Warnstreiks im Verkehrssektor Logistikverband spricht sich für Aufhebung von Lkw-Sonntagsfahrverbot aus

Stillstand an Bahnhöfen, Flughäfen, Fähranlegern: Die Gewerkschaften Ver.di und EVG haben zum bundesweiten Ausstand aufgerufen. Die Logistikbranche warnt vor einem »Versorgungschaos« – und appelliert an das Verkehrsministerium.
Demonstration der EVG vor dem Berliner Hauptbahnhof (Bild vom 14. März)

Demonstration der EVG vor dem Berliner Hauptbahnhof (Bild vom 14. März)

Foto: Reuhl / Fotostand / IMAGO

Wegen des am Montag geplanten bundesweiten Warnstreiks im Verkehrssektor warnt die Logistikbranche vor einem »Versorgungschaos« und fordert die Aufhebung des Lkw-Fahrverbots am Sonntag. »Der Streik wird auch viele Lkw-Fahrer und -Fahrten massiv treffen«, sagte der Präsident des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Dirk Engelhardt, der »Bild«. »Es droht Versorgungschaos und ein Schaden von zig Millionen, wenn Waren nicht rechtzeitig geliefert werden können.«

Engelhardt sagte, Ver.di nötige Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zum Handeln. »Es wäre daher sinnvoll, wenn Verkehrsminister Wissing das Fahrverbot für Lkw an diesem Sonntag aufheben würde. Das könnte viel von dem Chaos und dem Schaden für die Wirtschaft abmildern, den Ver.di anrichten will.«

Die Gewerkschaft Ver.di und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) haben für Montag zu einem groß angelegten bundesweiten Warnstreik im Verkehrssektor aufgerufen. Stillstand soll wohl fast überall im öffentlichen Verkehr herrschen. Die Bahn stellt den gesamten Fernverkehr ein. Auch im Regionalverkehr werde »größtenteils kein Zug fahren«. Betroffen sind viele Airports – auch etwa die Flughäfen Frankfurt und München. In sieben Bundesländern soll der Nahverkehr stillstehen. Auch Schleusen auf wichtigen Wasserstraßen und etwa der Hamburger Hafen sollen bestreikt werden. Mehr dazu lesen Sie hier.

Arbeitgeber attackieren Gewerkschaften

Deutschlands Arbeitgeber werfen den Gewerkschaften vor dem Warnstreik indes überzogenes Handeln vor. »Wer so handelt, handelt unverhältnismäßig und gefährdet die Akzeptanz für das Streikrecht«, sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, der Nachrichtenagentur dpa. Er mahnte, der Kampf um Mitglieder dürfe die Tarifautonomie in Deutschland nicht radikalisieren. »Ein Blick nach Frankreich zeigt, wohin es führt, wenn man sich auf die schiefe Ebene begibt.« In Frankreich wird vergleichsweise häufig gestreikt – zuletzt besonders heftig gegen die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron.

Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge, findet den massiven Ausstand »nicht okay«, wie sie in Berlin sagte. Sie rief die Gewerkschaften zu konstruktiven Zeichen für die am Montag beginnende dritte Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes auf – neben den Tarifgesprächen bei der Bahn der entscheidende Hintergrund für die Warnstreiks. »Die Gewerkschaften sollten aufpassen, dass sie nicht überziehen«, sagte Welge.

Der Airline-Verband Barig, dem neben internationalen auch die meisten deutschen Anbieter angehören, kritisierte das Vorgehen der Gewerkschaften als »verantwortungslos«. »Die unverhältnismäßig massiv eingeschränkte Mobilität erschwert die nationalen wie auch internationalen Verkehrsströme, den Warentransport, gegebenenfalls wichtige humanitäre Hilfslieferungen und das gesellschaftliche Zusammenleben allgemein«, sagte Barig-Chef Michael Hoppe.

Bahn-Personalvorstand Martin Seiler hatte die EVG bereits am Vortag zur unverzüglichen Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgefordert. Auch Kampeter betonte: »Wir fordern Ver.di und die EVG auf, ohne jedes Wenn und Aber an den Verhandlungstisch zurückzukehren.«

Der Mittelstand blickt unterdessen besorgt auf den angekündigten Verkehrs-Warnstreik. »Unternehmen und Bevölkerung dürfen nicht in Geiselhaft genommen werden für Forderungen, die in der derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht zielführend sind«, sagte der Chef des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW), Markus Jerger, der dpa. »Erzwungene hohe Lohnabschlüsse, die die Unternehmen an den Rand der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit bringen, rauben jede Motivation, sich zusätzliche Kosten für die eigene Transformation aufzubürden.« Die Tarifforderungen von Ver.di und EVG dürften keinesfalls eine Signalwirkung für die mittelständische Wirtschaft haben, betonte Jerger. Das wäre aus seiner Sicht gerade für viele kleine und mittelständische Unternehmen existenzbedrohend. »Der BVMW als Vertreter der mittelständischen Unternehmen lässt die Verhältnismäßigkeit von Streiks in dieser Größenordnung prüfen«, so Jerger.

Containerriesen erreichen Hamburger Hafen wieder

Nach rund 44 Stunden Stillstand können große Schiffe die Tideelbe wieder befahren und somit auch den Hamburger Hafen anlaufen oder verlassen. Nach Angaben der Gewerkschaft Ver.di endete der Warnstreik bei der Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) offiziell am Freitag um sechs Uhr. Damit nahmen auch die sogenannten Lotsenversetzboote wieder ihre Arbeit auf, welche die Lotsen etwa zu den Containerschiffen bringen. Ohne sie dürfen Schiffe mit einer Länge von mehr als 90 Metern oder einer Breite von 13 Metern und darüber die Elbe nicht befahren.

Die HPA hatte die Elbe bereits am Mittwochvormittag für lotsenpflichtige Schiffe gesperrt und den Hamburger Hafen damit unerreichbar gemacht. Grund sei, dass Schiffe von der Elbmündung bis zum Hafen bis zu acht Stunden bräuchten und bei einer späteren Einfahrt in die Bundeswasserstraße den Hafen nicht mehr rechtzeitig vor dem offiziellen Streikbeginn hätten erreichen können. Mehr dazu lesen Sie hier.

ani/dpa
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