VW-Hauptversammlung Winterkorn stichelt gegen Porsche
Hamburg - Der Saal 1 ist der größte des Congresszentrums Hamburg. 3000 Zuschauer haben hier Platz. Inzwischen ist das offenbar zu viel für eine Hauptversammlung der Volkswagen-Aktionäre. "2008 war der Saal noch randvoll", beschwert sich ein Anteilseigner im Publikum. "Jetzt fühlt man sich hier ganz schön abgewrackt."

Manager Winterkorn, Wiedeking, Porsche: Neuer Machtkampf in der Chefetage?
Foto: DPAHauptgrund ist sicherlich, dass der Streubesitz der VW-Aktien sich im vergangenen Jahr stark verringert hat. Rund 400 Millionen VW-Aktien gibt es. Und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff und Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, die zwei Männer, die davon allein rund 300 Millionen ihr eigen nennen, sitzen nicht im Publikum, sondern auf dem Podium.
Die Leere im Saal verwundert dennoch, denn eine ganze Reihe von Zeitungsberichten hat im Vorfeld für gehörige Spannung gesorgt. Pünktlich zur Hauptversammlung ist demnach der Machtkampf zwischen den beiden Autoriesen neu aufgeflammt - und das offenbar mit einer Wucht, die die Machtverhältnisse der Konzerne komplett umdrehen könnte und Wiedekings Chefposten bedroht.
Nach Informationen von manager magazin steht Porsches Machtübernahme bei Volkswagen vor dem Aus. Der Sportwagenbauer hat sich demnach für die Übernahme von gut 51 Prozent aller VW-Aktien bereits mit gut neun Milliarden Euro verschuldet. Trotzdem hat Wiedeking mehrfach angekündigt, den Aktienanteil auf 75 Prozent aufzustocken. Auch wenn Experten wie Jürgen Piper, Analyst beim Bankhaus Metzler, das Unternehmen derzeit für grundsolide finanziert halten - ohne Fremdhilfe scheint das unrealistisch - schon jetzt wird Porsches Gewinn fast komplett von den Zinsen der Riesenschulden aufgezehrt.
Der "FAZ" zufolge verliert Wiedeking, der die VW-Übernahme stets forciert hat, inzwischen den Rückhalt im Porsche-Clan. Nach SPIEGEL-Informationen könnte ein Vorstoß von VW-Chefaufseher Ferdinand Piëch den Druck sogar noch erhöhen: Demnach erwägt Volkswagen nun seinerseits, Porsches operatives Geschäft zu übernehmen. Die Porsche Holding könnte mit einem solchen Deal ihre Schulden fast komplett tilgen, würde sich aber selbst entmachten. Eine Schande für Wiedeking.
Ministerpräsident Wulff scheint laut "Financial Times Deutschland" einen solchen Deal zu befürworten. Abwegig wäre das nicht: Das Land Niedersachsen ist der zweitgrößte VW-Eigner nach Porsche und blockiert mit einem Sondervetorecht die Machtübernahme des Sportwagenherstellers, nicht zuletzt wohl auch, weil Wulff das VW-Machtzentrum in Hannover halten möchte. Seit über einem Jahr schon ringen er und Wiedeking um Volkswagen.
Offiziell äußert sich keiner der Beteiligten zu der heiklen Angelegenheit. Auf der Hauptversammlung in Hamburg lassen sich die meisten einen Machtkampf nicht anmerken. Wulff und Wiedeking stecken gelegentlich witzelnd die Köpfe zusammen. Piëch moderiert die Sitzung in seiner gewohnten Art: Desinteressiert, fast schläfrig. Den Bilanz-Vortrag von VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch verfolgt er teils mit geschlossenen Augen, teils starrt er ins Unendliche.
Deutlichere Worte finden schon die Aktionäre. Denen scheint zumindest Wiedeking recht schnuppe zu sein. Niemand fragt nach der Zukunft des Porsche-Chefs. Dafür fordert ein Anteilseigner vehement Ministerpräsident Wulff auf, er solle endlich vom "völlig veralteten VW-Gesetz" absehen.
VW-Chef Martin Winterkorn sagt zu den Gerüchten nur, dass sich der Vorstand "immer wieder" mit der Frage beschäftige, "welche Möglichkeiten es gibt, die VW AG weiterzuentwickeln". Aber er leistet sich zwei subtile Sticheleien gegen Porsche. Immerhin 243 Millionen Euro Gewinn habe Volkswagen im ersten Quartal verbucht, lobt er. Der Konzern sei auch deshalb nicht wie viele andere Autobauer tief ins Minus gerutscht, "weil wir mit Porsche und Niedersachsen zwei Groß-Anteilseigner haben", sagt Winterkorn. "Um diese Stabilität beneiden uns derzeit viele."
Wulff und Wiedeking quittieren diese Bemerkung mit versteinerter Miene, ebenso Winterkorns zweideutige Ankündigung, er sei frohen Mutes, dass man die positive Partnerschaft zwischen Volkswagen und Porsche "im laufenden schwierigen Autojahr 2009 vorantreiben könne und werde".
Der VW-Chef strotzt ob der insgesamt doch recht guten Konzernbilanz ohnehin vor Selbstbewusstsein. Zwar stehe die Branche durch die geballte Finanz- und Autokrise vor einer "Jahrhundertprüfung", zwar rechne VW in diesem Jahr mit einem Rückgang des weltweiten Auto-Absatzes von 55 Millionen auf weniger als 47 Millionen Fahrzeuge. Zwar sei auch VW von der Absatzkrise stark betroffen. Um rund 11 Prozent sei der weltweite Pkw-Absatz des Konzerns 2008 eingebrochen.
Doch man sei auf glatter Strecke nicht ins Rutschen gekommen, erklärt Winterkorn. "Wir haben uns besser geschlagen als der Wettbewerb." VW habe sogar Marktanteile hinzugewinnen können - weil der weltweite Auto-Absatz insgesamt sogar um über 20 Prozent eingebrochen sei.
Dann, fast gönnerhaft, fügt er hinzu: "Aber auch wir sind Teil der Welt." 2009 werde ein "extrem schwieriges Jahr". Generell sei er zuversichtlich, weil VW in den kommenden zwei Jahren über 20 neue Modelle auf den Markt bringen werde. Seine Prognose bleibt trotz Zuversichtsbekundung ziemlich unkonkret. "Wir bleiben auf der Überholspur", sagte er nur, "und der Tank ist gut gefüllt."