VW/Porsche Experten warnen neuen Autogiganten vor schweren Zeiten
Tränen, Umarmungen, große Worte - am Tag der Entscheidung wird das große Happy End inszeniert. "Der Mythos Porsche wird nicht untergehen", verspricht der Aufsichtsratschef des Sportwagenbauers Wolfgang Porsche mit brüchiger Stimme, als er zur Belegschaft in Zuffenhausen spricht. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff - dessen Land 20 Prozent an VW hält - verkündet, bis spätestens 2018 werde der neue Gigant der Branche Toyota als Weltmarktführer ablösen. VW-Chef Winterkorn sinniert über ein neues "Kraftfeld" in der Branche. Der Schattenmann, VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, hüllt sich zwar in Schweigen - aber das Glück des knallharten Machtmenschen über die neue Welt AG darf als sicher gelten.
Nach einer monatelangen Schlacht, die Stoff für Bücher und Filme liefern wird, ist die Zukunft von Porsche und Volkswagen nun endlich entschieden: Der Sportwagenbauer wird Teil von VW, die Familien Porsche und Piëch bleiben mit mehr als 50 Prozent der Aktien Mehrheitseigner, danach folgt Niedersachsen mit 20 Prozent. Zudem steigt das Emirat Katar wahrscheinlich mit rund 17 Prozent bei Europas größtem Autobauer ein. Die Erleichterung über das Ende der quälenden Hängepartie schlägt am Donnerstag bei allen Beteiligten in herzzerreißenden Optimismus um, das nun eine blühende Zukunft auf den neuen Konzern warte.
Beobachter dagegen sind nicht ganz so euphorisiert. "Dieser Fisch muss erst einmal verdaut werden", sagt Stefan Bratzel, Autoexperte an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch-Gladbach, über Porsche. Bei den harschen Auseinandersetzungen, die dem Zusammenschluss vorangingen und Porsche-Chef Wendelin Wiedeking den Job kosteten, "wurde auf allen Ebenen viel Porzellan zerschlagen."
Tatsächlich wurde Wiedeking vom mächtigen VW-Aufsichtsrat Ferdinand Piëch eiskalt demontiert. Auf Belegschaftsebene lieferten sich VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh und sein Porsche-Counterpart Uwe Hück einen Kleinkrieg um eventuelle Mitbestimmungsrechte in einem gemeinsamen Konzern. Hück wehrte sich zudem bis zum Schluss lautstark dagegen, von VW geschluckt zu werden. Mit Polo-Teilen könne man keinen Porsche bauen, wütete er noch in den vergangenen Tagen.
Doch das ist vorbei. Jetzt soll ein neues Wir-Gefühl her. Man könnte auch sagen, die Machtgebiete müssen neu abgesteckt werden. Und das dürfte nicht ganz einfach werden. Die Geschichte von Porsche und VW ist auch die Geschichte eines Jahrzehnte währenden Familienkriegs. Es geht um Macht, Eitelkeiten und Frauen. Der Burgfriede wurde nur erreicht, weil der Clan von Ferdinand Piëch sich irgendwann vor allem um VW kümmerte, die Familie von Piëchs Cousin Wolfgang Porsche vor allem das Schicksal von Porsche bestimmte. Nun muss man sich neu zusammenraufen.
Noch dazu sitzt mit dem Emirat Katar ein neuer Großgesellschafter mit am Tisch. Nach den bisherigen Erfahrungen mit Staatsfonds werden die Araber "wohl nicht unbedingt das Zepter schwingen wollen", sagt Bratzel. Mitreden wollen die neuen Eigner aber sicher, wenn es etwa um die VW-Strategien im Ausland geht. Und vor allem dürften die eher öffentlichkeitsscheuen Staatsfonds-Vertreter für die seltsamen Machtspielchen von VW-Patriarch Piëch, die gern auch mal über die Medien ausgetragen werden, wenig übrig haben.
"Porsche braucht Eigenständigkeit"
Dabei sind die möglichen Vorteile der Ehe VW-Porsche nicht von der Hand zu weisen. Auf dem globalen Automarkt bedeutet Größe Macht. Porsche kann jetzt auf den weltweiten Produktionsverbund von VW zurückgreifen, die breite Markenpalette verspricht Einsparungen beim Einkauf, bei Produktion und Entwicklung.
Die Frage ist, ob der Weg zur neuen Welt AG nicht zu kräftezehrend war. Auch auf VW kommen harte Zeiten zu , die derzeit guten Geschäfte sind vor allem der Abwrackprämie zu verdanken. Doch statt sich für die Zeiten nach dem Staatszuschuss zu rüsten, habe sich VW dem Kampf mit Wiedeking hingegeben, sagt Stefan Sigrist, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg LBBW.
Von Sparprogrammen sei in den vergangenen Monaten nichts zu hören gewesen, sagt Sigrist. Wie auch. "Piëch hat die Arbeitnehmerseite gebraucht", erklärt der Analyst, da habe man den Beschäftigten wohl kaum finanzielle Opfer abverlangen können. "Es würde mich nicht wundern, wenn 2010 ein paar Einschläge für VW kommen", prophezeit Sigrist.
Noch dazu werden die kommenden Wochen wohl kaum weniger anstrengend für die Unternehmen. Denn jetzt muss eine zentrale Frage ausgekämpft werden: Wie genau die zehnte VW-Marke Porsche in den Gesamtkonzern integriert werden soll.
"Porsche braucht als Marke viel Eigenständigkeit, um Erfolg zu haben, ähnlich wie Audi", sagt Autoexperte Bratzel. Und alle, die noch mit im Spiel um die Zukunft der Welt AG sind, werden mitreden wollen.
Die Weichen für die Verhandlungen hat offensichtlich noch der entmachtete Porsche-Chef Wiedeking mit gestellt. Zur Stärkung von Porsche habe der eine Kapitalerhöhung und den Einstieg von Katar zur Bedingung für seinen Abgang gemacht, berichtet Betriebsratschef Hück am Morgen begeistert seinen Zuffenhausener Kollegen. "Das haben wir schriftlich, das kann uns keiner mehr nehmen", brüllt der Thai-Boxer mit den breiten Schultern und dem kahlrasierten Kopf. Hück ist einer von denen, die in den kommenden Tagen und Wochen mächtig Strippen ziehen werden.
Ein anderer ist wohl Wolfgang Porsche. Er verspricht der Belegschaft in Zuffenhausen schon am Donnerstag bewegt: "Der Mythos Porsche lebt und wird nie untergehen - verlassen Sie sich auf mich." Einschnitte bei der Belegschaft seien nicht zu befürchten, nimmt er schon einmal vorweg.
"Einfach scheiße"
Dabei dürfte die Ehe auch auf Belegschaftsebene schwierig werden. Die Porsche-Mitarbeiter machen keinen Hehl aus ihrem Frust. "Einfach scheiße", lautet einer der vielen missmutigen Kommentare zu der Hochzeit, die quasi stündlich im Radio kommen. Es dürfte eine Mammutaufgabe für VW-Chef Martin Winterkorn werden, die Herzen der Porsche-Truppe zu gewinnen, deren Selbstverständnis als gutbezahlte Sportwagentüftler so ganz anders ist als das vieler VW-Arbeiter. Auch mit dem neuen Porsche-Chef Michael Macht muss eine Arbeitsebene gefunden werden.
Zwei Konzerne im Vergleich
Fahrzeugproduktion: 6,35 Millionen
Umsatz: 113,8 Milliarden Euro
Nettogewinn: 4,69 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 370.000
Marken: 9
Werke: 61
Fahrzeugproduktion: 0,105 Millionen
Umsatz: 7,47 Milliarden Euro
Nettogewinn: 6,39 Milliarden
Mitarbeiter: 12.200
Marken: 1
Werke: 2
In den kommenden Tagen werden sich wohl alle Beteiligten in Stellung bringen. Den Anfang machten am Donnerstag die Arbeitnehmervertreter. IG-Metall-Chef Berthold Hubert forderte etwa, die Beschäftigten bei VW und Porsche sollten mit einem "nennenswerten Anteil" am Kapital des neuen Konzerns beteiligt werden. Die Beteiligung soll in einer "separaten Einheit gebündelt werden", damit die Belegschaft auch als Aktionär ihre Interessen auf einer Hauptversammlung vertreten könne.
Huber sah sehr ernst aus bei seiner Rede. Wichtig sei nun, dass man zum Kern der Arbeit von Volkswagen und Porsche zurückkehre, warnte er: "Dem Bau, der Entwicklung und dem Vertrieb von Automobilen."
Bis man sich ganz darauf konzentrieren kann, wird es aber sicher noch dauern.