Abstimmung in der Schweiz So funktioniert Vollgeld

Schweizer Franken
Foto: Schweizerische Nationalbank/ dpaIn der Schweiz können die Bürger an diesem Wochenende das Geldsystem stürzen: In einer Volksabstimmung sollen sie über die Vollgeldinitiative entscheiden, die den Banken die Macht über die Geldschöpfung entreißen und die Finanzwelt damit sicherer machen will.
Was steckt dahinter? Fragen und Antworten im Überblick.
Wie funktioniert das Geldsystem bisher?
Wenn wir an Geld denken, denken wir vor allem an Scheine und Münzen. Doch die machen nur einen kleinen Teil des Geldes aus - in der Schweiz und in der Eurozone etwa zehn Prozent. Tatsächlich besteht rund 90 Prozent des Geldes aus unsichtbarem Geld, das in Form von Zahlen auf Bankkonten liegt.
Dieses sogenannte Buchgeld entsteht zum Beispiel, wenn Banken Kredite vergeben. Die Kreditsumme findet sich dann plötzlich auf dem Konto des Kreditnehmers wieder, ohne dass dafür Scheine oder Münzen nötig wären. Das Buchgeld entsteht also aus dem Nichts. Und nur der allgemeine Glaube daran, dass man die Zahlen auf dem Kontoauszug jederzeit in Form von Scheinen und Münzen aus dem Geldautomaten ziehen kann, sorgt dafür, dass dieses System funktioniert.

Genau da aber liegt ein Problem: Die Banken bunkern zwar auch eine beträchtliche Menge an Bargeld, das komplette Buchgeld, das auf den Konten ihrer Kunden liegt, können sie aber unmöglich in Form von Scheinen und Münzen vorhalten. Sie müssen sich darauf verlassen, dass nicht eines Tages alle Kunden gleichzeitig ihr Geld abheben wollen. Das wäre nämlich unmöglich.
Die Notenbank (oder Zentralbank), eigentlich die zentrale Instanz des Geldsystems, ist an dieser Art der Geldschöpfung durch die Banken nicht beteiligt. Sie schöpft ihrerseits aber auch Geld, in dem sie Geschäftsbanken Kredite gewährt oder Wertpapiere abkauft. Dieses sogenannte Zentralbankgeld liegt dann in Form von Guthaben auf Konten, die die Geschäftsbanken bei der Notenbank unterhalten. Die Finanzinstitute können sich dieses Geld jederzeit in Bargeld auszahlen lassen. Für die Notenbank ist das kein Problem. Sie kann so viele Scheine drucken und Münzen pressen lassen, wie sie will.
Den Banken dagegen kann das Bargeld ausgehen, weil auch ihre Guthaben bei der Notenbank endlich sind. Und nur die können sie ja in Bargeld umtauschen. Um diese Gefahr zu verringern, kann die Notenbank die Geldhäuser verpflichten, bestimmte Mindestguthaben auf ihren Konten bei der Zentralbank zu halten. Völlige Sicherheit bietet das aber nicht.
Was würde sich durch die Einführung des Vollgelds ändern?
Das Vollgeld-Konzept, das im Kern schon in den Dreißigerjahren in den USA entstanden ist, sieht vor, die Geldschöpfung der Banken aus dem Nichts zu unterbinden. Das heißt: Die Banken dürften nur noch so viel Geld als Kredit verleihen, wie sie selbst wirklich vorrätig hätten - entweder durch Bargeld oder durch Guthaben bei der Zentralbank.
Damit wäre die Zentralbank die einzige Instanz, die wirklich neues Geld schöpfen und damit die Geldmenge erhöhen könnte.
Im Übergang sollen dazu in der Schweiz alle Guthaben von Firmen und Bürgern auf Bankkonten in Vollgeld umgewandelt und außerhalb der Bankbilanzen von den Banken verwaltet werden. Das Guthaben der Kontoinhaber wäre also eine Forderung gegenüber der Zentralbank - und nicht mehr gegenüber der Bank. Es könnte somit auch jederzeit gegen Bargeld eingetauscht werden - und wäre damit laut Befürwortern Vollgeld.
Welche Vorteile sehen die Vollgeld-Inititiatoren?
Mit dem Vollgeld soll das ganze Finanzsystem sicherer werden, versprechen die Anhänger. Und tatsächlich sehen auch viele Experten Vorteile in der Entmachtung der Banken:
- Wenn die Banken nur noch so viel Geld verleihen dürfen, wie sie auch haben, sinkt die Gefahr von sogenannten Bank Runs erheblich. Wenn eine Bank pleitezugehen droht, ist das im bisherigen Geldsystem eine riesige Gefahr, weil die Kunden der Bank in der Regel versuchen, ihr Geld zu retten und schnell abzuheben. Wenn das aber alle Kunden gleichzeitig tun, ist die Bank automatisch zahlungsunfähig. Beim Vollgeldsystem gäbe es keinen Grund mehr, sein Geld abzuheben, weil die Guthaben auf den Bankkonten alle durch die Zentralbank gedeckt wären.
- Auch die Gefahr von Spekulationsblasen und Finanzkrisen würde durch Vollgeld deutlich verringert. Zum einen, weil die Banken nicht mehr so einfach Kredite vergeben und so jeden Boom anheizen könnten. Und zum anderen, weil auch Zahlungen zwischen den Banken sicherer würden, da auch dieser Interbankenhandel ja ausschließlich mit von der Zentralbank gedecktem Vollgeld laufen würde. Vertrauenskrisen würden so unwahrscheinlicher.
Welche Argumente sprechen gegen das Vollgeld?
Ob Regierung, Wirtschaftsverbände oder Notenbank SNB - in der Schweiz sind fast alle, die wirtschaftlich etwas zu sagen haben, gegen die Vollgeld-Reform. Wichtigstes Argument dabei: Die Umstellung wäre riskant, die Folgen kaum absehbar. So könnten die Geschäfte der Banken durch die Umstellung leiden und Kredite am Ende sogar teurer werden.
Zudem warnen die Vollgeld-Kritiker vor der Machtfülle, die in einem solchen System bei der Notenbank entstehen würde - also bei einer zwar unabhängigen, aber doch staatlichen Institution. Die Notenbank allein wäre dafür verantwortlich, wie stark die Geldmenge steigt - und könnte damit die Wirtschaft viel besser steuern als bisher. Damit wäre sie aber auch viel anfälliger für politische Einflussnahme.
Hat die Initiative Aussicht auf Erfolg?
Ein Sieg der Initiative ist eher unwahrscheinlich - aber nicht ausgeschlossen. Jüngste Umfragen sehen zwar nur rund ein Drittel Zustimmung. Es sind demnach aber auch nur wenig mehr als die Hälfte der Befragten explizit dagegen. Viele sind noch unentschieden. Laut Nachrichtenagentur dpa warnt Andreas Steno Larsen, Experte bei der Bank Nordea, vor zu viel Gelassenheit an den Finanzmärkten . Ein "Ja" wäre ein "absoluter Schock" - der Kurs des Schweizer Franken dürfte abstürzen.