Sozialwohnungen -- nicht zuletzt weil sie eine drastische Mieterhöhung nicht durchdrücken konnte.

Als kaum ein Mieter den angebotenen Kaufvertrag unterschrieb, vertrieb Helvetic die Wohnungen zum stolzen Preis von 1400 Mark pro Quadratmeter auf dem freien Markt. Beim Bau vor 16 Jahren lagen die Kosten fast 1000 Mark darunter.

Zumindest für die Mieter beginnt jetzt der Ärger: Viele Käufer machen Eigenbedarf geltend und klagen die Sozialmieter aus ihren Wohnungen, wenn sie nicht freiwillig gehen wollen.

»Das kommt einer Eigentums-Zwangswirtschaft gleich«, klagt Bernhard Voigt, Vorsitzender des Kölner Mietervereins: »Wer nicht kaufen will, muß früher oder später raus:«

In Hamburg-Niendorf haben sich Mieter im Vielohweg zur »Notgemeinschaft spekulationsgeschädigter und bedrohter Mieter« gegen ihren neuen Hausherrn zusammengeschlossen.

Hier kaufte der Berliner Makler Bendzko Sozialmietblocks auf und bot sie zunaächst seinen Mietern für 1300 Mark pro Quadratmeter an.

Als die Mieter -- sei es aus Geldmangel, sei es aus Desinteresse -- paßten, stiegen fremde Geldanleger ein. Denn, das hatte Bendzko versprochen. »nichts ist heute so billig wie vermietete Sozialwohnungen«.

Im Namen der von ihm mitgegründeten Notgemeinschaft will der pensionierte Justizbeamte Otto-Friedrich Muxfeldt dem Berliner »notfalls die Steuerfahndung auf den Hals hetzen«, die prüfen soll, ob Bendzko »seine Spekulationsgewinne auch ordnungsgemäß versteuert hat«. Muxfeldt: »Anders ist er nicht zu packen -- rechtlich sind die Methoden wasserdicht.«

Zur Ausgabe
Artikel 30 / 83
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren