VW-Einstieg bei Porsche Belegschaft feiert entmachteten Wiedeking
Stuttgart - Sie stehen im strömenden Regen und jubeln. Tausende Porsche-Mitarbeiter haben sich am Donnerstag in Zuffenhausen versammelt, um zu erfahren, wie es mit ihrem Unternehmen weitergeht. "Porsche bleibt Porsche und bleibt eine AG", brüllt Betriebsratschef Uwe Hück der Belegschaft entgegen. Produktion, Vertrieb und Finanzen blieben eigenständig, das hätten die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch schriftlich zugesichert. "Ihr habt euch das erarbeitet", ruft Hück in seiner Ansprache immer wieder den Mitarbeitern zu.
Hinter ihm steht Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche, die abgetretene Porsche-Führung, Wendelin Wiedeking und Holger Härter, und der neue Chef, Michael Macht. "Wir sind dankbar, dass ihr unsere Chefs wart", verneigt sich Hück vor Wiedeking und Härter, er bebt vor Emotionen. Nur unter der Bedingung habe sich Wiedeking von seinem Amt zurückgezogen, dass die Familien einer Kapitalerhöhung zustimmen und ein Investor einsteigt. Er und Wiedeking hätten für die Absicherung von Porsche in dem neuen Konzern gekämpft, sagte Hück.
Später fallen sie sich alle in die Arme. Was Wiedeking widerfahren sei, sei eine Unverschämtheit. "Ihr seht es, das Wetter sagt auch, das war unanständig." Wolfgang Porsche, der Aufsichtsratschef, tritt ans Mikrofon. Er redet leise, liest vom Blatt ab. Das Unternehmen bleibe bestehen, das sei der ausdrückliche Wille der Familien Porsche und Piëch. "Der Erfolg von Porsche hängt von der Eigenständigkeit ab", betont er.
"Auf Augenhöhe mit Volkswagen"
Über den Zusammenschluss mit Volkswagen zu einem integrierten Konzern könne "auf Augenhöhe" mit Europas größtem Autokonzern verhandelt werden. "Machen Sie sich keine Sorgen um ihre Arbeitsplätze", beruhigt Porsche die versammelten Mitarbeiter mit stockender Stimme. Unter Tränen fügt er hinzu: "Verlassen Sie sich auf mich: Der Mythos Porsche lebt und wird nie untergehen."
Dann ist der neue Porsche-Chef an der Reihe, Michael Macht, lange Jahre im Unternehmen. Seine Ernennung sei ein Zeichen für Kontinuität bei Porsche. "Ich verneige mich mit tiefem Respekt vor dem, was Sie geleistet haben", lobt er seinen Ziehvater Wiedeking, "Porsche hat Dir unheimlich viel zu verdanken", niemals werde man das vergessen. Sie umarmen sich, klopfen sich auf die Schulter.
Wiedeking will nun der Belegschaft seinen Rückzug erklären, die Porschianer stehen im Unwetter, sie jubeln, pfeifen, minutenlang. "Es muss aufhören mit der Beschädigung von Porsche", sagt Wiedeking, heiser von den Verhandlungen, die bis morgens um halb sechs dauerten. "Ihr habt das nicht verdient." Regen prasselt auf sie ein, Wiedeking blickt gen Himmel. "Das ist die Gefühlslage. Es könnte besser gehen." Der Rücktritt tue ihm in der Seele weh, die Grundsatzentscheidungen seien richtig gewesen.
Der Volkswagen-Aufsichtsrat hat unterdessen die Weichen für den integrierten Automobilkonzern mit Porsche gestellt. Der VW-Vorstand wolle nun Gespräche mit Porsche aufnehmen, um gemeinsam ein "finales Konzept" für die Erreichung dieses Ziels zu erarbeiten, teilte VW am Donnerstag mit. In der zu verhandelnden Grundlagenvereinbarung solle die weitere Vorgehensweise festgelegt werden.
Langsam wird klar, wie das Zusammengehen der Autobauer konkret ablaufen soll. Katar werde in einem ersten Schritt 17 Prozent an Volkswagen übernehmen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstag aus Aufsichtsratskreisen. Der Anteil solle nach der Verschmelzung von Porsche mit VW auf 19 Prozent erhöht werden. Katar gelangt an die VW-Beteiligung durch den Kauf von Aktienoptionen, die derzeit noch Porsche hält. Das Emirat räume Porsche zudem einen Kredit in Höhe von 750 Millionen Euro ein, damit der Stuttgarter Sportwagenbauer einen VW-Kredit in gleicher Höhe zurückzahlen kann.
Katar soll sich 2011 unmittelbar vor der Verschmelzung noch einmal mit bis zu zehn Prozent an der Porsche Holding beteiligen, um nach der Verschmelzung den VW-Anteil von 17 Prozent auf 19 Prozent zu erhöhen. Dann würden die Familien Porsche und Piëch unter 50 Prozent an Volkswagen halten, das Land Niedersachsen knapp über 20 Prozent und Katar 19 Prozent, hieß es in Bankenkreisen.
Zwei Konzerne im Vergleich
Fahrzeugproduktion: 6,35 Millionen
Umsatz: 113,8 Milliarden Euro
Nettogewinn: 4,69 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 370.000
Marken: 9
Werke: 61
Fahrzeugproduktion: 0,105 Millionen
Umsatz: 7,47 Milliarden Euro
Nettogewinn: 6,39 Milliarden
Mitarbeiter: 12.200
Marken: 1
Werke: 2
Katar bezahle für die VW-Optionen von Porsche fünf Milliarden Euro. Das Geld fließe an Banken. Porsche hatte sich bei den beteiligten Instituten zwar Optionen auf VW-Aktien gesichert, diese aber angesichts der enorm hohen Verschuldung nicht wie geplant in Aktien umwandeln können. Für Porsche verringerten sich aber mit dem Verkauf der Optionen an Katar die Verpflichtungen. Das Emirat Katar habe den Schwerpunkt darauf gelegt, sich an einem integrierten VW/Porsche-Konzern zu beteiligen, hieß es.