Transrapid Wagnis ohne Sinn
Der Abgeordnete Josef Grünbeck (FDP) ließ sich von der Stimmung in seiner Fraktion nicht einschüchtern. »Wir reden hier über leeres Stroh«, hielt er seinem Fraktionsvorsitzenden Hermann Otto Solms vor. Leichtfertig werde mit dem Geld der Steuerzahler umgegangen.
Es half nichts, die Liberalen zogen leeres Stroh sachlichen Argumenten vor. Gegen die Stimme Grünbecks verabschiedete die FDP-Fraktion eine politische Entschließung, 1997 mit dem Bau einer Magnetbahnstrecke zwischen Hamburg und Berlin zu beginnen.
Ein seriöses Finanzierungskonzept für den Transrapid kennt auch die FDP nicht, technische und verkehrspolitische Einwände gegen die Schwebebahn werden nicht bewertet. Grünbeck, High-Tech-Unternehmer aus Höchstädt/Donau, wurde als Technikfeind geschmäht.
Wolfgang Schäuble (CDU) hatte es mit seinem Plädoyer für den umstrittenen Transrapid in der Unionsfraktion nicht so leicht. Bislang wurde die Entschließung für den bereits mit fast zwei Milliarden Mark geförderten Magnetgleiter in der Union nicht verabschiedet. Finanzminister Theo Waigel hat zu Recht Angst um sein Geld.
Die Industrie braucht eine Referenzstrecke für den Transrapid, damit sie das Gerät auch im Ausland anbieten kann. Nach langem Gezerre hatte sie deshalb großspurig versprochen, den mit Steuergeld entwickelten Gleiter zwischen Hamburg und Berlin aus eigener Kraft auf die Schiene zu setzen und das Risiko für den Betrieb zu übernehmen.
In Wahrheit hatten die an der Herstellung des Transrapid beteiligten Firmen Thyssen, AEG, Siemens und Veba - so wurde Anfang des Jahres deutlich - die Hauptlast auch weiterhin den Steuerzahlern aufbürden wollen. Die Strecke zwischen Berlin und Hamburg sollte 7,5 Milliarden Mark kosten - die hatte der Bund bereitzustellen.
Weitere 1,2 Milliarden Mark Kapital bräuchte die Betreibergesellschaft, 900 Millionen davon sollten die Bundesunternehmen Bahn und Lufthansa einbringen. Nur die restlichen 300 Millionen wollte die Wirtschaft selbst übernehmen.
Mit Hinweis auf die mangelnde Zahlungsbereitschaft der Konzerne blockte der Finanzminister bislang alle Zusagen seiner Fraktion ab. Thyssen und die übrigen Hersteller sollten wenigstens ein neues Finanzierungsangebot vorlegen.
Das dauerte dem ungeduldigen Kurt Faltlhauser, Anhänger der Industriepläne, zu lang. Er ließ seinen Büroleiter Werner Klotz telefonieren. Der leitete das Neueste aus den Rechenstuben der Firmen gleich weiter an die Ministerien. Doch auf der Fachebene aller drei Ressorts kam auch über das nachgebesserte Finanzierungskonzept die rechte Freude nicht auf.
Beim Fahrweg soll nach der neuen Vorlage der Industrie alles beim alten bleiben. Den soll voll der Bund bezahlen, nur kostet er jetzt schon 9 Milliarden Mark. Bis zum Baubeginn 1997, rechneten die Fachleute für ihre Minister in Vermerken hoch, werde die Summe wohl auf 15 Milliarden steigen.
Das Kapital für die Betreibergesellschaft soll auf 1,5 Milliarden Mark aufgestockt werden. Davon will die Industrie nun immerhin eine ganze Milliarde zeichnen, 500 Millionen sollen sich Bahn und Lufthansa teilen.
Für keine Transrapid-Mark, schrieben die Beamten ihrem Waigel auf, sei bisher eine »haushaltsmäßige Vorsorge getroffen«. Die Bundesbahn sei zwar bereit mitzumachen, aber nur, wenn sie zusätzlich »entsprechende Bundesmittel« erhalte. Auch die Lufthansa wäre nur ohne »wirtschaftliches Risiko« dabei.
Damit, heißt es in dem Vermerk für Waigel, läge der Anteil der Privatwirtschaft nach dem neuen Konzept statt bei fünf nun bei sechs Prozent. Über Lufthansa und Bahn wäre der Staat zudem voll am Betriebsrisiko beteiligt.
Das ist beträchtlich. Wesentlich für die Wirtschaftlichkeit der Strecke sind die angenommene Zahl der Fahrgäste und die Höhe der Investitionen. In einem Kurzgutachten für den Verkehrsminister hatte der Bundesrechnungshof im Oktober bereits die beiden Annahmen des Industriekonsortiums kritisiert: »An der Verläßlichkeit der Ergebnisse bestehen Zweifel.«
Die Zahl der erwarteten Passagiere für den Transrapid ist viel zu hoch angenommen, nicht zuletzt deshalb, weil dem Industriekonzept eine kühne Voraussetzung zugrunde liegt: Auf der Schiene nach Berlin würden schnelle Züge nicht mehr fahren. Die Schwebebahn soll parallel zur Eisenbahnstrecke errichtet werden, die aber gerade für schnellere Züge ausgebaut wird.
Ausführlich stellen die Prüfer dar, wie die Transrapid-Erbauer mit ihrer Schwebebahn in die Innenstädte von Hamburg und Berlin vordringen wollen. Diese Anschlüsse an andere Verkehrsnetze gelten als Voraussetzung für einen Erfolg beim Kunden. Der Rechnungshof bezweifelt, daß es gelingen könnte, in den - oberirdisch und unter der Erde - restlos genutzten Stadtzentren auch noch eine Stelzenbahn zu bauen.
»Der Bund sollte sich unseres Erachtens nicht in das Wagnis einer Magnetbahnstrecke einbinden lassen«, folgerte der Rechnungshof.
Auch die Fachbeamten des Verkehrs- und des Finanzministeriums schrieben Mitte Oktober ihre Ablehnung noch einmal fest. Hauptbegründung neben den Kosten: Seit Europa sich für ein Schnellbahnsystem auf der Basis von Rädern und Schienen entschieden habe, mache der Bau einer Einzelstrecke für den Transrapid weder verkehrspolitisch noch wirtschaftlich Sinn. Y